Ihre allererste bauliche Bleibe hatte die Wiener Börse am Kohlmarkt 12 (heute Kohlmarkt 16). „Frauen und Schwachsinnige hatten keinen Zugang“, erzählt Peter Eigner, Wirtschaftshistoriker und Universitätsprofessor, bei einem Rundgang zu den wichtigsten Stätten der Wiener Börse. Gründen konnte eine Frau die Börse also, beim Handeln sah es dann wieder ganz anders aus.
Am bekanntesten ist die Tätigkeit von Bulle und Bär in Wien im historischen Börsengebäude am Ring, wo die Börse auch am längsten ihre Niederlassung hatte – zwischen 1877 und 1997 nämlich, also 120 Jahre lang. Diese Bleibe der Wiener Börse hat sich auch recht breitgemacht, zumindest in den Gedanken der Menschen. Besucher (meist aus dem Ausland, muss man fairerweise sagen) stehen da manchmal vor der Türe, wenn sie eigentlich einen Termin in der Wallnerstraße 8 im 1. Bezirk haben, dem aktuellen (Allein-)Sitz der Börse seit 2002. Sie kommen dann meistens mit einigen Minuten Verspätung bei Terminen an... Von 1998 bis 2002 war die Börse in der Strauchgasse 3 und der Wallnerstraße 8 „daheim“. Das erste Börselokal wurde übrigens bereits 1761 in der Kärntnerstraße 23 eingerichtet, weiß Wirtschaftshistoriker Eigner. Dort sei bereits für ein Jahr eine Börse gewesen, weiß er – hier wurde etwa Papiergeld ausgegeben. Schon davor gab es zwei weitere, provisorische, Börselokale.
Seit ihrer – richtigen – Gründung im Jahr 1771 hat die Börse dann auch noch so einiges erlebt: Zwei Weltkriege (inklusive Schließungen 1914 und 1938) und sogar einen Großbrand zum Beispiel. Im Jahr 1956.
In den 250 Jahren hat sich die Wiener Börse natürlich auch in ihrer Handelstätigkeit sehr verändert. Wurde 1771 noch physisch gehandelt – nämlich Anleihen, Wechsel und Devisen, gibt es jetzt den elektronischen Handel von Aktien, Anleihen, ETFs und strukturierten Produkten. Die Kurse wurden im 18. Jahrhundert zu Beginn der Börse täglich am Börsegebäude ausgehängt – heute werden Kursdaten und Indizes von über zehn Märkten in Echtzeit verarbeitet. Ab 1999 gibt es den gesamten Handel an der Börse vollautomatisiert.
Mittlerweile ist die Wiener Börse angewachsen. Auf eine Marktkapitalisierung von rund 119,43 Milliarden Euro und einen durchschnittlichen Monatsumsatz von 6,82 Milliarden Euro. Über 80 Prozent des Aktienumsatzes stammen aus dem Ausland. 150 handelbare Indizes für 14 Märkte gibt es hier. Der bisher größte Börsengang in der Geschichte war jener der BAWAG Group im Jahr 2017 mit 1,93 Milliarden Euro.
Mit ihrem fortgeschrittenen Alter ist die Wiener Börse international in guter und renommierter Gesellschaft. Die berühmte New York Stock Exchange, besser bekannt unter dem Namen der Straße, in der sie liegt – Wall Street –, nahm 1792 ihre Arbeit auf.
Die Frankfurter Börse wurde 1585 gegründet, erstmals wurden hier 1820 Aktien gehandelt. Die erste Aktie war auch hier jene der Oesterreichischen Nationalbank. Als Gründungsjahr der Frankfurter Börse gilt das Jahr 1585. Der Vollständigkeit halber: Die älteste Börse der Welt – vermutlich – wurde 1409 in Brügge gegründet.
Das Jubiläumsjahr teilt sich die Wiener Börse übrigens mit einem anderen heimischen Börse-Player: Heuer feiert auch der österreichische Leitindex ATX einen „Runden“ – er wird 30 Jahre alt.
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