Gibt es heuer mehr Ameisen als sonst?

Derzeit sind mehr als 13.000 Arten von Ameisen beschrieben. Hier zu sehen: Zwei Exemplare der Kahlrückigen Waldameise.
Die Zahlen sind relativ konstant. Dabei ist ein Drittel der 130 heimischen Arten gefährdet.

Es herrscht Kolonnenverkehr – auf dem Highway, der in den dritten Stock des Großstadt-Altbaus führt, genauso wie in der Sackgasse, die im Badezimmer des Neubaus endet, oder auf jenen Routen über die Terrasse ins Gartenhäuschen. Eine Späherin hat Nahrung entdeckt und lotst weitere Arbeiterinnen mit einer Duftspur zu Obstresten, Zuckerdose, Fleischabfällen, Futternäpfen oder Wasser. Rasch sind die Gliederfüßer zur Stelle, schließlich wollen sie in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Vorräte sichern. Ist das Verkehrsaufkommen der ungebetenen Gäste heuer besonders dicht?

Aktuelle Zahlen

"Ameisennester können mehrere Jahrzehnte alt werden. Die Zahlen sind relativ konstant. Es ist heuer nichts Außergewöhnliches", sagt der Biologe Florian Glaser. Kammerjägerin Iphigenie Jäger untermauert die Aussage: "In den Vergleichszeiträumen zum Vorjahr sind unsere Einsätze um fünf bis zehn Prozent gestiegen" – keine signifikante Veränderung. Nach Ansicht der Experten ist das große Krabbeln ein "subjektives Gefühl". Grund zur Panik vor Ameisen besteht in unseren Breiten in unserem Alltag ohnehin nicht.

Heimische Arten

In Österreich tummeln sich etwa 130 Ameisenarten. Ein Drittel davon ist – in verschiedenem Ausmaß – gefährdet. Regional liegt die Existenzbedrohung mitunter bei 40 Prozent. Blattschneiderameisen, die in der Landwirtschaft Schaden anrichten können, leben in Mittel- bzw. Südamerika. 24-Stunden-Ameisen, die auch für Menschen extrem schmerzhafte Stiche verursachen können, kommen nur in den Tropen vor. Insektizide zur Bekämpfung der ansässigen Arten belasten Mensch und Umwelt mehr als die rund 100 Millionen Jahre alten Erdbewohner.

Sauber

"Ameisen sind saubere Tiere. Ihre Körperoberfläche ist mit einer Substanz versehen und sie putzen sich andauernd", sagt Experte Glaser. Die faszinierenden Lebewesen seien kein wirkliches Problem. Sie fressen, was der Mensch übrig lässt. Hygiene – vor allem in der Küche – hält sie fern. Knabbern die Ameisen Holz in der Bausubstanz an, zeigen sie damit einen Schaden an. Meist verursacht ein Wasseraustritt den Pilzbefall, den Volk und Königin schätzen. Im Garten tun es die Insekten den Regenwürmern gleich und lockern den Boden auf. Viele Frühlingsblüher wachsen dort, wo die Hautflügler die Samen hingetragen. "Ameisen fördern zwar die Blattläuse, indem sie sie melken und deren Fressfeinde vertreiben. Ameisen sind aber auch ganz wichtige Gegenspieler zu anderen Pflanzen fressenden Insekten", erklärt der freiberufliche Biologe in Tirol.

Gibt es heuer mehr Ameisen als sonst?

Für den Menschen bleibt das Gift von Ant-Woman ohne gesundheitliche Folgen. Manche Arten versprühen ihr Gift aus einer Drüse am Popo, andere injizieren ihr Gift mit einem Stachel. "Das ist nicht sehr angenehm, es schmerzt vergleichbar einer Brennnessel, aber es gibt keine allergischen Reaktionen", sagt Naturschützer Glaser.

Kammerjäger

Auch wenn die Tierchen ungefährlich sind, nicht jeder mag sich mit ihnen Tisch und Bad, Küche und Keller teilen. Schädlingsbekämpfer sind rasch zur Stelle. "Wir schauen zuerst, wo die Ameisen herkommen", erklärt Esol-Geschäftsleiterin Iphigenie Jäger. Je nachdem, ob die Lästlinge einen Außenposten oder ein Indoor-Quartier haben, wird reagiert, betrifft es den Garten, wird der Auftrag abgelehnt.

Ungefährlich

Gibt es heuer mehr Ameisen als sonst?
Eine Königin und mehrere Arbeiterinnen der Ameisenart Camponotus ligniperdus werden am Mittwoch (30.05.2012) im Antstore in Berlin Steglitz in einem Reagenzglas für den Versand vorbereitet. Die Tiere gehören zum Sortiment des weltweit größten Fachgeschäftes und Online-Shops für Ameisen. Es werden etwa 100 Arten aus allen fünf Kontinenten in dem Spezialladen angeboten und verschickt. Bestellt werden sie von privaten Sammlern, aber auch von Schulen, Universitäten für Forschungsprojekte, Zoos, Museen, pharmazeutischen Unternehmen sowie Film- und Fernsehproduktionen. Foto: Jens Kalaene dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++
Profis erkennen auch an den Spuren, ob Ameisen am Werk sind. "Ameisen hinterlassen einen Aushub. Mit dem Mikroskop sieht man Insektenreste von der Nahrung und eine Art Friedhof. Ameisen tragen ihre Toten aus dem Nest hinaus", sagt Jäger. Fotos ermöglichen eine Ferndiagnose, Gefangene im Glas können per Post zur Bestimmung eingeschickt werden. Jäger und Glaser sind sich einig: "Gefährlich sind nur die eingeschleppten Arten."

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