Wie sich Ameisen vor der Ausbreitung von Krankheiten schützen
Ist eine Ameisenkolonie von einer Krankheit bedroht, dann ändert das ganze Volk sein Verhalten ganz gezielt. In einer Studie - veröffentlicht im Fachjournal Science - berichtet ein Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung, dass die Insekten beispielsweise verstärkt mit Mitgliedern ihrer Kleingruppe interagieren. Diese Cliquenbildung erschwert die Ausbreitung der Krankheit.
Große Ansteckungsgefahr
Wie etwa in urbanen Gebieten ist das Zusammenleben von Ameisen durch die hohe Bevölkerungsdichte in den Kolonien charakterisiert. Die zwangsläufigen häufigen Kontakte, die diese Situation mit sich bringt, begünstigen die Ausbreitung von Krankheitserregern. Dass die Tiere kollektive Strategien entwickelt haben, um mit der Bedrohung durch Erreger umzugehen, indem sie etwa infizierte Individuen reinigen, hat das Team um Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg bereits in einigen früheren Untersuchungen gezeigt.
Experiment mit 2266 Ameisen
Nun haben sich die Wissenschaftler mit einer von der Forschungsgruppe von Laurent Keller an der Universität Lausanne (Schweiz) entwickelten Methode daran gemacht, das Verhalten von Schwarzen Gartenameisen (Lasius niger) zu untersuchen. Mit Hilfe von Plaketten mit QR-Codes, die am Rücken der Tiere angebracht werden, ist es möglich, die Bewegungen jedes einzelnen Individuums detailliert über eine gewisse Zeit hinweg nachzuvollziehen. In ihrem ersten Experiment trugen 2266 Ameisen die Markierungen, die dann mit Infrarotkameras alle 30 Minuten geortet wurden.
Arbeit in Teams
Die Wissenschaftler widmeten sich bei ihren Beobachtungen vor allem dem Verhalten von Untergruppen innerhalb der Kolonien. So bilden etwa junge Arbeiterameisen Gruppen von "Brutpflegerinnen", die sich vorrangig innerhalb der Kolonie um den Nachwuchs kümmern. Ältere Arbeiterameisen betätigen sich hingegen vermehrt als Sammlerinnen, die außerhalb des Nests nach Nahrung suchen. Letztere sind entsprechen häufiger mit Krankheitserregern konfrontiert.
Infektion mit Pilzsporen
Im Zuge ihres Experiments setzen die Forscher zehn Prozent der Sammlerinnen Pilzsporen (Metarhizium brunneum) aus, die leicht von einer Ameise an andere weitergegeben werden können. Es zeigte sich nicht nur, dass die Kolonie rasch erkannte, dass sie es mit einem Krankheitserreger zu tun hat. Es wurden auch umgehend Gegenmaßnahmen eingeleitet, indem "die Ameisen ändern, wie und mit wem sie interagieren", so Cremer.
Grüppchenbildung
Das bedeute, dass "die Cliquen unter den Ameisen noch stärker werden" und sich der Kontakt zwischen den Grüppchen reduziert. Während die Untergruppen, die viel im Außeneinsatz waren, verstärkt in Kontakt traten, blieben auch die "Brutpflegerinnen" vermehrt unter sich. Erstaunlicherweise betraf die Verhaltensänderung also auch jene Tiere, in deren unmittelbarem Umfeld gar keine Tiere mit Sporen behandelt wurden.
Immungedächtnis
Eine von der Gruppe am IST entwickelte Methode erlaubt es den Forschern überdies herauszufinden, wie stark die einzelnen Tiere mit den Pilzsporen belastet sind. Das kollektiv veränderte Verhalten führte dazu, dass nur sehr wenige Tiere eine Erreger-Dosis abbekamen, die zu einer Erkrankung führte. Viele Tiere waren hingegen mit geringen Sporen-Mengen konfrontiert. Das könnte - ähnlich wie bei einer Impfung - den Schutz vor einer Infektion verbessern. Cremer: "Der Erreger wird auf viele Schultern verteilt, und das Immunsystem der Ameisen kann mit diesem niedrigeren Erregerniveau sehr gut umgehen und sie entwickeln sogar eine Art Immungedächtnis."
Besonderer Schutz
Außerdem sorgten die Anpassungen des Verhaltens dafür, dass sich junge Arbeiterinnen und die Königin mit besonders wenigen Erregern herumschlagen mussten. Besonders "wertvolle" Gruppenmitglieder erhielten also besonderen Schutz. Es handle sich hier um die erste Studie, die belege, "dass eine Tiergesellschaft in der Lage ist, ihre Organisation aktiv zu verändern, um die Verbreitung von Krankheiten zu reduzieren", sagte Keller.
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