Zwischen Lockdown und Sonntagsöffnung: Wie geht es dem Handel?
20 Tage Lockdown just zum Start ins Weihnachtsgeschäft kosten die Händler in den Einkaufsstraßen und Shoppingcentern rund drei Milliarden Euro Umsatz, schätzen die Handelsexperten der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Drei Einkaufssamstage sowie der traditionell starke Marienfeiertag sind heuer der programmierte Totalausfall. Einmal mehr wird sich der Kauf von Weihnachtsgeschenken ins Internet und damit auf Konten ausländischer Online-Plattformen verschieben, wettern Branchenvertreter über ein „Amazon-Förderprogramm“. Selbst im großen Stil Geschäfte ins Internet zu verlagern, gelingt den wenigsten.
Ein Trostpflaster für die Branche kommt nun in Form eines verkaufsoffenen 4. Adventsonntags. Ob der 19. Dezember die Weihnachtsbilanz der Kaufleute retten kann, darf bezweifelt werden. Für die Handelsmitarbeiter wird er sich jedenfalls rechnen: Sie bekommen für diesen zusätzlichen Arbeitstag das doppelte Gehalt plus einen freien Tag.
Sechs Beispiele:
Trachten Tostmann: Wenn Hüttenschuhe der neue Umsatzbringer sind
Die Mitarbeiter sind wochentags zwischen 9 und 12 Uhr telefonisch erreichbar. Zudem gibt es in den Geschäften in Seewalchen und Wien die Möglichkeit der kontaktlosen Abholung. So steht es auf der Webseite von Trachten Tostmann. Der Andrang hält sich aber in engen Grenzen, gesteht Gexi Tostmann. „Wir haben Tageslosungen von zehn oder 50 Euro.“
Im Lockdown komme niemand auf die Idee, ein Dirndl zu kaufen. Bestenfalls Gutscheine. „Unser größtes Geschäft sind derzeit Hüttenschuhe und Leinenservietten“, erzählt Tostmann mit einem Augenzwinkern. Also klassische Geschenkartikel. „Aber es rufen sehr viele liebe Stammkunden an, die Sachen zum Ändern bringen.“
Die Möglichkeit, dieses Jahr am vierten Adventsonntag die Pforten zu öffnen, werde Tostmann – beziehungsweise ihre Tochter Anna, die längst den Betrieb übernommen hat – nutzen. Nachsatz: „Auch wenn vielleicht nur drei Kunden kommen werden.“
Pomp&Gloria: Mit den Christbaumkugeln kam der Lockdown
Nicht einmal Christbaumkugeln bleiben von Corona verschont. Weil Farben aus Asien zu spät in Europa angekommen sind, hinken die Glashütten mit ihren Lieferungen hinterher. „Wir haben pünktlich zum Lockdown Christbaumschmuck bekommen, den wir im Februar bestellt haben“, sagt Oskar Strasser vom Geschenkartikel-Laden „Pomp&Gloria“ in der Wiener Lerchenfelder Straße. Der Name ist im 20 Quadratmeter großen Verkaufsraum Programm. Ware stapelt sich bis unter die Decke. Dass der 19. Dezember das Weihnachtsgeschäft rettet, glaubt Strasser nicht. „An solchen Tagen werden immer die großen Einkaufsstraßen und -Zentren gestürmt, in den Nebenstraßen ist dagegen so gut wie nichts los.“
Aufsperren werde er trotzdem. In der Zwischenzeit setzt er auf seinen Newsletter, Social Media und Click&Collect. Aufwendig ist vor allem das Beschreiben der Artikel fürs Internet. Der Aufwand scheint zu lohnen. Strasser: „In fünf Jahren gab es nur zwei Retouren.“
Fussl Modestraße: Offener Adventsonntag zum Leeren der Lager
Lockdown hin oder her, Ernst Mayr bleibt seinen Prinzipien treu. „Wir haben keinen Onlineshop und trotzdem eine bessere Umsatz- und Ertragsentwicklung als große Mitbewerber“, sagt der Chef des oberösterreichischen Familienunternehmens Fussl Modestraße. Grund dafür sei der Fokus auf Freizeitbekleidung und die Präsenz in Fachmarktzentren und Bezirksstädten. Letzteres sei in Pandemiezeiten ein Vorteil, weil Konsumenten große Einkaufszentren meiden, meint Mayr.
Freund von verkaufsoffenen Sonntagen ist er keiner. Die Regelung zum 19. Dezember begrüßt er trotzdem: „Vom Ertrag her wird der Tag sicher nicht positiv sein, aber zumindest können wir unser Lager bereinigen.“ Er glaubt an das stationäre Geschäft: „Beim Onlinekauf denkt man an die großen Plattformen, da würden wir als Fussl an 67. Stelle vorkommen oder müssten Provisionen an die großen Plattformen zahlen, was sich für uns betriebswirtschaftlich nicht rechnen würde.“
Spielwaren Heinz: Lieferung an die Haustüre gibt es nicht mehr
Im ersten Lockdown hat der Familienbetrieb an die Haustüre geliefert, erzählt Firmenchefin Heidemarie Heinz: „Das machen wir jetzt nicht mehr.“ Bis ein Uhr nachts sei sie jeden Tag im Büro gesessen, habe Lieferrouten geplant. „Wir sind kein Amazon mit Zentrallager, bei uns liegen die Artikel in unseren neun Spielwarengeschäften.“ In diesem Lockdown kann man telefonisch, per Mail oder online bestellen und die Ware in sieben der neun Standorte abholen.
Ein Service, der vor allem in Einkaufsstraßen angenommen werde. „Die Leute rufen an und fragen, was sie einem Achtjährigen kaufen sollen.“ 30.000 Artikel hat die Spielwarenhändlerin im Sortiment, diese alle für eine Webseite zu fotografieren und zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen. Sie wolle sich aufs stationäre Geschäft konzentrieren. Die Begeisterung über den offenen 19.12. hält sich in Grenzen. „Mir wäre es lieber, den Samstag davor aufzusperren, als am Sonntag mit all den Zuschlägen.“
Bründl Sports: 60 Saisonkräfte in Ischgl, aber kein Saisonstart
Die 31 Sportartikelgeschäfte von Christoph Bründl sind dort, wo viele Urlauber sind. Allein in Ischgl hat der Unternehmer vier Standorte und mehr als 60 Saisonkräfte, die er trotz Lockdown angestellt hat. Das sei ein wichtiges Zeichen für die Mitarbeiter, die ständig von Konkurrenten aus der Schweiz umworben werden, die die Ski-Saison längst gestartet haben.
„Wir machen jetzt für unsere Mitarbeiter verstärkt Online-Trainings und versuchen die Zeit zur Optimierung der Prozesse zu nutzen“, sagt Bründl. „Denn eines ist auch klar: In dem Moment, in dem wir aufsperren sind wir bummvoll und fahren auf 150 Prozent. Bei uns wird es keinen Softstart geben.“ Der verkaufsoffene 4. Adventsonntag ist für Bründl nichts Besonderes. 29 seiner 31 Sportartikelgeschäfte sind in Tourismuszonen – etwa in Saalbach, Zell am See, Kaprun, Saalfelden oder Mayrhofen. Also in Gebieten, wo man während der Saison ohnehin auch sonntags einkaufen kann.
Juwelier Wagner: Eine Rolex ist selten ein Impulskauf
Das Geschäft mit teuren Uhren funktioniert nicht im Vorbeigehen. So gibt es beim Juwelier Wagner in der Wiener Innenstadt eine Interessentenliste für Rolex-Uhren. Wird das gewünschte Modell geliefert, wird der Kunde informiert und kann die Uhr – nach Bezahlung – vor Ort abholen. Funktioniert theoretisch auch im Lockdown, ist praktisch aber komplizierter, weil die Armbänder ja meist noch angepasst werden müssen, erläutert Geschäftsführer Hermann Gmeiner-Wagner.
Aus seiner Sicht ist die Sonntagsöffnung am 19.12. sehr wichtig, auch weil sie dazu beiträgt, die Kundenfrequenz zu entzerren. „Wenn alle gleichzeitig kommen, ist es schwierig, ein erstklassiges Service anzubieten. Wenn 15 Kunden, aber nur 12 Mitarbeiter im Geschäft sind, müssen drei warten. Das ist nicht in unserem Sinne.“ Der Onlineshop und das Click&Collect-Service könne derzeit jedenfalls nur zehn bis zwölf Prozent des Normalumsatzes einspielen, sei aber dennoch unverzichtbar.
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