Die Seele entrümpeln und Platz schaffen
Der tägliche Mail-Verkehr hatte es in sich. 40 Tage lang – von Aschermittwoch bis Ostern 2012 – korrespondierte der Agnostiker und Journalist Christian Resch, 32, mit dem Dreifach-Doktor ( Theologie, Sozialwissenschaften, christliche Philosophie) Clemens Sedmak, 41. Der Professor stellte ihm Aufgaben, Resch revanchierte sich mit Fragen über Gott und die Welt. Sernak wollte ihn „vom Christenfeind zum Christenfreund“ machen. Ihn mitnehmen auf einen Weg, „der ‚nach innen‘ und ‚nach oben‘“ führt.
Resch wollte nicht direkt zu Gott. Aber in den 40 Tagen bewusst seinen Blickwinkel verändern, vielleicht die eine oder andere Altlast loswerden – auch wenn Veränderungen manchmal schwerfallen. Im Rückblick vergleicht er es mit einer Rosskur: „Wenn man freiwillig um vier Uhr Früh aufsteht, um einen Psalm auswendig zu lernen oder einen Tagesgedanken niederzuschreiben – da fragt man sich schon, was man da gerade macht.“
Dass die beiden ihren Dialog gerade in der Fastenzeit führten, ist wohl kein Zufall. „Wenn es um Entscheidungen geht, sind Altlasten immer ein Thema. In der Fastenzeit ist es hierzulande kulturell mehr akzeptiert, etwas zu verändern“, sagt Patricia Göttersdorfer vom Berufsverband der österreichischen Psychologen (BÖP). Dazu brauche es nicht nur aus katholischer Sicht Mittel zum Zweck.
Verzicht
„Verzicht ist ein sehr gutes mentales Training. Viele spüren dann erst Stärken, die ihnen gar nicht bewusst waren.“ Eine Erkenntnis, die auch Christian Resch mitnahm. Egal, ob das zwei Stunden weniger Morgenschlaf sind oder ein wöchentlicher Fasttag, an dem Resch nach anfänglichen Ausrutschern tatsächlich Genuss fand. „Es sind die ganz banalen, kleinen Dinge, die etwas in Bewegung bringen.“
Da ist manchmal der leichte Zwang durch andere hilfreich, meint Göttersdorfer. „Im Kampf gegen uns selber brauchen wir andere Menschen, um uns selbst besser kennenzulernen.“ Auch Resch bekam so manchen Schubser von Sedmak. Er sollte etwa jemandem, dem er unrecht getan hatte, einen Brief schreiben. „Es war erstaunlich, wie gut ich mich danach fühlte, so befreit wie nach einer Stunde Joggen. Es gibt also keinen Grund, solche Dinge nicht zu tun. Aber man tut es eben normalerweise im Alltag nicht.“ Die Schweizer Psychoanalytikerin Katharina Ley schreibt dazu im Buch „Zeiten des Wandels“: „Beenden bedeutet Entwicklung, weil es Loslassen und Versöhnung voraussetzt. Das Beenden von etwas wird so zu einer Quelle neuer Lebenskräfte.“ Belastendes wird oft sogar ein ganzes Leben lang mitgeschleppt, bemerkt der deutsche Sterbeforscher Bernard Jakoby. In seinem neuen Buch betont er, dass Verzeihen wichtig – und vor allem immer möglich ist. „Verzeihen zu können oder Vergebung zuzulassen, ist für viele Menschen ein schwieriger Schritt. Manche wissen gar nicht, warum sie überhaupt verzeihen sollen. Aber dadurch übernehmen wir erst wirklich die Verantwortung für unser Leben.“
Planung
Psychologin Göttersdorfer plädiert dafür, die Entsorgung emotionaler Altlasten zu planen und das Ziel zu bestimmen. „Das ist ein wichtiger Aspekt jeder Veränderung.“ Für das Wie sei die jeweilige Persönlichkeit entscheidend. „Manchmal geht es wirklich darum, etwas zu beginnen und den ersten Schritt zu tun. Für andere ist es besser, das Vorhaben mit ganz kleinen Schritten auszuprobieren.“ Christian Resch hat in 40 Tagen viel ausprobiert – und manches beibehalten, etwa täglich einen Gedanken aufzuschreiben oder den Fasttag. „So eine Auseinandersetzung mit sich selbst geht nicht spurlos an einem vorüber. Ich glaube, mein Alltag hat sich ein bisschen zum Besseren verändert.“
Buchtipp 1: Clemens Sedmak, und Christian Resch: Wie man (vielleicht) in den Himmel kommt. Erschienen im Ecowin Verlag, 19,95 Euro (Taschenbuch)
Buchtipp 2: Luise Reddemann (Herausgeberin, mit Beiträgen mehrerer Autoren): Zeiten des Wandels. Die kreative Kraft der Lebensübergänge. Kreuz-Verlag, 19,60 Euro
Buchtipp 3: Bernard Jakoby: Verzeihen ist immer möglich. Die Bedeutung der Aussöhnung im Sterben und in den Nachtodkontakten. Nymphenburger-Verlag, 20,60 Euro
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