Babys nuckelten schon vor 3000 Jahren am Fläschchen

Trinkprobe am Naturhistorischen Museum Wien.
Chemische Analysen zeigen, dass die Keramik-Gefäße der Eisenzeit Tiermilch enthielten. Nicht alle Kinder wurden gestillt.

Die Babyfläschchen von der „Tankstelle“ und dem „Tennisplatz“ im bayrischen Dietfurt haben es in sich: Chemische Analysen der eisenzeitlichen Grabbeigaben förderten Spuren von Tiermilch zu Tage. Vor rund 3000 Jahren enthielten die Tongefäße Kraftnahrung von Schafen, Ziegen und Kühen. Kleinkinder wurde offenbar nicht nur gestillt.

Chemische Analyse des Materials

Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat bis zu 6000 Jahre alte Gefäße mit kleinen Öffnungen auf Gebrauchsspuren untersucht. „In drei Gefäßen wurden mittels Gas-Chromatografie und Massenspektrografie die Signaturen von Milchfetten nachgewiesen, die im Material erhalten geblieben sind“, erklärt Katharina Rebay-Salisbury. Die Wissenschafterin am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie hat die Trinkgefäße u.a. aus Dietfurt, Augsburg und aus Österreich zusammengetragen, um mehr über die Urgeschichte der Mutterschaft zu erfahren.

Babys nuckelten schon vor 3000 Jahren am Fläschchen

Trinkgefäße waren in Kindergräbern Beigabe.

Etwa 200 Stück sind insgesamt in Europa dokumentiert. Nicht jedes Museum lässt die Keramik-Probe zu. Daten für die Funde aus dem Raum Wien, aus Oberleis und Vösendorf stehen noch aus.

Nicht nur Mütter übernahmen elterliche Pflichten

Doch die bekannten Ergebnisse aus dem Speziallabor – zusammengefasst im Fachmagazin Nature – legen jetzt schon nahe: „Kinder in prähistorischen Zeiten wurden nicht nur gestillt, es haben auch andere Leute die elterlichen Pflichten übernommen“, schließt Rebay-Salisbury. Muttermilch war für das Überleben von Babys und Kleinkindern in der Urgeschichte lebensnotwendig. Die Stilldauer, das Abstillalter und die Auswahl ergänzender Lebensmittel hatte sicher entscheidende Auswirkungen auf die Gesundheit des Nachwuchses.

Ziegenmilch gut verfügbar

„Ziegenmilch ist der menschlichen Muttermilch am ähnlichsten und war relativ leicht verfügbar, da Schafe, Ziegen und Rinder zu den am weitesten verbreiteten Haustieren gehörten. Kuhmilch war aber weniger geeignet, da sie bei Babys zu Durchfällen und Verdauungsproblemen führt – das war auch damals schon bekannt“, sagt die ÖAW-Archäologin.

Urbanisierung führt zu Arbeitsteilung

Interessant sei überdies, dass die Keramik-Fläschchen gerade in der späten Bronze- und frühen Eisenzeit vermehrt verwendet wurden: „Einer Zeit, in der Urbanisierung eigentlich beginnt und viele Leute auf engem Raum zusammenlebten“, sagt Rebay-Salisbury. Eventuell haben Babysitter das Füttern übernommen, eventuell waren Mütter und Kinder über gewisse Zeiten hinweg getrennt.

Hohe Kindersterblichkeit

Aktuell geht man davon aus, dass in der Urgeschichte rund 35 Prozent der Kinder vor dem ersten Geburtstag starben und die Hälfte das Erwachsenenalter nicht erreichte.

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