Aussterberisiko muss neu bewertet werden
„Wir waren überrascht, dass sich bei 22 Prozent der analysierten Spezies das Aussterberisiko verringern würde, wenn fremde Populationen in der Bewertung berücksichtigt würden“, sagt Studienerstautorin Lisa Tedeschi vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien. Die Biologin nahm im Team 230 gebietsfremde Säugetierarten unter die Lupe und stellte fest, dass 36 davon in ihrem natürlichen Lebensraum (stark) gefährdet sind.
Arten werden häufig intrakontinental umgesiedelt
Dabei gelten Asien und Ozeanien als Hotspots. Hier wie da wurden bedrohte Arten v.a. innerhalb des Kontinents aus ihrem angestammten Gebiet in Neuland verfrachtet; sei es zur Bejagung oder als Haustier. Der Schopfmakake zählt dazu. Beispiel für ein interkontinentales Paradoxon ist der Banteng. Die Sunda-Rinder, die in Südostasien nur noch in geringer Zahl grasen, nahmen 3.000 km entfernt so zu, dass sie in Australien bereits gezielt dezimiert werden.
Manche fremde Population könnte als Arche dienen
„Einige eingeführte Populationen könnten als Back-up, als ,Arche‘ für zukünftige Schutzmaßnahmen dienen“, sagt Tedeschi und verweist auf Berberaffen. Während die Primaten in Marokko unter Dürre und Hitze leiden, leben in Gibraltar gut 240 Exemplare; sie kamen einst auf maurischen Handelsschiffen nach Europa. Die genetische Vielfalt auf dem britischen Außenposten könnte einmal zum Arterhalt beitragen.
Da Bioinvasoren global aber auch zu den Hauptverursachern des Artenrückgangs gehören – etwa als Konkurrenz und Krankheitsüberträger –, „sollten fremde Populationen bedrohter Arten nicht von Überwachungs- oder Managementprogrammen ausgenommen werden“, betont die Expertin für tierische Aliens. Koalas etwa haben sich auf manch australischer Insel derart etabliert, dass die Überzahl die Bestände erst Recht gefährdet – so wie sie die Umwelt schwer belastet.
Artenschutz liegt prioritär in der alten Heimat
„In Zukunft wird es mehr Arten geben, auf die das Paradoxon zutrifft“, prognostiziert Franz Essl, Biodiversitätsforscher an der Uni Wien und Co-Autor der aktuellen Studie. Tedeschi ergänzt: „Eingeführte Arten sind weder ,gut‘ noch ,schlecht‘. Das Hauptaugenmerk beim Schutz bedrohter Spezies muss aber weiterhin in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet liegen.“ Das gilt nicht zuletzt für das Europäische Wildkaninchen.
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