Ebola: "Jeder Fehler kann tödlich sein"
Angst müssen unsere Mitarbeiter keine haben.“ Prim. Univ.-Doz. Christoph Wenisch steht in der Schleuse zu einem Unterdruckzimmer auf der Intensivstation C 12 der 4. Medizinischen Abteilung (Infektionsabteilung) im Kaiser-Franz-Josef-Spital (KFJ) in Wien-Favoriten. Sollte je ein Patient mit Ebola-Verdacht in Wien-Schwechat landen, würde man ihn auf dieser hochspezialisierten Abteilung behandeln.
„Ein solcher Patient wird uns – etwa vom Flughafen – angekündigt“, sagt Wenisch: „Wir hätten genug Zeit, die anderen Patienten der Intensivstation (elf Betten) zu verlegen.“ Der Ebola-Patient selbst würde von vier Personen (zwei Helfern, einer Pflegeperson, einem Arzt) von der Rettung übernommen und in das Intensivzimmer gebracht werden. Alle Mitarbeiter, die Kontakt mit dem Patienten haben, tragen Ganzkörperanzüge mit verschweißten Handschuhen und Fußteilen. Die Atemluft wird vom Rückenteil des Anzugs über zwei Filter in die Schutzmaske geleitet.
Sicherheitsschleusen
„Nur wenn die Tür zum Krankenzimmer zu ist, kann die Eintrittstür in die davorliegende Schleuse geöffnet werden“, sagt Wenisch: „Umgekehrt geht die zweite Tür nur auf, wenn die erste zu ist. Das regelt ein Ampelsystem.“ Durch einen starken Unterdruck im Krankenzimmer – und einen etwas geringeren auch in der Schleuse – bleiben beim Öffnen der Türe allfällige Krankheitserreger in dem Zimmer.
Zwei Intensiv- und vier weitere Krankenzimmer mit Unterdruck und Sicherheitsschleusen stehen in der neuen Infektionsabteilung des KFJ für solche Hochrisikopatienten zur Verfügung.
„Eine unserer ersten Handlungen wäre die Entnahme einer Blutprobe, die in einem mehrfach gesicherten Spezialgefäß zur Analyse ins Bernhard-Nocht-Institut nach Hamburg geschickt wird“, sagt Wenisch. Viele andere Blutuntersuchungen können im Labor direkt auf der Station durchgeführt werden, auch Ultraschall und Röntgen sind möglich: „Wir können einen solchen Patienten ja nicht im Spital herumtransportieren.“
„Ein großes Infektionsrisiko besteht auch beim Ausziehen des Schutzanzugs“, so Wenisch. „Das Arbeiten in dem Anzug ist extrem anstrengend und belastend – man schwitzt, die Luft ist trocken und man will nur rasch heraus . Da ist das Risiko groß, dass man beim Ausziehen – das zumindest eine halbe Stunde dauert – unvorsichtig wird.“ Maximal zwei Stunden Arbeitszeit sind in dem Anzug vorgesehen, dann muss eine Stunde Pause eingelegt werden.
Chemikaliendusche
Um Erreger auf der Außenseite des Schutzanzugs abzutöten, wird vor dem Ausziehen eine „Dekontaminationsdusche“ mit einem Desinfektionsmittel durchgeführt. Anschließend wird der Anzug zusätzlich durch Abwischen desinfiziert. Beim Ausziehen selbst assistieren zwei Helfer unter der Aufsicht eines Krankenhaushygienikers: „Die sind zur Kontrolle extrem wichtig.“ Die einzelnen Schritte sind in Checklisten genau festgelegt. Danach kommt der Anzug in einen Spezialcontainer und wird verbrannt.
Jedes Jahr gibt es eine große Ebola-Übung sowie laufend kleinere Schulungen, bei denen die genauen Abläufe durchgespielt werden.
„Bei Ebola löst sich das traditionelle Arzt-Patient-Verhältnis auf“, sagt Wenisch. „Da ein hohes Infektionsrisiko für die Behandelnden besteht, ist man auch als Arzt oder Krankenpfleger mehr auf der Patientenseite.“
Deshalb sei es wichtig, immer auch an sich selbst und an einem nahestehende Menschen zu denken: „Jeder Fehler kann tödlich sein – das müssen wir uns ständig bewusst machen“, betont Wenisch: „Der Umgang mit Ebola ähnelt einem Feuerwehreinsatz: Ich muss zuerst mich selbst schützen, damit ich anderen helfen kann.“
Erstmals wird ein mit Ebola-Infizierter nach Europa geflogen: Die spanische Regierung holt einen Priester zurück, der sich in Liberia infiziert hat. „Europa ist auf solche Fälle gut vorbereitet“, sagt der zuständige Experte im österreichischen Gesundheitsministerium, Peter Kreidl. „Es gibt keinen Grund für Angstmache.“ Allgemein wird das Risiko eines importierten Falls als gering eingestuft.
Tower wird informiert
Gäbe es bei einem ankommenden Flug Verdachtsmomente auf Ebola, würde der Pilot den Tower am Ankunftsflughafen informieren. Der Betroffene würde über ein eigenes Gate abtransportiert werden. Nur die unmittelbaren Sitznachbarn und die Kabinencrew müssten in den darauffolgenden 21 Tagen (so lange dauert die Zeit bis zum Ausbruch von Symptomen maximal) zwei Mal täglich Fieber messen: Sobald Fieber auftritt, kämen sie in Spitalsbehandlung.
Spezielle Maßnahmen sind derzeit am Flughafen Wien-Schwechat nicht geplant, so Sprecher Peter Kleemann: „Wenn welche notwendig werden, werden sie in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden umgesetzt.“ Ein Screening von Flugpassagieren auf erhöhte Temperatur sei in Österreich nicht zielführend: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine andere infektiöse Erkrankung wie Malaria oder Grippe handelt, ist wesentlich größer“, so Kreidl: „Wir hätten unzählige falsche Verdachtsfälle. Überdies gebe es keine Direktflüge in das Ebola-Gebiet.
Erhöhte Vorsicht
Auch bei der Wiener Berufsrettung ist man auf den Ernstfall vorbereitet. „Unsere Mitarbeiter sind zu erhöhter Vorsicht angehalten. Müssten wir aufgrund eines begründeten Verdachts einen Infizierten transportieren, werden die Sanitäter mit Schutzkleidung ausgestattet“, so Sprecher Ronald Packert. Anschließend wird das Fahrzeug desinfiziert.
Dass vor Reisen in die betroffenen westafrikanischen Länder abgeraten wird, hänge in erster Linie nicht mit der direkten Infektionsgefahr zusammen, so Kreidl: „Die ist ja ohne Kontakt mit Körperflüssigkeiten gering. Aber wenn man z. B. einen Unfall oder eine andere Erkrankung hat und dann in ein Spital in einem Ebola-Gebiet muss, ist das Infektionsrisiko erhöht.“
Lange infektiös
Auf keinen Fall sollte man ungeschützten Sex mit Überlebenden einer Infektion haben: „Überlebende, die keine Symptome mehr zeigen, können wahrscheinlich bis zu sieben Wochen lang über Körperflüssigkeiten das Virus noch ausscheiden.“ Laut WHO ist die Gesamtzahl der Todesfälle mittlerweile auf 900 gestiegen. In Genf berät die WHO Maßnahmen zur Eindämmung der Ebola-Epidemie. Neun Fälle sind jetzt auch aus Nigeria gemeldet.
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