Zu hohe Löhne: Magna droht mit Abwanderung

Zu hohe Löhne: Magna droht mit Abwanderung
Hohe Löhne gefährden die Kfz-Industrie, warnt Europa-Chef Apfalter im KURIER-Gespräch.

Günther Apfalter, Chef von Magna Europe, erzählt im KURIER-Gespräch über die Herausforderungen im Autobusiness und über Frank Stronachs Rolle im Konzern.

KURIER: Hersteller, vor allem aus Deutschland, haben im Vorjahr Rekordgewinne vermeldet. Mit Abkühlen der Konjunktur geht es bei den Verkäufen bergab, insbesondere in Europa. Wie sind Ihre weiteren Erwartungen?
Günther Apfalter: Laut Experten wird das Minus in Europa zwischen fünf und acht Prozent betragen. Das ist aber keine große Tragik, da es in den letzten Jahren immer ein Auf und Ab gegeben hat.

Magna tangiert das also nur peripher?
Peripher nicht, aber wir haben weltweit mehr als 300 Fabriken mit einer Umsatzaufteilung von gut 50 Prozent in Nordamerika, 40 Prozent in Europa und zehn Prozent im Rest der Welt. Wir kalkulieren intern ständig, wenn es Rückgänge in einer Region gibt. So können wir uns rechtzeitig darauf einstellen, indem wir die Ressourcen knapp halten und mit Leiharbeitskräften die Kapazitätsspitzen abdecken. In der Stammmannschaft kürzen wir aber nur selten, zuletzt 2009.

Sind die fetten Jahre in der Autobranche generell vorbei?
Weltweit wächst das Automobilgeschäft. Bis 2020 werden statt wie heuer 70 Millionen mehr als 100 Millionen Autos produziert werden. In Westeuropa wird der Markt aber stabil bleiben. Irgendwann sind genug Autos auf der Straße und es tritt dann eine Balance zwischen Neuanschaffungen und Ersatzinvestitionen ein.

Einer der Boommärkte ist Asien. Ist Magna dort aber nicht zu schwach aufgestellt?
Magna ist etwas später in den asiatischen Markt eingetreten, hat aber aufgeholt. Wir sind jetzt mit 33 Fabriken in China vorne mit dabei. In unseren Geschäftsplänen wird Asien in den nächsten Jahren einen größeren Anteil am Umsatzkuchen aufweisen.

Wie wirkt sich das aktuelle Umfeld auf die Magna-Standorte in Österreich aus?
Magna hat weltweit 115.000 Mitarbeiter, davon 13.000 in Österreich. Das sind mehr als die 12.000 in Deutschland. Unsere Standorte haben ein hohe Kompetenz. Ich sehe daher diese Größenordnung für Magna in Österreich auch in den nächsten Jahren. Jedoch müssen wir, und das ist ganz, ganz wichtig, das Thema Wettbewerbsfähigkeit in puncto Kosten und Flexibilität weiter vorantreiben.

Im Werk in Klagenfurt werden 90 Jobs abgebaut. Droht darüber hinaus eine weitere Reduktion?
Nein, in Klagenfurt läuft ein Auftrag aus. Aufträge kommen und gehen. Über den Produktionszyklus eines Fahrzeuges von sieben Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter in Österreich stabil geblieben.

Die Rekordproduktion in Graz aus 2006 mit 250.000 Stück wird so schnell nicht mehr erreicht werden.
Das Werk ist auf eine Kapazität von 150.000 bis 160.000 Fahrzeuge ausgerichtet, heuer werden es rund 130.000 sein. Das ist eine gesunde Auslastung. 2006 war getrieben durch den BMW X3, der sich sehr gut verkauft hat. Heuer werden wir wahrscheinlich keinen neuen Auftrag mehr vermelden, ich rechne damit für das erste Halbjahr 2013.

Der Nissan Infiniti wird nun nicht in Graz gebaut, die Mini-Produktion wackelt ebenfalls und der Mercedes G konnte nur unter größtem Aufwand gehalten werden. Wie gefährdet ist der Magna-Standort Österreich?
Beim Mini gibt es ein totales Missverständnis. Wir bauen bis Ende 2016 den Countryman und den Paceman. BMW hat sich entschieden, neben und nicht statt Graz, eine zweite Produktionsstätte in Holland für den Mini Cabrio aufzuziehen. Wir werden aber natürlich für eine Verlängerung der bestehenden Aufträge bieten. Und Nissan hat sich entschieden, den Infiniti selbst zu bauen, wahrscheinlich, weil sie selbst Kapazitäten haben.

Verstärkt sich der Trend der Hersteller, in nicht ausgelasteten Fabriken selbst zu bauen?
Wir haben in Europa rund 18 Prozent freie Kapazitäten. Der Hemd ist also näher als der Rock. Die Zeiten für Auftragsfertiger waren aber schon immer fordernd.

Wie sehr bedroht das geplante Magna-Werk in Osteuropa den Standort Graz?
Wir haben verschiedene Standorte in der engeren Auswahl. Es bedeutet keine Verlagerung von aktuellen Produktionen in Graz,
aber gemeinsam mit den Kunden wird entschieden, wo künftige Modelle produziert werden. So könnte zum Beispiel ein Nachfolger-Modell der bestehenden Produktionen aus Osteuropa kommen.

Der Standort Polen wurde es vorläufig nicht. Warum?
Weil die Entscheidung eines Kunden zu einem Projekt nicht rechtzeitig gefallen ist. Polen ist nach wie vor bei uns am Radar, wurde aber derzeit auf ,on hold‘ gesetzt. Es wirft uns eineinhalb Jahre zurück, aber das ist nicht die Tragik in Bezug auf den Modellzyklus. Und Auftragsfertiger gibt es in Osteuropa noch keinen.

Wie sehr spielt der Metaller-Kollektivvertrag in Ihren Standort-Überlegungen eine Rolle?
Ich bin absolut für einen Mindestlohn und für die Tarifregelungen. Das Problem ist, dass man alle Metaller kollektiv über einen Kamm schert. Das ist eine Tradition, die nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn wir Magna in dieser Form in Österreich erhalten wollen, dann müssen wir die Löhne an die globale Automobilindustrie anpassen und eine individuelle Möglichkeit haben, mit den Gewerkschaften die Löhne zu gestalten.

Sie drohen ja auch mit einem Ausscheren aus dem KV.
Wir sind in Verhandlungen mit der Gewerkschaft. Abhängig vom Ergebnis der KV-Verhandlungen der Fahrzeugindustrie werden wir schauen, was wir für Magna abschließen können.

Sind die Autocluster in Österreich generell durch die Starrheit des KV bedroht?
Sicher, wenn nicht mit Augenmaß gehandelt wird.

Wie sehr redet Magna-Gründer und jetzige Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrates Frank Stronach noch im Konzern mit?
Operativ hat Frank Stronach mit Magna keine Verbindung mehr, seine politischen Aktivitäten sind sein privates Thema.

Aber wie kann er dann, wie berichtet, seinen politischen Mitstreitern einen Job bei Magna versprechen, falls der Einzug in den Nationalrat scheitert?
Ich habe das auch gelesen, aber diese Aussage entbehrt jeder Grundlage.

Karriere Der Sohn des 1987 verstorbenen Voest-Generaldirektors Heribert Apfalter wurde 1960 geboren. Nach dem Landwirtschaftsstudium begann Günther Apfalter 1985 bei Steyr-Daimler-Puch als Verkaufsleiter für Traktoren in der Region Deutschland Süd. 1996 wurde er Vorstandschef der Case Steyr Landmaschinentechnik, 2001 wechselte er als Vorstand zu Magna Steyr Powertrain. Seit 2007 ist er Chef von Magna Steyr, seit 2010 Magna-Europe-Chef. Der Workaholic erklimmt in seiner raren Freizeit gerne die Berge. Der Familienvater (zwei Enkelkinder) ist Magna-Konzernchef Don Walker unterstellt.

Kommentare