Bedroht: Unsere Fische gehen den Bach runter
Mit Netzen unterschiedlicher Maschenweite an Bord legen die Wissenschafter zu ihrer spätsommerlichen Tour ab. An ausgewählten Stellen bringen sie repräsentative Stichproben ein. Petri Dank. Reinanken und Seesaiblinge nehmen die Forscher genauer unter die Lupe. Sie zählen den Fang nicht nur, sondern messen, wiegen und untersuchen die Lachsartigen auch auf Verletzungen und Parasiten. Zudem bestimmen sie Geschlecht, Laichreife und – an Hand der Jahresringe auf den Schuppen bzw. in den Gehörsteinchen – das Alter.
Bei den Messungen im Winter setzen sie darüber hinaus Echolote ein. Des Nachts tuckern sie im Zick-Zack-Kurs über den glatten, dunklen See. Dann sind auch Fischarten unterwegs, die sich tagsüber zum Schutz vor Räubern am Grund verstecken oder sonst im Schwarm tauchen. Die Schallwellen, die die Schwimmblase der Knochenfische reflektiert, lassen Rückschlüsse auf die Größe der Exemplare und den Gesamtbestand zu.
Viele Probleme
„Wir haben gerade Halbzeit bei der Fisch-Volkszählung“, sagt Fischerei-Experte Harald Ficker von den Bundesforsten, einem der größten österreichischen Gewässerbewirtschafter. Die Daten für das EU-Projekt fließen auch in die Fischdatenbank Austria des Bundesamtes für Wasserwirtschaft ein. Sechs Seen sind abgehakt, fünf stehen noch aus. Die Ergebnisse sollen später dazu beitragen, ursprüngliche Fischgemeinschaften zu erhalten.
Verschiedene Erhebungen zeigen schon jetzt: Den Fischen steht das Wasser bis zum Hals. Die an sich beachtliche Artenvielfalt hat sich im Zuge der Eiszeiten über Jahrtausende durch die Besiedlung aus verschiedenen Quellen entwickelt. Heute sind von den 84 Fischarten Österreichs sechs vom Aussterben bedroht, 33 sind (stark) gefährdet, neun stehen auf der Vorwarnliste. Vor allem die Kälte liebenden Schwimmer der Alpenflüsse leiden. Und die Langstreckenwanderer.
„Wir haben rund 30.000 Kilometer Fließgewässer – und rund eine Querverbauung pro Kilometer. 90 Prozent davon gehen auf Kosten der Schutzwasserwirtschaft“, nennt Reinhard Haunschmid vom Bundesamt für Wasserwirtschaft den Hauptgrund für das Abtauchen von Huchen, Stör & Co. Die restlichen zehn Prozent entfallen auf Wasserkraftwerke. Sie sind nahezu unüberwindbare Hürden, Fischaufstiegshilfen ausbaufähig. Über den Fischabstieg ist generell wenig bekannt. Nicht nur Umweltschützer fordern die Renaturierung der Gewässer.
Die Zergliederung von Flüssen und Bächen verbaut Nerfling, Zobel und Schied den Weg zu ihren Fressgründen – und Laichplätzen. Nachwuchs bleibt aus. „Einkreuzungen von Zuchtfischen führen zu einem Verlust an Wildtieren“, zählt Günther Unfer vom BOKU-Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement ein weiteres Problem im nassen Ökosystem auf.
Genetische Vielfalt
So zeigte etwa eine genetische Untersuchung von Bachforellen, dass flächendeckend Erbmaterial von atlantischen und damit standortfremden Bachforellen nachzuweisen ist. Die heimische Art wird verdrängt, mit ihr geht genetische Vielfalt verloren.
Auch der Klimawandel hat in den heimischen Gewässern bereits deutliche Spuren hinterlassen. Er wirkt sich auf das Nahrungsangebot, den Sauerstoffgehalt im Wasser und die Verbreitung von Krankheiten aus. Die Erwärmung ist aber nicht die einzige Bedrohung für die heimische Fischfauna.
Welchen Schaden Biozide aus der Landwirtschaft, pharmazeutische Rückstände, die unfilterbar die Kläranlagen passieren, und die Invasion bzw. Rückkehr und Ausbreitung von Fressfeinden anrichten, ist nicht vollständig geklärt. Für Unfer steht aber fest: „Alle aktuellen Probleme sind von Menschen gemacht.“ Und das in jüngerer Vergangenheit. Die aquatischen Gemeinschaften vor 150 Jahren sahen anders aus. Der Gewässerökologe schließt: „Naturschutz hört derzeit an der Wasseroberfläche auf. Fische zahlen immer drauf. Sie sind schleimig, sie schreien nicht, und vielleicht stinken sie auch noch.“
Maßnahmen: Artenschutz geht alle an
Konsumenten
Vermeiden Sie, dass Müll, Öl oder WC-Reiniger ins Abwasser gelangen.
Schwimmer
Achten Sie auf Schilf, Ufer- und Wasserpflanzen.
Gartenbesitzer
Verzichten Sie auf Dünger. Setzen Sie keinesfalls Teichtiere in die Natur aus.
Bootsbesitzer
Desinfizieren Sie das Boot bei Standortwechsel gründlich.
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