Die unterschätzte Krankheit

Diabetes: Die unterschätzte Krankheit
Experten warnen vor einer Verharmlosung – und fordern mehr Programme zur Vorsorge.

Typ-2-Diabetes ist die derzeit am meisten unterschätzte Krankheit.“ Das sagt der Diabetologe Univ.-Prof. Bernhard Ludvik von der MedUni Wien. „Weil er nicht weh tut, haben viele Betroffene bei der Diagnose schon einen Folgeschaden. Sehr oft wird Diabetes überhaupt erst im Zuge eines Herzinfarktes festgestellt. Von den Infarktpatienten hat ein Drittel einen Diabetes und ein Drittel bereits ein Diabetes-Vorstadium.“

Ludvik ist einer der Referenten beim Gesundheits-Talk kommenden Mittwoch, 23.1., an der MedUni Wien (Infos siehe unten). Veranstalter sind der KURIER, die MedUni Wien und Novartis. Der Eintritt ist frei.

„Die meisten der gefürchteten Spätkomplikationen von Diabetes wie Augen- oder Nierenerkrankungen sind bei frühzeitiger Therapie vermeidbar – gerade in den vergangenen fünf bis zehn Jahren hat es große Fortschritte in der Therapie gegeben.“

So kommt es bei neuen Medikamenten (Gliptine, Inkretinmimetika) zu keinen Unterzuckerungen und auch zu keiner Gewichtszunahme. „Bei Unterzuckerungen werden Stresshormone ausgeschüttet, die den Herzmuskel schädigen können. Diese Präparate sind deshalb eine echte Bereicherung. Aber die Inkretinmimetika werden in der Regel nicht von den Krankenkassen erstattet. Dieser Zustand ist für ein wohlhabendes Land wie Österreich nicht tragbar.“

Der Anstieg der Diabetes-Erkrankungen sei „eine Folge der Adipositas-Welle (starkes Übergewicht, Anm.), die uns derzeit überrollt. Diese wird die größte Herausforderung für das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren.“ Wichtig wären deshalb auch mehr Programme zur Vorsorge und Aufklärung: „Das Gesundheitswissen ist teilweise sehr mangelhaft. Die Zusammenhänge etwa zwischen Übergewicht und Diabetes sind vielen nicht bewusst.“

Wie Bewegung schützt

„Die Bedeutung der Bewegung in der Prävention und Therapie von Diabetes wird unterschätzt“, sagt Univ.-Prof. Thomas Wascher vom Hanusch-Krankenhaus in Wien. „Drastisch formuliert kann man sagen: Fett und fit ist weniger schlimm als schlank und nicht fit.“ Denn ausreichende Ausdauerbewegung wirke antientzündlich und reduziere damit die negativen Folgen von zu viel Fettgewebe im Bauchbereich („Apfeltyp“) auf den Stoffwechsel: „Dieser ,Apfeltyp‘ ist dann um ein Vielfaches weniger ungesund.“ Wascher war auch – gemeinsam mit dem Sportwissenschaftler Christian Lackinger von der Sportunion – federführend bei der Konzeption der „Bewegungsbox“. Diese liefert viele Tipps, wie man ein Leben mit mehr Bewegung erfolgreich in der täglichen Praxis umsetzen kann.

Noch im Frühjahr soll am Hanusch-Krankenhaus ein von Novartis unterstütztes Pilotprojekt („Gemeinsam geht es leichter“) für eine langfristige Begleitung von Diabetespatienten über mehrere Monate hinweg starten: „Die meisten Schulungsprogramme für Diabetiker dauern maximal einige Tage und legen außerdem den Schwerpunkt auf die Ernährung. Wir wollen die Bewegung in den Vordergrund stellen und untersuchen, wie erfolgreich eine solche längerfristige Begleitung ist. Wir hoffen, dass dadurch die Motivation der Patienten größer wird, dauerhaft ihren Lebensstil zu ändern und zu verbessern.“

www.oedg.at

Die unterschätzte Krankheit

Elsa Perneczky ist stv. Vorsitzende der Selbsthilfeorganisation „Österreichische Diabetikervereinigung“.

KURIER: Gibt es in Österreich ein ausreichendes Problembewusstsein für Typ-2-Diabetes?

Elsa Perneczky: Nein. Weil man lange Zeit nichts spürt und Typ-2-Diabetes kaum Beschwerden macht, fehlt vielen Menschen das Bewusstsein dafür, einen ungesunden Lebensstil zu ändern. Wird dann z. B. bei einer Gesundenuntersuchung ein erhöhter Blutzuckerwert diagnostiziert, passiert häufig weiterhin nichts, weil auch viele Ärzte das Thema verniedlichen. Patienten werden zu wenig darüber aufgeklärt, dass sie etwas tun können und in einer frühen Phase auf dem Weg zum Diabetes noch umkehren können. Nur zu sagen, „nehmen Sie ein wenig ab“, ist da viel zu wenig.

Gibt es ausreichend Ernährungs- und Bewegungsschulungen sowie spezialisierte Ärzte?

Das Schulungsangebot in den Arztpraxen ist gering und viele Diabetesambulanzen in den Spitälern sind überfüllt. Die Hausärzte sind die erste Anlaufstelle. Wir benötigen aber mehr Schwerpunktordinationen für Diabetiker und mehr Kassenstellen für Internisten mit Schwerpunkt Diabetes. Die Diabetes-Therapie ist sehr aufwendig, Zehn-Minuten-Gespräche reichen da nicht aus. Viele Patienten leiden auch darunter, das neue Diabetesmedikamente von den Kassen nicht erstattet werden. Ebenso sollten auch Diabetikern, die noch kein Insulin benötigen, die Blutzucker-Teststreifen bezahlt werden. Denn diese sind eine wichtige Erfolgskontrolle und ein wichtiger Motivator bei der Lebensstiländerung.

www.diabetes.or.at

Diskussionsveranstaltung

Diabetes ist das Thema des Gesundheits-Talk am Mittwoch, 23.1., 18 Uhr, im Rektoratssaal der Medizinischen Universität Wien, Spitalg. 23, 1090 Wien.,

Am Podium: Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik (AKH Wien / MedUni Wien), Univ.-Prof. Dr. Thomas Wascher (Hanusch Krankenhaus Wien) und Elsa Perneczky, Österreichische Diabetikervereinigung. Moderation: Ressortleiterin Gabriele Kuhn, KURIER.

Diskussionsveranstaltung

Diabetes ist das Thema des Gesundheits-Talk am Mittwoch, 23.1., 18 Uhr, im Rektoratssaal der Medizinischen Universität Wien, Spitalg. 23, 1090 Wien.,

Am Podium: Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik (AKH Wien / MedUni Wien), Univ.-Prof. Dr. Thomas Wascher (Hanusch Krankenhaus Wien) und Elsa Perneczky, Österreichische Diabetikervereinigung. Moderation: Ressortleiterin Gabriele Kuhn, KURIER.

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