Deutschland gewinnt Wirtschaftsmatch mit 4:2

Deutschland gewinnt Wirtschaftsmatch mit 4:2
Für ein Schwellenland wächst Argentinien viel zu langsam, punktet aber an der Börse.

Ein Duell auf Augenhöhe sieht anders aus: Das ewige Schwellenland Argentinien wandelt wieder einmal am Rande des Staatsbankrotts. Hingegen hat Exportweltmeister Deutschland die Krise gut gemeistert wie kaum ein anderes Industrieland.

Vor hundert Jahren wäre das Wirtschaftsmatch der WM-Finalisten freilich ganz anders ausgegangen. "Reich wie ein Argentinier" war damals ein geflügeltes Wort: Das Pro-Kopf-Einkommen am Rio de la Plata war in den 1920ern höher als in Deutschland. Die U-Bahn von Buenos Aires wurde 1913 eingeweiht – als erste auf der Südhalbkugel. Die Millionenmetropole galt als besonders schick und wurde in einem Atemzug mit London oder Paris genannt. Tatkräftige Zuwanderer und üppige Agrarexporte trugen zum Wohlstand bei. Dann kam die Weltwirtschaftskrise, gefolgt von Dekaden verordneter Misswirtschaft. Militärdiktaturen und Zivilregierungen wechselten phasenweise im Jahrestakt – und mit ihnen die Wirtschaftsrezepte. Seit der Ära von Juan Domingo Perón (1946–’55) ist der Staat der dominante Kapitän. Es gab nur kurze Phasen, in denen sich das Land liberaler gab. Wo steht Argentinien heute? Hier der Spielbericht zum Wirtschaftsmatch mit Deutschland.

Wachstum: 1:0 für Deutschland

Ein Auftakt nach Maß für die Europäer: Deutschland wird heuer ein Wirtschaftswachstum von etwa zwei Prozent zugetraut. In Argentinien ist die Zeit der hohen Wachstumsraten längst vorbei. Heuer verdribbelt sich Argentinien vollends, kommt mit einem Mini-Plus kaum vom Fleck und wandelt am Rande der Rezession. Treffer Deutschland.

Arbeitslosigkeit: 2:0 für Deutschland

Und schon wieder klingelt es. Deutschland hat mit 5,2 Prozent die niedrigere Arbeitslosenrate – in Argentinien beträgt diese 7,6 Prozent. Auch jungen Nachwuchstalenten bietet Deutschland die besseren Perspektiven: Dort stehen 7,8 Prozent der Jugendlichen ohne Job da, beim Gegner aus Südamerika sind es 17,5 Prozent.

Schulden: Rote Karte für Argentinien

Sieht nach einem Treffer für Argentinien aus: Die Staatsschulden sind mit 53 Prozent niedriger als die deutschen mit 75 Prozent. Pfiff des Schiedsrichters: Vor zwölf Jahren mussten Anleger den Südamerikanern zwei Drittel der Schulden nachlassen. Jetzt droht wegen eines Rechtsstreits in den USA bereits die nächste Staatspleite. Kein Tor, sondern Stürmerfoul und Rote Karte für das Nachtreten der Gauchos.

Börse: Tor für Argentinien (2:1)

Wunderschöne Kombination der Latinos, leichtfüßig stürmen sie den Deutschen in Sachen Aktien davon: Der argentinische Börseindex Merval schaffte heuer ein Plus von gut 61 Prozent. Diesen Schuss kann der Frankfurter Leitindex DAX mit knapp 2 Prozent Plus nicht parieren.

Inflation: 3:1 für Deutschland

Die Deutschen haben die Schwachstelle des Gegners entdeckt: Die Landeswährung Peso hat einen Wadenkrampf und gegenüber dem Euro heuer ein Fünftel an Wert verloren. Das verteuert die Importe und treibt die Preise. Der offiziellen Inflationsrate vertraut niemand, seriöse Schätzungen beziffern diese mit 30 Prozent. In Deutschland erwartet man schlanke 1,0 Prozent. Der Ball sitzt, fassungsloses Staunen bei Argentiniens Keeper.

Wettbewerbsfähigkeit: 4:1 für Deutschland

Das deutsche Spiel läuft jetzt flüssig. Wechselpässe zwischen Staat und Unternehmen machen das Wirtschaften einfach: Stabile Institutionen, Sicherheit für Investoren, gute Ausbildung stärken die Kondition. Bei der Wettbewerbsfähigkeit reiht das Weltwirtschaftsforum Davos die Europäer auf Platz 4 von 148 Ländern. Argentinien ist auf Platz 104. Spitze, Hacke, Tor, wie man in Deutschland sagt.

CO2-Ausstoß: Tor für Argentinien (4:2)

Wer hat am Ende des aufreibenden Duells noch mehr Puste? Die Argentinier, kein Wunder: Der Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Klimakillern macht pro Kopf 4,45 Tonnen im Jahr aus. In der Industrienation Deutschland bläst jeder Einzelne mit 9,06 Tonnen doppelt so viel in die Atmosphäre. Anschlusstreffer kurz vor dem Abpfiff.

Mit einer Roten Karte und dem Resultat 4:2 sind die Argentinier gut bedient. Zu drückend ist die Wirtschaftsübermacht der Deutschen. Vielleicht ein schwacher Trost, aber: Auch Österreich ist chancenlos – das Match wäre 5:2 für die Nachbarn ausgegangen. Nur mit weniger CO2 und geringer Arbeitslosigkeit kann Rot-Weiß-Rot Treffer landen.

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