Bio-Invasoren: Die vielen Arten des Artensterbens

„Wir wussten, dass dieser Tag kommen wird.“ Auf Sizilien entdeckten spanische Biologen 88 Nester mit teils mehreren Tausend Roten Feuerameisen. Die gebürtigen Südamerikanerinnen reisten vermutlich über den Seeweg via USA oder China auf die italienische Mittelmeerinsel und konnten sich auf einer Fläche von sieben Fußballfeldern nachweislich etablieren.
Nun befürchten die Forscher, dass sich die räuberischen Sechsfüßer rasant auf dem ganzen Kontinent ausbreiten. „Solenopsis invicta ist eine der schlimmsten invasiven Spezies“, schreibt Studienautor Mattia Menchetti im Fachmagazin Current Biology.
"Unbesiegte" Ameise
Da die „unbesiegte“ Feuerameise in ihren Futtervorlieben nicht wählerisch und ihn ihrem Verhalten aggressiv ist, gefährdet sie Insekten verschiedenster Art, darunter auch die ortsansässige Verwandtschaft.

Rote Feuerameisen fressen allzu viele Insekten und richten Schäden in der Landwirtschaft an.
Mammutbericht
Die giftige Knotenameise ist nicht das einzige Alien, das das natürliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringt. Die Liste der Störer reicht vom Amerikanischen Waschbären über den Persischen Bärenklau bis zum Signalkrebs.
Seit Kurzem ist belegt, dass weltweit 60 Prozent der eingeschleppten Arten maßgeblich für die dokumentierte Ausrottung von Tieren und Pflanzen verantwortlich sind. Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES, zeigte in einer 1.000-seitigen Metastudie zudem, dass sich das Problem dramatisch verschärfen wird – auch in Österreich.
37.000 Neobiota
„Aktuell sind global mehr als 37.000 Neobiota bekannt, die Dunkelziffer liegt sicher höher“, zitiert Franz Essl von der Uni Wien aus dem Bericht. Der Ökologe hat vier Jahre an dem „Mammutwerk“ mitgearbeitet. Insgesamt wurden dafür 13.000 Einzelpublikationen ausgewertet. Nun heißt es darin, dass 3.500 Neuankömmlinge ernsthafte ökologische Schäden anrichten.

Signalkrebs aus Übersee gefährdet heimische Verwandtschaft.
„In 16 Prozent der Fälle waren die Bio-Invasoren die alleinige Ursache für das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten“, sagt Essl. Auf lokaler Ebene wirkte die Existenz-Bedrohung besonders massiv. Hier sorgten 218 Arten für das Verschwinden von mehr als 1.200 örtlichen Spezies. In erster Linie traf es Lebewesen in Wäldern und der Landwirtschaft.
„Der Mensch kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagt Biodiversitätsforscher Essl. Denn die Arten, die sich zum Schaden anderer behaupten, sind Nutznießer der globalisierten Handels- und Reisetätigkeit des Menschen. So erobern Gewächse oft als Zierde oder mit Saatgut fremde Gebiete.
Springkraut: Hübsch, aber gefährlich
Das Drüsige Springkraut etwa blüht hübsch, aber auf Kosten heimischer Pflanzengruppen. Wirbeltiere und Fische werden mitunter absichtlich als Fressfeinde eingeführt. So sollte etwa der Asiatische Marienkäfer in den 1980er-Jahren Blattläuse vertilgen, verputzte jedoch genauso die Larven seiner europäischen Artgenossen. Insekten fliegen als blinde Passagiere rund um den Planeten.

Drüsiges Springkraut lässt der Konkurrenz keine Chance.
Darüber hinaus eröffnet der menschgemachte Klimawandel so mancher Art eine neue Heimat. Die Robinie etwa – ursprünglich aus Übersee – verträgt Hitze und Trockenheit besser als österreichisches Grünzeug. Die Asiatische Tigermücke wiederum überlebt dank milder Winter neuerdings auch hierzulande und nützt die verlängerte Gelsensaison für mehrere Generationen.
Überwachung
„Der kostengünstigste Weg, gegen Neobiota vorzugehen, ist die Prävention, Früherkennung und schnelle Bekämpfung“, sagt Essl. Nur abgestimmte nationale und internationale Anstrengungen hätten Aussicht auf Erfolg. Was die Rote Feuerameise betrifft, ist Feuer am Dach.
Das einzige Land, das die Invasorin mit einem mehrjährigen Programm ausrotten konnte, ist Neuseeland. Der Inselstaat im Pazifik setzte dabei auf ein Meldesystem. „Die Bürgerinnen und Bürger spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Überwachung großer Gebiete“, hofft Menchetti in gleicher Weise auf breite Unterstützung zwischen Portugal und Bulgarien. Denn das „Ameisenproblem ist in Europa angekommen“.
Kommentare