American Football: So bewertet ein Experte das Risiko

Solange die Köpfe nicht zusammenprallen ist alles ok.
Die Studie mit den untersuchten Gehirnen verstorbener Spieler sorgt für Aufsehen. Ein österreichischer Neurologe erklärt, was das Gefährliche zahlreicher Kopf-Kollisionen, aber auch von hohen Kopfbällen ist.

Sie ist Football-Fan – und soll einen Helm der Green Bay Packers in ihrem Büro haben. Doch im Februar erklärte die Neuropathologin Ann McKee von der Boston University, dass sie in der abgelaufenen Saison kein Spiel verfolgt hat. "Ich kann es nicht mehr. Ich kann nicht mit diesen Familien in Kontakt sein, ihren Schmerz sehen – und dann zusehen."

American Football: So bewertet ein Experte das Risiko
Ann McKee
Diese Familien: Angehörige von 202 verstorbenen Football-Spielern aus den USA gaben deren Gehirn für die Forschung frei – und Ann McKee konnte sie untersuchen. Bei knapp 88 Prozent (177) zeigt sich ein Abbau von Gehirnmasse. Diagnose: CTE (Chronisch Traumatische Enzephalopathie) – ständige Erschütterungen des Gehirns durch Kollisionen mit Köpfen anderer Spieler führen zu einem Verlust an Nervenzellen, im Extremfall sind Verhaltensänderungen, Depressionen und Demenz die Folge (siehe Grafik).

Es gebe mittlerweile "überwältigende Indizien", dass American Football mit CTE in Verbindung stehe, sagte Ann McKee zur New York Times. Sie leitet an der Boston University ein Zentrum für die Erforschung der Krankheit. Und es trifft nicht nur die Profis aus der NHL (National Football League): auch bei 48 von 53 Gehirnen von College-Spielern und sogar bei drei von 14 Spielern, die nur in der High School aktiv waren, zeigten sich die Gehirnveränderungen.

Lesen Sie bitte unterhalb der Infografik weiter:

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grafik

Ein NFL-Sprecher wies allerdings auf "noch viele ungeklärte Fragen" hin.

Die Arbeiten an der Studie wurden vor acht Jahren begonnen und jetzt im Journal of the American Medical Association veröffentlicht. "Der Umstand, dass wir in einer relativ kurzen Zeit so viele Gehirne von Erkrankten zusammentragen konnten zeigt, dass diese Erkrankung viel häufiger ist als wir bisher dachten", so t McKee.

Wie häufig CTE tatsächlich unter Football-Spielern (und auch Ausübenden anderer Sportarten) ist, lässt sich anhand der Studie aber nicht sagen. Denn das Bewusstsein, das Gehirn eines Angehörigen für die Forschung zur Verfügung zu stellen, ist größer, wenn es bereits zu Lebzeiten Erkrankungssymptome gibt.

Der Mechanismus

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Nikolaus Steinhoff
"Bei einem Schlag auf den Kopf wird die gallertartige Gehirnmasse gegen den Schädelknochen und die harten Hirnhäute gedrückt– dabei werden Nervenzellen verletzt", sagt der Neurologe und Spezialist für Schädel-Hirn-Traumen, Prim. Nikolaus Steinhoff, ärztlicher Direktor des Neurologischen Rehabilitationszentrums Kittsee im Burgenland. "Passiert das regelmäßig, gehen sowohl im Frontalhirn – u. a.zuständig für Bewegung und Antrieb – als auch an der Hirnbasis – sie steuert das soziale Verhalten – mehr und mehr Nervenzellen zugrunde. Makrophagen (Fresszellen, Anm.) räumen die beschädigten Zellen weg – und eventuell auch solche, die noch zu erhalten wären."

Antriebsprobleme, etwa Depressionen, und veränderte Emotionen – vor allem mehr Aggressionen – können die Folge sein.

Auch andere Sportarten betroffen

Betroffen von CTE sind auch Eishockeyspieler, Boxer und – zumindest nach den bisherigen Diagnosen aber deutlich seltener – Fußballer. Bei einem Vortrag anlässlich der EURO 2008 in Wien und der Schweiz sagte Steinhoff am Schluss: Vor allem Kinder und Jugendliche sollten in Kopfballsituationen "den Kopf besser nicht hinhalten" – "dieser Satz hat damals für Diskussionen gesorgt". Er wolle niemandem den Sport verleiden: "Aber wenn ein hoher Ball auf einen Kopf aufprallt, ist das ein kleines Schädel-Hirn-Trauma, oft mit einer vorübergehenden leichten Benommenheit."

Was American Football betrifft: Eine mögliche Abhilfe könnten neue Helme mit einer weicheren äußeren Schicht und eine veränderte Tackling-Technik schaffen, bei der der Gegner mit der Schulter an der Hüfte attackiert wird und der Kopf unversehrt bleibt.

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