Chaos auf den Flughäfen: Zittern vor dem Start in die Ferien
Da kommt Freude auf bei den Fluggästen. Nach einer verpatzten Generalprobe am Pfingstwochenende mit Hunderten abgesagten Flügen und Tausenden gestrandeten Passagieren in ganz Europa warnte Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr jetzt per Mail alle Kunden vor dem Sommer – mit namentlicher Anrede.
In den nächsten Wochen werde sich die Situation mit weiter steigenden Passagierzahlen kaum verbessern, entschuldigte sich der CEO von Europas größtem Luftfahrtkonzern, zu dem auch die AUA gehört. „Zu viele Mitarbeiter und Ressourcen fehlen noch, nicht nur bei unseren Partnern, sondern auch in einigen Bereichen bei uns.“
Am bevorstehenden und an den folgenden Wochenenden wird es sich also auch am Flughafen Wien wieder abspielen. Zum gleichzeitigen Ferienstart in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland rechnen Airliner mit zahlreichen Flugausfällen.
Versechsfachung
Was sind die Gründe für das Chaos auf den Flughäfen? Dass die Corona-müden Menschen im Sommer endlich wieder in die Sonne fliegen wollen, war abzusehen. Nicht abzusehen sei allerdings die aktuelle Corona-Welle gewesen, die erst für den Herbst prognostiziert wurde, argumentiert AUA-Sprecherin Sophie Matkovits. Die Welle habe ungeahnte Ausmaße erreicht und treffe vor allem die Flugbegleiter, die den engsten Kontakt zu den Passagieren haben. Dazu kommen Personalengpässe bei den sogenannten Systempartnern auf den Flughäfen, etwa beim Gepäck oder den Sicherheitskontrollen.
Von den 2.500 Flugbegleitern der AUA sind derzeit rund 165 wegen Corona krank gemeldet, das ist eine Versechsfachung, rechnet Matkovits vor. Dass es sich um einen „stillen Streik“ handelt, glauben weder Management noch Gewerkschaft.
Corona müsse, betont die AUA, nachgewiesen werden. „Die Mitarbeiter freuen sich doch, wenn sie wieder fliegen können, aber nicht zu diesen Bedingungen“, sagt Verdi-Luftfahrtgewerkschafter Daniel Liebhart.
Personalnot in der Kabine herrscht nicht nur bei der AUA, sondern quer durch Europa. Die Lufthansa hat für den Sommer bereits 2.200 Flüge gestrichen. Beim erbitterten Konkurrenten Ryanair streikten vor wenigen Tagen die Flugbegleiter in einigen Ländern. Die ungarische Billig-Airline Wizz hat ihr Streckennetz in Wien aus Kapazitätsgründen stark zusammen gestrichen. Warnstreiks gab es auch bei Easyjet, der Billig-Carrier cancelte für den Sommer rund 1.000 Urlaubsflüge. KLM hat den Ticketverkauf ebenfalls reduziert.
„Nicht nur bei der AUA, in ganz Deutschland und in Europa fallen Flüge aus, weil die Unternehmen massiv mit Personalnot kämpfen“, kritisiert Daniel Kassa-Mbuambi, Chef der deutschen Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo. Allein in Deutschland würden 5.500 Mitarbeiter fehlen.
2012 hatte der Lufthansa-Konzern laut Ufo 140.000 Mitarbeiter, derzeit sind es 110.000 Beschäftigte. Verantwortlich für den Engpass sind auch die Airline-Manager. Zwar konnte die AUA keine Mitarbeiter kündigen, solange sie mit Kurzarbeit flog. Aber mit kleineren Prämienzahlungen wurde Flugbegleitern der Abgang leichter gemacht. Zuletzt seien vor dem Sommer, so das Flugportal Austrian Wings, 50 Flugbegleiter gedrängt worden, von Bord zu gehen. 100 Kabinen-Mitarbeiter gingen von selbst. Mittlerweile wurden 200 neue Mitarbeiter eingeschult.
Vor allem junge Kabinen-Kräfte gingen von Bord, nicht nur bei der AUA, „weil sie vom reduzierten Kurzarbeitsgehalt ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr bestreiten konnten“, monieren Liebhart und Mbuambi. Die hohe Inflation verschärft die finanzielle Lage zusätzlich.
Die AUA betont neuerlich, es würden keine Flugbegleiter fehlen, die Mitarbeiter hätten Corona.
Derzeit verdient ein Einsteiger netto rund 1.400 Euro. Die staatlich geförderte Kurzarbeit ist vorübergehend beendet, dafür greift jetzt das Sparpaket mit Gehaltskürzungen, die Voraussetzung für die Staatshilfe war. Dieser Tage überweist die AUA weitere 30 Millionen Euro Rate für den Staatskredit, dann sind 90 von 300 Millionen zurückgezahlt.
Prämien, Frühstück
Flughafen, AUA und Gewerkschaft verhandeln derzeit intensiv an einer Lösung des Problems. Ab Juli erhält jeder Mitarbeiter eine monatliche steuerfreie Corona-Prämie von 500 Euro, vier Mal. Bei den untersten zwei Einkommensgruppen für die Mannschaft am Boden werden die Gehaltskürzungen, die im Schnitt bei zehn Prozent liegen, etwas abgefedert. Der Gehaltsverzicht von zwei Prozent in der untersten Einkommensgruppe wird gestrichen und bei der zweitniedrigsten Gruppe von 5 auf zwei Prozent gesenkt. Allerdings erst ab Jahresbeginn 2023. Mit diesem Stichtag wird den Bord-Belegschaften dafür wieder ein Frühstück in den Crew-Hotels bezahlt. Auch das war gestrichen worden.
Konzern-CEO Spohr räumte in einem Schreiben an die Belegschaft ein, dass der Vorstand es „an der einen oder anderen Stelle“ mit dem Sparen übertrieben habe, angesichts der mehr als zehn Milliarden Konzernverlust.
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