Dass Matthä so gar nicht signalisiert wurde, wohin die Reise geht, ist ziemlich ungewöhnlich. Und heizte in den vergangenen Wochen natürlich die Gerüchteküche an. So wurde spekuliert, der SPÖ-nahe Matthä müsse von Bord gehen, denn die grüne Ministerin wolle unbedingt eine Frau an der Spitze. Kolportiert wurde Silvia Angelo, im Vorstand des ÖBB-Teilkonzerns Infrastruktur, zuvor Ökonomin in der Arbeiterkammer.
Doch Gewessler hat die Personalie jetzt auf Schiene gebracht. Der Ministerin und dem Aufsichtsrat drohte die Zeit davon zu laufen. Die Weichen sind eindeutig in Richtung Matthä gestellt.
Das beginnt bei der am 7. November veröffentlichten Ausschreibung, die ganz klar auf Matthä zugeschrieben ist, siehe Faksimile. Angelo kommt somit nicht infrage, sie ist erst seit 2017 bei der Bahn. Das würde kaum als „langjährig“ durchgehen. Selbst wenn Gewesslers Postenbesetzungen in der Vergangenheit öfter für Verstimmung beim Koalitionspartner sorgten, diesmal ist man sich einig. Matthä hat die volle Unterstützung des türkisen Lagers. In Zeiten wie diesen wäre es "Unsinn, einen guten Kapitän von Bord zu stoßen", heißt es.
Wäre noch die Gewerkschaft, ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor bei der Bahn. Betriebsratschef und Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit kann gut mit Matthä. Fachlich ist Matthä unbestritten, er steuert die Bahn gut durch die Covid-19-Krise. Die aktuellste Prognose geht für 2020 von 800 Millionen Umsatzverlust aus. 450 Millionen im Personenverkehr, 300 Millionen in der Fracht. Aus eigener Kraft will die Bahn 300 Millionen stemmen, hauptsächlich durch Kostensenkungen.
Die Regierung stützte die ÖBB bisher mit 190 Millionen, mit Zuschüssen für Kurzarbeit bis zu Notvergaben aus Verkehrsdiensteverträgen im Personenverkehr. Sodass unterm Strich womöglich ein operativer Verlust vermieden werden könnte. Das hängt aber noch davon ab, wie sehr der 2. Lockdown den Güterverkehr beeinträchtigt und wie die laufenden Verhandlungen mit Bund und Ländern über weitere subventionierte Streckenbestellungen im Personenverkehr verlaufen.
Der Fahrplan für Matthä ist knapp getaktet. Die Ausschreibungsfrist endet am 7. Dezember. Die Hearings der Kandidaten vor dem Personalausschuss des Aufsichtsrates sind für Mitte Dezember angesetzt. Der Ausschuss besteht aus den Kapitalvertretern im Präsidium des Holding-Aufsichtsrates: Vorsitzende Andrea Reithmayer (Ex-Vizerektorin der Uni für Bodenkultur) mit ihren Stellvertretern Kurt Weinberger (Chef der Hagelversicherung) und Herbert Kasser, Generalsekretär im Ministerium.
Zu Weihnachten sollte Matthä als alter, neuer CEO bestellt werden.
Vorstandskollege und FPÖ-Mann Arnold Schiefer, Mastermind von Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer in Wirtschaftsfragen, ist erst im zweiten Jahr als Finanzchef an Bord. Er wurde auf fünf Jahre bestellt und gibt mit Matthä ein gut eingespieltes Führungsduo.
Bei den Grünen und bei Hebenstreit ist Schiefer stark unbeliebt. Auch wenn ihn Gewessler tatsächlich loswerden wollte, würde das nicht funktionieren. Einen Manager, dem nichts vorzuwerfen ist und der seinen Job gut macht, bei vollen Bezügen spazieren gehen zu lassen, wäre politisch untragbar.
Schiefer bildet ein enges Gespann mit Generalsekretär Kasser, in Sachen Bahn der mächtigste Mann im Ministerium. Die beiden kennen einander lange, Schiefer war in der Vergangenheit bereits einmal bei den ÖBB. Er bekam von Hofer noch einen 5-Jahres-Vertrag. Heute gibt es nur Verträge auf drei Jahre mit Verlängerungsoption.
"Man merkt Distanz"
Im Holding-Aufsichtsrat sitzt wieder Brigitte Ederer. Schiefer hatte 2018 die vorzeitige Abberufung der ehemaligen SPÖ-Politikerin und Siemens-Topmanagerin als ÖBB-Aufsichtsratschefin betrieben. „Man merkt Distanz, aber Ederer ist viel zu professionell, Schiefer jetzt zu sekkieren“, beobachten Insider.
In den Teilkonzernen stehen 2021 ebenfalls Vorstandsentscheidungen an. Angelo dürfte verlängert werden, ihr Kollege Franz Bauer geht in Pension. Michaela Huber (ÖVP) soll im Personenverkehr ebenso an Bord bleiben wie die Chefs des Güterverkehrs.
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