Schelling, der Macher

Hans Jörg Schelling werkt mit der hohen Schlagzahl eines Spitzenmanagers.
Finanzministerium: Der neue Chef drückt aufs Tempo und greift hart durch.

Schon am ersten Arbeitstag von Hans Jörg Schelling (60) war den Spitzenbeamten klar, dass im altehrwürdigen Palais in der Wiener Innenstadt ab sofort ein schärferer Wind weht. Dass sie es mit einem ehemaligen Spitzenmanager zu tun haben, der gewohnt ist, mit hoher Schlagzahl zu arbeiten. Schelling bat alle Sektionschefs zu sich. Statt einer belanglosen Plauderrunde redete der neue Chef sofort sehr konkret über neue Projekte.

Das Finanzministerium ist das Schlüsselressort, in dem alle Fäden zusammenlaufen. Dort saßen fachlich immer die Top-Leute. Doch der Glanz der einstigen Hochburg der Beamten-Elite ist in den vergangenen Jahren immer stärker verblasst. Das Haus verlor mit dem Abgang von Spitzenleuten fachliche Expertise, Polit-Besetzungen frustrierten die Beamtenschaft schwer, über die sich wegen peinlicher Rechenfehler zuletzt auch noch öffentlicher Spott ergoss. Ein derartig demotivierendes Klima ist der ideale Nährboden für Querulanten und Intrigen. Die Grabenkämpfe zogen sich durch alle Beamten-Ebenen bis ins Ministerkabinett.

Schellings Vorgänger Michael Spindelegger hatte sein Haus nicht im Griff. Er war einfach zu nett und schaffte es nicht, durchzugreifen. "Etliche Leute haben jetzt sicher Angst, da gibt es viel vorauseilenden Gehorsam. Doch vor lauter Arbeiten kommen sie nicht mehr zum Blöd-Reden", schildert ein Insider die Stimmung. Der neue Minister agiere wie ein Manager, er arbeite "total strukturiert". Für jedes Thema wird ein Projektauftrag aufgesetzt, mit ganz klarer Definition von Ziel, Struktur, Zeitraum, Kosten und Verantwortlichen. Quertreiber soll der ehemalige Möbelhandels-Manager offen zur Rede gestellt haben. "Angst vor Veränderung ist natürlich. Schelling ist klar, dass er Handlungsbedarf hat. Er geht offen auf die Leute zu und vermittelt ihnen, dass die Mitarbeiter das Wichtigste sind. Als Manager weiß er ganz genau, wie wichtig motivierte Mitarbeiter sind", attestiert Margit Markl, (schwarze)Vorsitzende des Dienststellenausschusses, Aufbruchstimmung. Dass der Boss über 11.000 Mitarbeiter schon einige Finanzämter besucht hat, kommt bei der Belegschaft gut an. Die Mannschaft freut sich, "endlich wieder einen prominenten, coolen Chef zu haben. Das will doch jeder irgendwie", erzählen Beamte.

Schelling im Zitat

Schelling, der Macher

AMTSÜBERGABE IM FINANZMINISTERIUM: SCHELLING / SPI
Schelling, der Macher

INFORMATIONSGESPRAECH: HANS JOERG SCHELLING BEI BP
Schelling, der Macher

Schelling, der Macher

Alois Stöger, Hans Jörg Schelling, Sabine Oberhaus…

"Schelling muss am Anfang durchgreifen, sonst schleifen sich die alten Gewohnheiten sofort wieder ein. Wenn die Führung schwach ist, blühen Intrigen und Gerüchte. Ist Tempo da, haben die Leute keine Zeit zum Intrigieren", konstatiert Personalberater Othmar Hill, der Schelling als "Idealbesetzung" sieht. Weil er bewiesen habe, dass er viel umsetzen kann und wirtschaftlich unabhängig vom politischen Job sei.

Schellings Energiepotenzial ist seiner Umgebung manchmal unheimlich. Ab sieben Uhr früh, wenn er im Dienstauto vom Wohnsitz in St. Pölten nach Wien sitzt, trudeln SMS an die Mitarbeiter ein. Alles wird hinterfragt, vor allem Zahlen. So soll es auch schon vorgekommen sein, dass Ministerkollegen wieder abziehen mussten, weil sie inhaltlich schlecht vorbereitet waren.

"Die Herausforderungen an sein Terminmanagement sind groß", meint SP-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Selbst ehemals Staatssekretär im Finanzministerium, kann Matznetter nicht verstehen, warum Schelling auf einen Staatssekretär verzichtet. Immerhin müsse der Finanzminister von allen Ministern am öftesten im Parlament anwesend sein, mehr als 40 Prozent aller Berichte und Anfragen beträfen seine Verantwortung. Dazu kommen die häufigen Termine in Brüssel beim Ecofin und der Euro-Gruppe. Da Brüssel nicht als Ausland gilt, kann sich Schelling nicht von einem Regierungskollegen vertreten lassen. "Das werden dann halt vorwiegend Beamte machen", meint Matznetter. Der letzte Finanzminister, der sich keinen Staatssekretär leistete, war Hannes Androsch (SPÖ). Ihm blieben allerdings die Flüge nach Brüssel erspart, Österreich war noch nicht EU-Mitglied.

Ungewöhnlich, dass Schelling zum Großteil das Kabinett seines Vorgängers übernimmt. Selbst Kabinettschef Thomas Schmid, langjähriger Adlatus von Spindelegger, bleibt. Drei Experten haben sich allerdings verabschiedet. Johannes Kasal, wirtschaftspolitischer Berater, geht in die Privatwirtschaft zurück. Albert Posch (zuständig für die Ministerrats-Vorbereitung) und Norbert Totschnig (Landwirtschaft, Länder) wechselten zu Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Der hat ja auch noch den Vizekanzler umgehängt.

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