Alternsforscherin erklärt, warum wir immer jünger werden

Alternsforscherin erklärt, warum wir immer jünger werden
Der Prozess des Alterns hat sich ebenso entwickelt wie der Mensch selbst. Warum wir immer jünger, aber auch immer älter werden.

Genau heute vor 66 Jahren erschien der erste "Neue KURIER". Grund genug, um über das Altern nachzudenken. Unser kalendarisches Alter zählt allerdings kaum noch. Biologisch gesehen hat sich die Menschheit im letzten Jahrhundert enorm verjüngt. Warum wir eigentlich zehn Jahre jünger sind, wieso 66-Jährige heutzutage anders ticken als früher und welche Konsequenzen all das für unsere Gesellschaft hat, erklärt die promovierte Psychologin und Alternsforscherin Ursula Staudinger. Als Alternsexpertin bringt sich Staudinger regelmäßig in die globale Debatte um den demografischen Wandel ein. 

KURIER: Welche Kernbereiche umfasst die Alternsforschung?

Ursula Staudinger: Es handelt sich dabei um einen sehr stark interdisziplinär geprägten Forschungsbereich. Er reicht vom Erforschen des Alterungsprozesses von Zellen und Organen bis hin zu unserer psychologischen Konstitution, also wie wir Denken, Fühlen und Handeln - und wie sich das im Laufe des Lebens verändert. Außerdem betrachten wir auch soziologische Aspekte, insbesondere wie das Altern durch die Gesellschaft beeinflusst wird, wie unser Arbeitsmarkt oder Bildungssystem diesbezüglich ausgerichtet ist, bis hin zu Pflegeeinrichtungen, auf die wir im hohen Alter dann angewiesen sind. 

Welche sind die herausragendsten Erkenntnisse der modernen Alternsforschung?

Dass der Mensch in der einzigartigen Lage ist, seinen eigenen Alternsprozess zu beeinflussen. Damit meine ich sowohl jede Person als auch gesamtgesellschaftlich, nämlich durch die Gestaltung von Umfeldern, wie etwa kulturellen Institutionen. In 150 Jahren Kulturgeschichte haben wir es geschafft, dem menschlichen Leben im Schnitt 30 Lebensjahre hinzuzufügen. Unser Leben ist nicht zufällig länger geworden, sondern weil wir Sorge dafür getragen haben, dass wir gesünder altern können. Der Fokus der Gesellschaft sollte darauf liegen, dass immer mehr Menschen gesünder alt werden können. Es ist ja so, dass Menschen mit weniger Geld und weniger Bildung auch weniger gesund altern und weniger lange leben. Das liegt etwa auch an den Bedingungen des jeweiligen Jobs oder dem Lebensstil. Es sollten mehr Menschen in einem breiteren sozioökonomischen Spektrum die Chance haben, gesünder zu altern. 

Das biologische Alter unterscheidet sich nun also vom kalendarischen Alter. Es fällt auch auf, dass die 50-Jährigen von heute weit jünger aussehen als früher. 

Genau. Das ist ein Teil dieses Phänomens. Und jetzt muss die Gesellschaft diesen gewonnenen Jahren genügend Platz einräumen. Denn es wäre ja schade, wenn man diese Jahre einfach hinten dran hängt und nichts damit passiert. Insofern ist es wichtig, dass Menschen, wenn sie das möchten, nach der Pensionierung eine Möglichkeit haben, am Arbeitsmarkt tätig zu werden. Oder sie finden freiwillige Tätigkeiten, wo sie noch etwas beitragen können und so visibel bleiben in der Gesellschaft. Es ist für viele schwierig, in der Rente unsichtbar zu sein. Man ist dann nur noch in der Familie sichtbar und das ist für viele nicht befriedigend. 

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