Downsyndrom: Menschen mit viel Potenzial

Downsyndrom: Menschen mit viel Potenzial
Filme wie "So wie du bist" zeigen erfolgreiche "Downies". Forschung und Förderung eröffnen neue Möglichkeiten.

Vor zwei Jahren war es Pablo Pineda mit dem Film "Yo tambien" (siehe unten) , jetzt sind es die deutschen Schauspieler Juliana Götze und Sebastian Urbanski: Mit ihren Leistungen verändern diese Menschen mit Downsyndrom die öffentliche Wahrnehmung.

"Es war das Verdienst engagierter Familien und der Forschung, die gezeigt haben: Menschen mit Downsyndrom haben viele Potenziale, die lange Zeit nicht gesehen und nicht gehoben wurden", sagt die Medizinerin Bettina Baltacis. Sie leitet die Spezialambulanz für Menschen mit Downsyndrom im Krankenhaus Rudolfstiftung in Wien.

"Mit einer frühen und spezifischen Förderung der Kinder können ihre Stärken ausgenützt werden, um Schwächen, wie etwa die langsam sich entwickelnde Lautsprache, zu kompensieren." So könne etwa mit einer durch Gebärden unterstützten Kommunikation der Erwerb der gesprochenen Sprache deutlich gefördert werden. "Auch im mathematischen Bereich gibt es sehr gute neue pädagogische Konzepte."

Einen großen Fortschritt habe "ein Grundgerüst an medizinischen Kontrollen" gebracht, sagt Baltacis: Sehr viele Kinder mit Downsyndrom kommen mit Herzfehlern auf die Welt. "In 90 Prozent der Fälle können sie heute frühzeitig erfolgreich operiert werden. Das wirkt sich positiv auf die Hirnentwicklung und insgesamt die Leistungsfähigkeit aus." Außerdem sei es wichtig, auf eine vorliegende Sinnesbehinderung zu achten und diese zeitgerecht zu behandeln. Durch diese Maßnahmen gehe die Lebenserwartung in Richtung der durchschnittlichen Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung.

Große Spannbreite

"Angesichts des neuen positiven Bildes in der Öffentlichkeit muss aber auch betont werden, dass die Spannbreite der individuellen Fähigkeiten der Menschen mit Downsyndrom sehr groß ist", betont Monika Hallbauer, Mutter einer 15-jährigen Tochter mit Downsyndrom: "Es darf nicht der Rückschluss gezogen werden, dieses oder jenes Kind habe sich langsamer entwickelt, weil es von seiner Umgebung nicht ausreichend unterstützt wurde."

Trotzdem sei das Aufzeigen von Spitzenleistungen wesentlich, damit die Erwartungshaltung nicht zu niedrig angesetzt werde. "Neue Methoden weisen einen erfolgversprechenden Weg der Begleitung und Förderung, den ich gerne gemeinsam mit meiner Tochter Kati gehe. Glücklich machen mich dabei die kleinen Erfolge, unabhängig von Katis Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen."

Viele Kinder mit Downsyndrom lernen heute erfolgreich Schreiben, Lesen und Rechnen: "Und alle profitieren von diesen Lernaktivitäten für ihren Alltag."

"Dieses Wissen ist aber noch nicht bei allen Therapeuten und Pädagogen angekommen", sagt die Sozialarbeiterin Ingrid Teufel von der Downsyndrom-Ambulanz: "Wir haben immer wieder mit Kindern zu tun, die etwa in Haupt- oder Mittelschulen zwar freundlich aufgenommen sind, eine Erwartungshaltung des Lehrers aber nur im Bereich Soziales Lernen, nicht jedoch im Wissenserwerb besteht." Auch in Werkstätten seien die Jugendlichen oft unterfordert. Und positive Beispiele von sinnvollen beruflichen Tätigkeiten seien oft schwer erkämpft: "Hier muss auch die Wirtschaft noch lernen, sich mehr auf Menschen mit Downsyndrom einzulassen." Ganz wichtig sei es dabei, das Anderssein nicht als Schwäche zu sehen. Das betont auch die Medizinerin Baltacis: "Menschen mit Downsyndrom haben viele Stärken – häufig etwa ein großes Einfühlungsvermögen. Viele gehen auch sehr offen auf andere Menschen zu."

"Können dasselbe tun wie andere auch"

Downsyndrom: Menschen mit viel Potenzial

Er ist der erste Europäer mit Downsyndrom, der einen Universitätsabschluss hat: Der 1975 in Malaga, Spanien, geborene Pablo Pineda. Er lernte schon mit vier Jahren Lesen, hat ein Lehramtsstudium abgeschlossen und unterrichtet in einer Schule in Cordoba Psychologie.

International bekannt wurde er 2010 durch seine Filmrolle in "Yo tambien – Me too" ( "Me too – Wer will schon normal sein?").

In einem KURIER-Interview von Ro Raftl sagte er bei seinem Wien-Besuch 2010, er wolle dazu beitragen, dass sich die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Menschen mit Downsyndrom verbessere. "Ich will zeigen, dass sie arbeiten können. Das Wichtigste ist, dass sie Arbeitsplätze bekommen." Immer wieder betont Pineda, dass "zuallererst die Gesellschaft selbst sehen muss, dass wir nicht Behinderte, sondern Menschen sind, die genau dasselbe tun können wie andere auch, und die die gleichen Rechte verdienen".

"Menschen mit Downsyndrom leiden nicht an ihrem Syndrom", heißt es auch beim Dachverband der Downsyndrom-Gruppierungen: "Sie leiden an Spott und Mitleid, an Zurückweisung und Unverständnis, an Übergangenwerden und Ausgeschlossensein."

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