Aktiver Lebensstil hilft, Demenz zu verhindern
Einkaufszettel im Kopf merken. Tanzen gehen. Freunde treffen. Sprachen lernen. Das ist alles gut für die Nervenzellen. Aber jetzt zeigt ein Report, der von 24 Experten aus der ganzen Welt erstellt wurde, welchen Einfluss einzelne Lebensstilfaktoren im Detail haben und wie groß deren Auswirkungen sind: Eine von drei Demenzerkrankungen kann durch neun Präventionsmaßnahmen verhindert werden.
"Obwohl Demenz erst im späteren Leben diagnostiziert wird, entwickeln sich die Veränderungen im Gehirn bereits Jahre davor", sagt Gill Livingston, einer der Autoren. Die Studie ist bei der Internationalen Konferenz der "Alzheimer’s Association" in London präsentiert und im Magazin The Lancet veröffentlicht worden. Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Demenzform.
Die Studie hat weltweit ein enormes Medienecho ausgelöst.
Der größte einzelne Risikofaktor ist nach dieser Studie – sie basiert auf der Auswertung bisher vorliegender Daten – ein Hörverlust bereits im mittleren Alter, gefolgt von geringer Bildung (siehe Grafik). Zusammen machen die beeinflussbaren Faktoren 35 Prozent des Gesamtrisikos aus. Die anderen 65 Prozent sind nicht beeinflussbar.
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"Demenz wird gegenwärtig als der größte Killer des 21. Jahrhunderts gesehen", sagt David Reynolds von der britischen Gesellschaft für Alzheimer-Forschung: "Wir müssen mehr in Forschung investieren, um eine wirksame Behandlung zu finden."
Diskussion um Gewichtung der Faktoren
Univ.-Prof. Peter Dal-Bianco (Präsident der österreichischen Alzheimer-Gesellschaft) hält den Anteil der lebensstilbedingten Faktoren für realistisch, allerdings: "Ich hätte den Anteil von Bluthochdruck höher eingeschätzt." Denn dieser verursacht Schäden an den Blutgefäßen – und das hat Auswirkungen auf den Stoffwechsel der Nervenzellen. "Die neuronalen Netzwerke werden dadurch ausgelichtet, die Verbindungen weniger. Über diesen eigenständigen Mechanismus wird der Prozess der Entstehung einer Demenzerkrankung deutlich angetrieben."
Isolation durch Hörverlust
Dass eine Hörbeeinträchtigung im mittleren Lebensalter einen Anteil von neun Prozent am Gesamtrisiko hat, habe er "in dieser Höhe noch nie gelesen". Ein Einfluss auf das Demenzrisiko sei aber unzweifelhaft: "Wer in einem Gespräch immer nachfragen muss, weil er etwas nicht verstanden hat, zieht sich irgendwann zurück und hört mit dem Fragen auf. Und irgendwann sitzt man dann nur mehr still am Tisch – auch das ist soziale Isolation."
Maßnahmen wie lebenslanges Lernen verhindern nicht die Entstehung der Krankheit. Aber das Gehirn kann sein Netzwerk an Nervenzellen stärken und so eine "kognitive Reserve" aufbauen: Trotz erster Schäden treten lange keine Symptome auf – weil genügend Reservekapazität vorhanden ist.
Auch wenn es viele nicht mehr hören können: Der Lebensstil zählt, wenn es darum geht, gesund zu bleiben. Die Botschaft könnte kaum einfacher sein: "Es ist wichtig, nicht zu rauchen, kein Übergewicht zu haben und nur mäßig Alkohol zu trinken". Das schreiben Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und ein US-amerikanischer Kollege im Fachblatt Health Affairs. Und: "Menschen, die auf diese Weise leben, haben im Alter von 50 Jahren eine um sieben Jahre höhere Lebenserwartung als der Durchschnitt der Bevölkerung – zumindest in den USA".
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