Verdient also der Bundeskanzler zu wenig?
Wenn man Politiker mit Leuten in der Wirtschaft vergleicht, sollte man überlegen, ob das passt. Spitzenpolitiker haben ein höheres Risiko als Manager, ihre Tätigkeit läuft auf unbestimmte Zeit, während Wirtschaftsleute oft Verträge haben. Das Einkommen von Politikern gehört ihrer Tätigkeit angepasst, die Relationen müssen stimmen.
Sie haben Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger zum Konzern-CEO gemacht. Er ist Beschuldigter in der Casinos-Affäre, das stört Sie nicht?
Ich gehe davon aus, dass es weder zu einer Anklage noch zu einer Verurteilung kommt.
Eines der großen Strukturprobleme, das auch diese Regierung nicht angreift, sind die Pensionen.
1950 kamen sechs Erwerbstätige auf einen Pensionisten, 2023 ist das Verhältnis 3:1 und in 20 Jahren 2:1. Darüber sollte man sich Gedanken machen. Ich verstehe Argumente für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, aber viel leichter wäre es, wenn man diejenigen, die es sich leisten können, besser dazu motiviert, für ihr Alter auch vorzusorgen.
Mit welchen Produkten?
Pensionsversicherungen, Zukunftsvorsorge, Pflegeversicherung, aber auch Aktienkäufe. Die steuerbegünstigte betriebliche Vorsorge ist seit 1975 unverändert bei 300 Euro im Jahr pro Mitarbeiter. Die Regierung könnte Lebensversicherungen, die in nachhaltige Unternehmen investieren, steuerfrei stellen. Und die Zukunftsvorsorge könnte für die Pflegeversicherung geöffnet werden.
Verständlich, das Sie sich das als Versicherer wünschen. Aber das müssen sich die Menschen erst einmal leisten können.
Ich kann nicht von jemandem, der wenig verdient, das erwarten. Aber all jene, die etwas auf die Seite legen können, sollte man mobilisieren. Das betrifft auch die breiten mittleren Einkommen.
Aber das wird die Pensionsproblematik nicht lösen, vor allem für kleine Einkommensbezieher.
Für das Budget wäre es eine Entlastung, wenn man etwas Druck aus dem System nimmt. Dann kann leichter für Mindestlohnbezieher vorgesorgt werden. Aber generell muss das Verhältnis Erwerbstätige zu Pensionisten geändert werden. Doch vor den Wahlen ist das sicher schwierig.
Wie realistisch ist länger Arbeiten überhaupt, jetzt wollen doch die meisten kürzer arbeiten. Stichwort Work-Life-Balance.
Das sind sicher nicht alle. Es ist eine Frage der Information. Wenn den Leuten bewusst wird, was das für das Alter bedeutet, werden viele sicher anders denken.
Wie sehr ist Ihr Unternehmen mit Work-Life-Balance konfrontiert?
Zugespitzt formuliert: Bei Bewerbern in Österreich ist das öfters ein Thema. 50 Kilometer von Wien entfernt, in unseren Nachbarländern, ist oft die erste Frage: Wie kann ich Karriere machen?
Sind viele Jobs einfach auch zu unattraktiv?
Ja, denken Sie an die Pflege. Österreich gibt für eine halbe Million Pflegegeld-Bezieher knapp drei Milliarden Euro aus. Die privaten Versicherungen könnten auch hier für Entlastung sorgen. Und wenn Bezahlung und Wertschätzung verbessert werden, würden sich mehr Menschen für Pflegeberufe finden. Die Zeiten werden bald vorbei sein, wo vorwiegend die Familien Angehörige selbst pflegen. Auch am Land wird künftig nicht mehr so oft wie früher zu Hause gepflegt.
Trotzdem interessiert sich niemand für eine Pflegeversicherung. Die Einstellung in der Bevölkerung, dafür soll der Staat bezahlen, ist stark ausgeprägt. So denken auch viele, die sich eine Pflegeversicherung leisten könnten.
Wie beurteilen Sie als einer der größten privaten Krankenversicherer das Gesundheitssystem? Österreich hat ein sehr hohes Niveau, aber bereits jeder dritte hat eine private Gesundheitsvorsorge. Das Gesundheitswesen hat generell Verbesserungsbedarf, vor allem bei den langen Wartezeiten auf Operationen und Arzttermine.
Wo ansetzen? Das Thema ist den Gesundheitspolitikern doch schon lange bekannt, aber die Problematik verschärft sich ständig weiter.
Man kann nur etwas ändern, wenn man die Wertigkeit des Systems und der Ärzte deutlich verbessert. Die Diskrepanz zwischen Wahlarzt und Kassenarzt ist zu stark. Ein Arzt in einem Privatspital verdient für eine Operation deutlich mehr als in einem öffentlichen Krankenhaus. Das erklärt auch, dass viele Ärzte es bevorzugen, in Privatspitälern zu operieren.
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