Yakunin: "Der rasche Transport ist zentral"
Vladimir Yakunin, Chef der staatlichen russischen Bahngesellschaft RZD, ist ein enger Freund von Präsident Putin. Konkret geht es bei dem geplanten Großprojekt um die Verlängerung der russischen Breitspurbahn bis nach Wien samt Errichtung eines Güterterminals.
KURIER: Was sind die Vorteile dieses Bahnkorridors zwischen Ost und West?
Vladimir Yakunin: In unserer globalisierten Welt liegen Produktion und Konsum von Gütern sehr oft weit auseinander. Im pazifischen Raum werden Waren im Wert von 600 Milliarden Dollar produziert. Der rasche Transport dieser Güter ist zentral für die Wirtschaft. Derzeit erfolgt der Transport überwiegend per Schiff. Das Ziel ist, fünf bis zehn Prozent dieser Produkte auf der Schiene zu befördern. Das reduziert die Transportzeit und spart Geld. Die Bahn ist sicher, umweltfreundlich, effizient und rasch.
Abgesehen von den Kosten gibt es das Problem der unterschiedlichen Spurbreiten. Wie soll das gelöst werden?
Es gibt zwei Lösungsansätze: Erstens, der automatische Wechsel der Spurbreiten durch eine neue Bahntechnologie, wir testen gerade diese Züge. Das funktioniert nur bei Personenzügen. Der zweite Ansatz ist die Verlängerung der Breitspurbahn bis nach Wien. Das gilt für den Gütertransport.
Haben Sie Brüssel Bürokraten überzeugt, eine solche Lösung zu akzeptieren?
Wir müssen zuerst auch die russischen Bürokraten überzeugen, die Transportgesetze und Frachtdokumente an EU-Regelungen anzupassen. Wir werden diese Problem lösen.
Haben Sie die Unterstützung der österreichischen Bundesregierung für den Ausbau der Bahn?
Vor wenigen Tagen habe ich einen Brief von Verkehrsministerin Bures bekommen, in dem sie mich informiert, dass die österreichische Seite das Projekt weiterhin unterstützt und weiterentwickeln möchte. Das Projekt wurde ja bereits auf höchster Ebene zwischen Bundespräsident Fischer und dem damaligen Präsidenten Medwedew besprochen. Bures schlägt weitere politische Treffen vor. Für mich ist das ein klares Signal, dass die Regierung und die österreichische Bevölkerung für das Projekt sind.
Wie geht es jetzt weiter?
Der ukrainische Vize-Premier hat mir versichert, dass er sofort die Initiative für ein Treffen starten wird, um die Regierungsspitzen von Russland, der Ukraine, der Slowakei und Österreichs zusammenzubringen. Bis Ende des Jahres haben die vier Partner geplant eine erweiterte Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Im Rahmen der Studie soll der genaue Streckenverlauf festgelegt werden. Das ist dann der point of no return. Danach rechnen wir – abgesehen von diversen Genehmigungsverfahren – mit vier Jahren, um Gleise und Infrastruktur zu errichten. Das Projekt schafft Arbeitsplätze, unterstützt die Wirtschaft und fördert den europäischen Markt.
Es ist die Rede von Kosten bis zu sechs Milliarden Euro? Wer bringt die Summe auf?
Die Kosten kann man seriös noch nicht beziffern. Wenn die Route und die Gütermenge, die transportiert werden soll, feststehen, kann man sagen, wie viel es kosten wird. Dann kann man über die Finanzierung reden. Die Ausgabe einer Staatsanleihe wäre möglich.
Die EU müsste das Projekt aus zweierlei Gründen unterstützen: Einmal, weil der Ausbau der Bahn prioritär ist, zweitens, weil es das Ziel ist, die Beziehungen zu Russland und den östlichen Nachbarn zu verbessern. Haben Sie die Unterstützung der EU?
Verkehrskommissar Kallas signalisierte mir eine politische Unterstützung, aber machte noch keine finanziellen Zusagen.
Wie steht es um die Beziehungen EU-Russland?
Es wird viel geredet, praktisch aber nichts getan. Es gibt kein Projekt, das wir gemeinsam entwickelt hätten. Wenn Russland den Wunsch nach einer besseren Zusammenarbeit mit der EU äußert, dann ist das kein Spiel. Der Wettbewerb verstärkt sich, Russland ist ein großer Markt.
Seit Jahren gibt es Bemühungen, das Visa-Regime zwischen der EU und Russland zu lockern. Wann rechnen Sie mit der Visa-Liberalisierung?
Im Grunde genommen ist alles fertig, wir könnten das sofort umsetzen. Immer wieder baut die EU aber neue politische Hürden auf. Das letzte Beispiel ist Ihnen bekannt: Ich spreche den Namen dieser Mädchen-Gruppe gar nicht aus ( Pussy Riot, Anm. ). EU-Leader verteidigen die Aktion in einer Kirche als Meinungsfreiheit und Demokratie, für uns Russen ist das schrecklich, geschmacklos und beleidigend. Ja, es gibt unterschiedliche Vorstellungen von Meinungsfreiheit. Es ist nicht schwierig, echte Probleme in Russland ausfindig zu machen: Das Bildungssystem ist nicht gut, für mich ist auch die rasche Privatisierung staatlicher Unternehmen nicht akzeptabel. Das würde nur noch mehr Oligarchen schaffen.
Welche Auswirkungen hat die europäische Schuldenkrise Ihrer Meinung nach auf Russland?
Unser Finanzsystem und die Wirtschaft sind schwer betroffen. Wir spüren den Rückgang des Konsums in der EU. Es gibt nur ein Mittel, die Krise zu überwinden: Re-Industrialisierung und neue Wirtschaftsimpulse.
Russische Staatsbahn: Ein Gigant
Konzern Vladimir Yakunin befehligt als Chef der russischen Staatsbahn 1,2 Millionen Mitarbeiter. Das Unternehmen ist damit wohl der größte Arbeitgeber der Welt. 2011 wurden eine Milliarde Passagiere befördert, das Schienennetz ist mit 85.200 Kilometer das drittlängste der Welt (nach den USA und China)
Eurasisches Projekt Verbindet 33 europäische und asiatische Länder. Statt in fünf Wochen übers Meer könnten asiatische Exporte Westeuropa binnen zwei Wochen erreichen. Warenumschlagplatz wäre Wien. Befürworter vergleichen das Projekt mit der Rolle des Rotterdamer Hafens für Hollands Wirtschaft.
Kommentare