Causa Novomatic-ÖVP/FPÖ: Wo ist der Deal?
Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft haben sich zum Großverfahren mit zahlreichen Beschuldigten ausgewachsen, darunter die Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll und Hartwig Löger. Im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss versuchten SPÖ und Neos ebenfalls, den „Deal“ aufzudecken.
Welchen „Deal“ genau?
Damit war ursprünglich jener angebliche Handel gemeint, der erstmals in einer anonymen Anzeige an die WKStA behauptet wurde. Der Glücksspielkonzern Novomatic hätte im Gegenzug für die Bestellung des FPÖ-nahen Managers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria Glücksspiellizenzen erhalten sollen bzw. versucht, die Gesetzgebung zu beeinflussen.
Novomatic war damals Miteigentümer der teilstaatlichen Casinos Austria. Heute ist Novomatic wieder draußen und nur noch zu einem kleinen Teil an der Casinos-Tochter Lotterien beteiligt. Sidlo wurde fristlos gefeuert. Die Spekulationen und politischen Vorwürfe weiteten sich bald auf die ÖVP aus, da habe der „Deal“ das Stimmverhalten von Novomatic bei den Casinos betroffen. (siehe Infobox unter dem Bild)
Dass Novomatic 2018 gegen die tschechische Sazka Group und für die Republik Österreich stimmte, wird heute als Indiz für einen „Deal“ mit der ÖVP ausgelegt. Was passierte damals?
Bei der Hauptversammlung der Casinos im Juni 2018 eskalierte die Situation, erstmals kam es unter den Aktionären zu einer Kampfabstimmung. Ein Drittel der Anteile hielt damals die Republik über die Staatsholding ÖBIB (heute ÖBAG), die dem ÖVP-Finanzministerium unterstand. Größter Aktionär war Sazka mit 38 Prozent (heute die Mehrheit), Novomatic hatte 17 Prozent. Die Tschechen hatten ein Stimmbindungsabkommen mit Novomatic.
Sazka wollte damals aus Kapitalmarktgründen die Casinos-Gruppe vollkonsolidieren. Doch dafür hätte Sazka im Aufsichtsrat die Mehrheit haben müssen. Also versuchte Sazka, zehn der 12 Mandate für sich zu besetzen, die Staatsholding hätte alle ihre vier Aufsichtsräte verloren.
Novomatic schlug sich auf die Seite der Staatsholding, Sazka bekam nur fünf Mandate, die Republik blieb im Aufsichtsrat. Ein Jahr später klagte Sazka Novomatic deswegen vor einem Schiedsgericht in Paris auf einen dreistelligen Millionenbetrag. Novomatic verkaufte die Casinos-Anteile an Sazka, die Klage wurde zurückgezogen.
Novomatic argumentierte, ein Rauswurf der ÖBIB-Aufsichtsräte sei nicht im Interesse der Casinos. Tatsächlich wäre es schlecht vertretbar, dass der Staat zwar Drittel-Eigentümer ist, aber nicht im Aufsichtsrat präsent ist und keine Kontrolle und Mitspracherechte über das Unternehmen ausüben kann.
Am Freitag schickte Wolfgang Pöschl, Verfahrensrichter des U-Ausschusses, seinen Abschlussbericht ans Parlament, der KURIER berichtete. Pöschl ortet ein „gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis“ zwischen der früheren türkis-blauen Regierung und Novomatic. Ein konkreter Deal habe aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden können.
Stellungnahme auf 80 Seiten
Die Anwälte der Novomatic (Rohregger) brachten kürzlich dazu bei der WKStA eine 80-seitige Stellungnahme ein. Sie hatten in mehrmonatiger Arbeit nicht nur alle Einvernahmeprotokolle im U-Ausschuss auf den vermeintlichen „Deal“ hin gescreent, sondern auch alle Zeugenaussagen und Chats bei der WKStA. Und kommen zum Ergebnis: Der Vorwurf, Novomatic habe auf ungesetzliche Art und Weise einen Amtsträger beeinflusst oder dies versucht, um Glücksspiellizenzen bzw. eine Änderung des Glücksspielgesetzes zu erreichen, sei weder durch die Ermittlungsergebnisse noch durch die gesetzlichen Überlegungen und Entwürfe „erhärtet oder gar belegt“ worden, sondern sei „vielmehr unzutreffend“.
Zitiert werden u. a. die Aussagen des ehemaligen, für Glücksspiel zuständigen FPÖ-Staatssekretärs Fuchs, von Ex-FPÖ-Chef Strache und dessen Kabinettsmitarbeitern, der Fachabteilung I/8 (Glücksspielabteilung) im Finanzministerium, dem Kabinett von Löger sowie von Ex-Casinos-Chef Alexander Labak.
Natürlich werden die Novomatic-Anwälte ihren Klienten nicht belasten. Allerdings empfiehlt es sich, in einer Stellungnahme an die WKStA bei den Fakten zu bleiben und keine Spielchen zu treiben. Eine Stellungnahme kommt in den Strafakt und muss ebenso gewürdigt werden wie alle anderen Beweisergebnisse. René Ruprecht, Sprecher der WKStA, will mit dem Hinweis, dass die Causa ein Verschlussakt ist und das Verfahren noch läuft, „einzelne Ermittlungsschritte und Akteninhalte nicht kommentieren“.
Glücksspiel-Novellen
Interessant ist die Analyse der Gesetzesnovellen 2018 und 2019. Die erste wurde vom ÖVP-geführten Finanzministerium überraschend zurückgezogen, weil der Entwurf mit Koalitionspartner Strache nicht abgestimmt war. Darin war „IP-Blocking“ vorgesehen, um illegal nach Österreich hereinspielende ausländische Online-Anbieter abzuwehren. Die einzige Online-Konzession haben die Lotterien. Durch das IP-Blocking, das ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel jetzt einführen will und das von den Casinos seit etlichen Jahren eingefordert wird, wäre der Umsatz der Lotterien gestiegen, davon hätte auch Novomatic als Miteigentümer profitiert.
Zudem hat die Novomatic-Tochter Greentube mit den Lotterien einen Content-Vertrag für Online-Spiele. Novomatic sei selbst stark durch zahlreiche Raubkopien betroffen, auch in Österreich. Durch das IP-Blocking hätte sich Novomatic rechtlich effektiver wehren können. Der Konzern ist international erfolgreich mit der Entwicklung von Spiele-Content für Online-Anbieter, ist selbst aber nicht im Endkunden-Geschäft tätig.
Vor 2027 könnte Österreich ohnehin keine zusätzliche Online-Lizenz vergeben, da solange die Allein-Konzession der Lotterien läuft. Glücksspiel-Lizenzen müssen EU-weit ausgeschrieben werden.
Die Novelle 2019 konnte nicht mehr umgesetzt werden, Stichwort Ibiza. Sie hätte Novomatic „erhebliche Nachteile gebracht“. So wäre die Anzahl der Automatensalons reduziert worden, Glücksspiel- und Wettabgabe wären erhöht worden. Nur die Lotterien hätten durch eine Abgaben-Reduzierung profitiert.
Für Sidlo erhöhen sich die Chancen, von der Beschuldigtenliste zu kommen. Das kann für die Casinos teuer werden. Sidlo hat 2,3 Millionen Euro eingeklagt, die Ansprüche aus seiner Vertragslaufzeit.
Lesen Sie morgen, Dienstag, über die widersprüchlichen Aussagen des ehemaligen Casinos-Chefs.
Kommentare