Wiener Start-up: Wo Fisch- und Gemüsezucht kombiniert werden

Aquaponic
In Wien haben junge Landwirte das Unternehmen Blün gegründet: Mit dem Aquapionic-Verfahren sparen sie Wasser und Dünger.

Wenn die Sprache auf den Fisch kommt, wird Gregor Hoffmann zum Missionar: „Es ist unglaublich, wie billig Sie Fisch auf dem Großmarkt bekommen. Doch der schmeckt schlammig – letteln nennen wir das.“ Gourmets merken das natürlich. Die Welse, die Hoffmann und seine Kollegen züchten, sind dagegen ein Delikatesse. „Da gibt es keinen Fehlgeschmack, und beim Kochen oder Braten zerfallen sie nicht. Deshalb werden sie von Menschen mit feiner Zunge geschätzt.“ Beim Meinl am Graben ist der Wels ebenso zu haben wie im Wiener Palais Coburg, wo Haubenkoch Silvio Nickol Chef ist, erzählt der studierte Gärtner.

Ja, Hoffmann ist eigentlich Gärtner – nicht Fischer – und kommt aus einer Familie, die über Generationen eine Landwirtschaft hatte, genauso wie seine Kollegen, mit denen er das Start-up Blün gegründet hat. Sie alle wollten etwas Neues ausprobieren und kamen so auf die Aquaponic. „Das ist ein Kreislaufsystem, bei dem man die Fischzucht mit der Gemüseproduktion verbindet.“

 

Wiener Start-up: Wo Fisch- und Gemüsezucht kombiniert werden

Gregor Hoffmann "erntet" Welse

An die Kinder denken

Wie man auf eine solche Idee kommt? „Wir dachten uns, wir sollten so wirtschaften, dass die kommende Generation auch noch gut leben kann“, sagt der junge Vater, der an diesem Ferientag seine zwei Kinder mit in die Gärtnerei in Wien-Donaustadt an der Grenze zu Niederösterreich gebracht hat. Die Kleinen haben offensichtlich Spaß daran, durch die lichtdurchfluteten Glashäuser zu rennen und ab und zu Gurken und Paprika direkt von der Staude zu ernten. Genüsslich beißen sie in einen kleinen, roten, knackigen Paprika.

Melanzani, Paradeiser und noch mehr

Die Jungunternehmer wollten klein beginnen und haben sich bei der Gärtnerei Bauer eingemietet – Stefan Bauer ist neben Michael Berlin, Lukas Norman und Bernhard Zehetbauer Teil des Start-ups. Nur fünf Reihen mit Melanzani, Paradeisern, Paprika, Chili und Gurken bauen sie an. „Wir haben besondere Sorten im Angebot wie die Ochsenherz-Tomate oder eine schwarzkelchige Melanzani. Wer die einmal gegessen habt, will keine andere mehr – so intensiv und gut ist ihr Aroma.“ Übrigens: Weggeworfen wird nichts: „Haben wir zu viel Tomaten, machen wir Ketchup daraus.“

Das Wasser und der Dünger für den Gemüseanbau kommen fast ausschließlich aus der Fischzucht. „Wir müssen höchstens etwas Kalium zugeben“, erzählt Hoffmann. Vor dem Gießen wird das Fischwasser gefiltert, damit wichtige Nährstoffe erhalten bleiben. Der Vorteil: „Wir benötigen für die Produktion nur rund 20 Prozent des Wassers einer konventionellen Landwirtschaft.“

Wiener Start-up: Wo Fisch- und Gemüsezucht kombiniert werden

Mit dem Fischwasser wird das Substrat gedüngt und bewässert

Helles Glashaus, dunkle Becken

Derweil schwimmen die Welse in verschiedenen Becken des dunklen Raumes, der an das Glashaus anschließt. Mit einem Kescher zieht Hoffmann ein Exemplar aus dem Wasser des „letzten“ Beckens. Der ausgewachsene Fisch kann jetzt geschlachtet werden – das passiert genauso vor Ort wie das Räuchern. „Probieren Sie“, fordert Hoffmann seine Neukunden auf. „Sie werden begeistert sein“, prophezeit er. „Das Futter ist sicher besser als das, was in manchem Müsli steckt – 90 Prozent ist vegetarisch und biologisch, nur 10 Prozent ist Fischmehl, wobei von den Produzenten gerade daran gearbeitet wird, dies durch Insektenmehl zu ersetzen.“ Hoffmann ist nicht nur stolz auf sein Produkt, sondern auch darauf, dass diese Art der Produktion vom Fischereifonds der EU, dem EMFF, gefördert wird. Bis 2018 wurden auch Flussbarsche so gezüchtet – doch die wollten die Kunden wegen der vielen Gräten nicht.

Kein Bio-Fisch

Biologisch darf sich der Betrieb übrigens nicht nennen. „Die Aquaponic ist in der Bio-Verordnung schlicht nicht vorgesehen“, erläutert Geschäftsführer Berlin. „Da wir das Gemüse auf Substrat und die Fische in Becken halten, können wir nicht bio-zertifiziert werden, auch wenn wir ressourcenschonend und lokal produzieren.“

Wiener Start-up: Wo Fisch- und Gemüsezucht kombiniert werden

Gut gedüngt: Chili

Rezept: Wels auf Obersgemüse

Vorbereitung: 15 min    
Zubereitung: 15 min
Portionen: 2

KOMPONENTEN
300 g Gemüse der Saison  (Spargel, Melanzani, Brokkoli,  Karotten) in  ca. 3 cm große Stücke geschnitten
1 EL  Ghee
200 ml Obers
300 g Wels  portionieren
Eine Zitrone  Saft auspressen
3 EL Olivenöl, Salz, Pfeffer, etwas Mehl,  
Zitronenschale nach Geschmack
Wildkräuterblüten  wie Borretsch, Rotklee und Kräuter wie Löwenzahn oder Schafgarbe

  • Ghee in einer Pfanne schmelzen und das Gemüse darin bissfest dünsten. Gemüse wie Brokkoli extra dünsten und erst zum Schluss dazugeben. Obers beifügen und bis zur Hälfte einkochen
  • Welsfilet mit Zitronensaft beträufeln, mit Salz und Pfeffer würzen   und auf der Hautseite leicht mit Mehl bestauben – das gelingt am besten mit einem Teesieb
  • Öl in einer Pfanne erhitzen und den Wels darin auf jeder Seite etwa ein bis zwei Minuten scharf anbraten, wobei mit der Hautseite begonnen wird. Der Fisch sollte innen noch glasig sein, dann fünf Minuten rasten lassen
  • Obersgemüse zusammen mit einer Beilage der Wahl auf einem Teller anrichten (z. B. Erdäpfelrisotto). Das Gericht mit Zitronenschale, Blüten und Kräutern garnieren

 
Das Rezept ist aus dem Buch: „Kochen mit der Kraft der Natur“ von Christine Sachs, Verlag Brandstätter. 28 Euro

Aquaponic bezeichnet ein Verfahren, das Techniken der Aufzucht von Fischen in Aquakultur und der Kultivierung von Nutzpflanzen  verbindet. Das Start-up Blün produziert auf diese Weise Welse und Fruchtgemüse wie Paradeiser, Chili, Gurken oder Melanzani.

Versand und Verkauf: Der Wels kann online bestellt werden und wird dann in einer Frischebox per Post geliefert. Auch bei ausgewählten Partner wie dem Oegreissler  oder ausgewählten Supermärkten in Wien kann man die Produkte bestellen

Ab Hof: Nicht nur den Wels (roh oder geräuchert) und das Gemüse erhalten Kunden ab Hof in der Gärtnerei. Auch Produkte lokaler Anbieter wie Milch und Joghurt in der Pfandflasche,  Wiener Schnecken sowie Honig , Apfelsaft, Schwammerln aus dem Marchfeld und  Aufstriche kann man im Ab-Hof-Laden erwerben.

Öffnungszeiten:  Freitags von 9 bis 16 Uhr, samstags von 9 bis 12 Uhr. Ort: 1220 Wien, Schafflerhofstraße 156, bluen.at

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