Essstörungen: Jedes dritte Mädchen gefährdet

Essstörungen: Jedes dritte Mädchen gefährdet
Mehr als 3000 Jugendliche befragt. Risiko auch bei 15 Prozent der Burschen.

Es ist das erste Mal, dass diese Zahlen für Österreich erhoben wurden: 30,9 Prozent der Mädchen und 14,6 Prozent der Burschen haben ein möglicherweise erhöhtes Risiko, an einer Essstörung wie Magersucht oder Ess-Brechsucht zu erkranken. Das sagte Univ.-Prof. Andreas Karwautz, Leiter der Ambulanz für Essstörungen am Wiener AKH / MedUni Wien, am Wochenende im Ö1 Morgenjournal.

"Es spielen immer mehrere Faktoren zusammen, um eine Essstörung zu bekommen. Diäten sind einer davon", erklärt die Psychologin Ass.-Prof. Gudrun Wagner von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien, eine der Autorinnen der neuen Studie. "Denn je höher das Gewicht, desto größer oft die Unzufriedenheit mit dem Körper." 3610 Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren wurden für die Studie von MedUni Wien (Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie), Ludwig-Boltzmann-Institut (Health Promotion Research) und der Porsche Fern-FH befragt.

Fünf spezielle Fragen

Darunter waren fünf Fragen, die ganz speziell Hinweise auf eine Essstörung aufzeigen (siehe die Grafik am Ende des Artikels). Jedes dritte Mädchen und jeder siebente Bursch beantworteten mehr als zwei mit Ja. Bei den am stärksten übergewichtigen Mädchen war es jedes Zweite. Bei mehr als zwei Ja-Antworten - ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko - wurde eine vertiefende Befragung durchgeführt.

Oft beginnt der Weg in die Essstörung scheinbar ganz harmlos: "Da sagt etwa ein Arzt zu einem Kind, ,du solltest ein wenig aufs Gewicht schauen, mehr Obst und Gemüse essen‘", sagt Wagner zum KURIER. Bei sehr perfektionistischen Jugendlichen mit niedrigem Selbstwertgefühl, die noch dazu bereits unzufrieden mit ihrem Körperbild sind, könne das aber die Entstehung einer Essstörung begünstigen: "Ebenso, wenn sich in der Familie alles nur ums Essen dreht."

Je schneller die Jugendlichen abnehmen, umso gefährlicher: "Wir behandeln bei uns stationär Mädchen, die innerhalb weniger Monate vom Übergewicht in ein massives Untergewicht geschlittert sind." Unter dem Verweis auf die ja empfohlene "gesunde Ernährung" essen sie dann oft nur mehr Nahrungsmittel mit wenig Kalorien: "Und mit Hilfe von Sport-Apps für das Mobiltelefon rechnen sie sich dann aus, wie weit sie laufen müssen, damit sie die aufgenommene Energiemenge gleich wieder verbrauchen."

"Keine Diäten"

Wagner und Karwautz betonen, dass Kinder und Jugendliche – massive Gewichtsprobleme ausgenommen – keine Diäten machen sollten: "Ausgewogene Ernährung und ein für Jugendliche übliches Bewegungspensum reichen zur Gewichtskontrolle völlig aus."

Essstörungen: Jedes dritte Mädchen gefährdet
Für Eltern, deren Kinder wegen einer Esstörung in psychiatrischer Behandlung sind, hat die Uni–Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie ein besonderes Angebot: Das Programm SUCCEAT (Supporting Carers of Children and Adolescents with Eating Disorders;www.succeat.at) bietet Angehörigen Hilfestellungen, wie sie mit den Kindern in Kontakt bleiben und einen Schritt aufeinander zugehen können. Dazu gibt es eine Variante mit 6-8 Treffen in einer Elterngruppe und eine Online-Variante. Bei dieser erhalten Eltern Informationen über ein Online-Programm mit regelmäßigem eMail-Kontakt.

Wichtig wäre in Österreich auch die Einrichtung einer Spezialklinik für Essstörungen, wie es sie in Deutschland oder den USA gibt.

Wagner: "Einen Menschen machen nicht nur Gewicht und Figur aus, sondern auch seine Interessen, seine Fähigkeiten, seine ganze Persönlichkeit."

Prinzip Leistung als Risiko

„Wenn Leistung zum bestimmenden Lebensprinzip wird, ist das ein Risikofaktor für Essstörungen vor allem für Mädchen, die ohnehin schon sehr perfektionistisch sind“, sagt die Psychologin Ass.-Prof. Gudrun Wagner.

Der deutsche Kinderpsychiater Michael Schulte-Markwort ist zu diesem Thema („Burn-out Kids: Wie das Prinzip Leistung unsere Kinder überfordert“) Gastreferent beim Fortbildungskongress „Essstörungen und assoziierte Krankheitsbilder“ (11.– 12. 3., MedUni Wien).

Weitere Themen u. a.: Suizidalität und Essstörungen (Suizidalität ist ein klinisches Problem ) sowie Schönheitsideale.

Nähere Informationen und Anmeldung: www.ess-stoerung.eu

Sehen Sie hier die Info-Grafik mit den fünf Fragen, die ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko sein können:

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