Wirtschaftsnobelpreis: Erst zum zweiten Mal an eine Frau
Seit 1969 wird der Preis für Wirtschaftswissenschaften im Gedenken an Alfred Nobel vergeben, erst zum zweiten Mal erhält ihn eine Frau - nach Elinar Ostrom im Jahr 2009.
Konkret geht der Wirtschaftsnobelpreis heuer an drei Ökonomen: Esther Duflo aus Frankreich, ihren Lebensgefährten Abhijit Banarjee aus Indien sowie Michael Kremer aus den USA. Das gab die Königlich‐Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekannt.
Die in Paris geborene Esther Duflo hat eine Professur für Armutsbekämpfung und Entwicklungsökonomie am Massachussetts Institute of Technology (MIT). Ihre Forschungsschwerpunkte sind mikroökonomische Themen in Entwicklungsländern, darunter das Verhalten von Haushalten, Bildungspolitik, Zugang zu Finanzdienstleistungen, Gesundheitspolitik und insbesondere die Bewertung wirtschaftspolitischer Maßnahmen.
Duflo ist mit 46 Jahren die bis dato jüngste Preisträgerin. Sie sei überrascht gewesen, sagte sie in ihrem ersten Telefonat mit den Vertretern der Akademie: "Ich hätte nicht gedacht, dass man den Preis gewinnen kann, solange man nicht älter ist", spielte sie auf die Vergabepraxis an, die bisher vor allem aus den USA stammende, männliche Ökonomen im vorgerückten Alter prämiert hatte.
Was sie mit dem Preisgeld tun werde, wurde Duflo gefragt: Sie sei beeindruckt gewesen, als sie gelesen hatte, dass Marie Curie von ihrem Preisgeld ein Gramm Radium gekauft hatte, um ihre Forschungen fortsetzen zu können. Sie wolle nun gemeinsam mit ihren beiden Kollegen erforschen, "was genau unser Gramm Radium ist".
Die Akademie würdigte als bahnbrechend, dass die Forschung der drei Preisträger die Entwicklungspolitik revolutioniert habe. Sie hätten die Bekämpfung der Armut heruntergebrochen in kleine Unterpunkte, die anhand von konkreter Feldforschung überprüft werden können. So werde beispielsweise hinterfragt, was wirklich Einfluss auf den Schulerfolg in Entwicklungsländern hat: Sind es schulische Hilfsmittel wie Textbücher, bessere Ernährung, mehr Lehrer oder andere Lehrmethoden?
Diese Feldforschung habe dazu geführt, dass nun in Indien und Afrika 60 Millionen Kinder mit Lehrinhalten unterrichtet werden, die genau ihrem Niveau und Vorkenntnissen entsprechen.
Dieselbe experimentelle Vorgehensweise habe neben der Bildung auch in der Gesundheit, Landwirtschaft, beim Zugang zu Krediten und Finanzservices Anwendung gefunden.
Duflo kritisierte, dass in der Entwicklungspolitik viele Vorstellungen bisher oft eher einer "Karikatur der Armut" entsprochen hätten. Es seien Erklärungsmuster - Verzweiflung der Menschen, Faulheit, verschütteter Unternehmergeist - bemüht worden, die mit der Realität wenig gemeinsam hätten. Ihr wichtigstes Ziel sei es, dass die Entwicklungshilfe und Armutsbekämpfung "auf wissenschaftlichen Erkenntnissen" beruht.
Der Generalsekretär der Wissenschaftsakademie, Göran Hansson, machte klar, Duflo erhalte den diesjährigen Preis nicht, weil sie eine Frau sei, sondern wegen ihrer herausragenden Forschung.
Die Preisträgerin selbst sagte, sie hoffe, alle Wirtschaftswissenschaftlerinnen repräsentieren zu können. Sie wolle Frauen dazu inspirieren, ihrer Forschung weiter nachzugehen. Auch sollte ihre Auszeichnung viele weitere Männer dazu bringen, Frauen den Respekt zu zollen, den sie verdienten.
Ein "falscher" Nobelpreis
Streng genommen ist der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft gar kein Nobelpreis. Er geht zumindest nicht auf den letzten Willen von Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Der Schwede hatte in seinem Testament nur Preise für Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden genannt. Den Wirtschaftspreis stiftete die schwedische Reichsbank in Erinnerung an ihn 1968.
Seitdem wurden vor allem Ökonomen aus den Vereinigten Staaten ausgezeichnet. Nur ein Österreicher hat die Auszeichnung bisher bekommen: Friedrich August von Hayek im Jahr 1974. Vor Duflo war nur eine einzige Frau unter den Gewinnern: Elinor Ostrom erhielt den Preis 2009 verliehen.
Der Wirtschaftspreis ist wie die traditionellen Nobelpreise auch mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940 000 Euro) dotiert. Er wird am 10. Dezember - Nobels Todestag - in Stockholm überreicht.
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