Wirtschaft schwenkt auf Erholungskurs ein

Wirtschaft schwenkt auf Erholungskurs ein
Die Corona-Folgen werden aber noch lange sichtbar bleiben – speziell auf dem Arbeitsmarkt

Die Aussichten für das Jahr 2021 mussten angesichts des dritten Lockdowns in Österreich stark zurückgenommen werden. Die Wirtschaftsforscher erwarten jetzt eine Erholung mit einem Wachstum von rund 2,5 Prozent – ein echter Aufschwung sieht anders aus. Aber nach dem Katastrophenjahr 2020, mit dem stärksten Wirtschaftseinbruch seit Jahrzehnten, darf man nicht undankbar sein. Jedes kleine Wachstumsplus vor dem Komma ist heuer hochwillkommen, auch wenn es an der hohen Arbeitslosigkeit voraussichtlich wenig ändern wird.

Wann im Tourismus, auf dem Arbeitsmarkt oder bei den öffentlichen Finanzen wieder das gute Vorkrisenniveau des Jahres 2019 erreicht sein wird, steht in den Sternen. Vor 2022/2023 ist damit nicht zu rechnen. Vieles, wenn nicht alles, hängt von einer Durchimpfung der Bevölkerung gegen Covid-19 ab.

Schadensbegrenzung nach Briten-Abschied

Der zu Weihnachten erzielte Verhandlungserfolg mit Großbritannien sollte die weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas auf halbwegs stabile Beine stellen. Das ist die gute Nachricht. Doch der Abschied der Briten aus dem Binnenmarkt mitsamt der Aufgabe der Personenfreizügigkeit schmerzt gewaltig. Das Freihandelsabkommen dient da bloß der Schadensbegrenzung. Auch London weiß das und schließt nun der Reihe nach neue Freihandelsabkommen ab. Mit der Türkei ist das noch vor dem Jahreswechsel gelungen, mit den USA wird verhandelt, ein Abschluss ist derzeit noch nicht in Sicht. Besonders wichtig für junge Menschen wird auch sein, dass bald ein Nachfolge-Programm für den Bildungsaustausch steht. Auch bei Erasmus ist London ja ausgestiegen, obwohl Großbritannien für Studierende immer schon eines der beliebtesten Länder war.

Das Verhältnis zu Chinawird neu geordnet

China ist nicht erst seit 2020 eine neue wirtschaftliche Supermacht, hat diesen Status aber erneut eindrucksvoll untermauert. China erholt sich schneller und stärker von Corona als die USA und Europa. Laut Experten wird China schon 2028 die USA als größte Volkswirtschaft der Welt überholen. Je freier der Marktzugang für europäische Firmen geregelt wird, desto stärker werden auch heimische Unternehmen vom chinesischen Wachstum profitieren können. Trotz aller Bedenken, was Menschenrechtsverletzungen angeht, gelang jetzt die politische Grundsatzeinigung auf ein Investitionsabkommen zwischen Brüssel und Peking.

In den USA wehtein frischer Wind

Die USA gehören zu den wichtigsten Handelspartnern Österreichs. Die internationaler ausgerichtete Wirtschaftspolitik der neuen Administration unter Joe Biden oder die Rekordjagd an den US-Börsen können Impulse auch für die EU-Wirtschaftserholung liefern. Seine Wirkung entfalten sollte auch das gigantische Konjunkturpaket über 900 Milliarden Dollar, das Donald Trump vor dem Jahreswechsel dann doch unterschrieben hat. Belastend dürften weiterhin die Handelskonflikte zwischen den USA und China bzw. Russland bleiben. Joe Biden drängt Europa auf eine engere Abstimmung im Umgang mit China und pocht selbst auf einen harten Kurs gegenüber Peking. Die EU könnte noch stärker in die Zwickmühle zwischen Washington und Peking bzw. Moskau (Stichwort: Nord Stream 2) geraten.

Hoffnung auf Tourismus-Erholung

Was Österreichs Wirtschaft angeht, so wird ab Ende Jänner/Anfang Februar viel von der Situation im Tourismus nach dem Lockdown abhängen. Auch der Handel rief zunächst eine regelrechte Katastrophe aus, rechnete dann aber mit einem vergleichsweise harmlosen Minus von zehn Prozent im Weihnachtsgeschäft. Im Tourismus kann Vergleichbares gelingen, wenn die wichtigsten Herkunftsländer wie Deutschland oder die Niederlande ihre Reisewarnungen bald aufheben und nach einer Wiedereröffnung von Handel und Sehenswürdigkeiten auch der Städtetourismus wieder anspringt.

Anders ist die Situation in der Industrie, sie ist nicht vom Lockdown betroffen und erholt sich parallel zur steigenden Auslandsnachfrage. „Seit nunmehr sechs Monaten liegt die österreichische Industrie auf Wachstumskurs, und gegen Jahresende hat die Dynamik sogar noch zugenommen“, sagt die Bank Austria.

Trist bleibt die Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Arbeitslosenrate dürfte heuer kaum unter zehn Prozent sinken. Nach den jüngsten Daten sind rund 900.000 Menschen ohne Job oder in Kurzarbeit. Gleichzeitig beklagen viele Betriebe aber den Fachkräftemangel vor allem in Handwerk und Technik. Aktuell gibt die Wirtschaftskammer den Fachkräftebedarf mit 177.000 Personen an.

Schlechte Nachricht:Pleitewelle droht

Zuletzt hat diese Gefahr der Kreditschutzverband ausführlich thematisiert. Laufen die staatlichen Corona-Hilfen im ersten Halbjahr sukzessive aus und müssen Miet- und Steuerstundungen nachgezahlt werden, droht eine Pleitewelle. Die aktuelle Situation bezeichnet der KSV als „dramatische Insolvenzverschleppung“. Ein Indiz dafür: Im Jahr 2020 gab es mit 3.000 Fällen (minus 40 % gegenüber 2019) so wenige Firmenpleiten wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.

Gute Nachricht:Schulden sind billig

Was den Staat und seine strapazierten Finanzen angeht, so helfen die Niedrigzinspolitik und das Anleihenkaufprogramm der EZB. Die Folge ist: Die Republik Österreich verschuldet sich so günstig wie noch nie. 2021 will die Bundesfinanzierungsagentur 65 Milliarden Euro auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Investoren verzichten auf Rendite, nur um ihr Geld in neuen österreichischen Staatsanleihen anlegen zu dürfen. Für die gesamte Finanzschuld Österreichs von 230 Milliarden Euro beträgt die Durchschnittsverzinsung derzeit 1,55 Prozent pro Jahr.

Kommentar von Wolfgang Unterhuber

"Endlich Licht - aber auch Schatten"

Das neue Jahr beginnt für die Wirtschaft mit drei guten Nachrichten. Erstens: die weltweite Durchimpfung der Menschheit hat begonnen. Das erhöht die Aussicht, dass es mit der globalen Lockdown-Politik bald zu Ende geht. Zweitens: Das jahrelange Tauziehen um den Brexit hat sich endlich erledigt. Die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU werden auf neue Beine gestellt werden. Drittens: In den USA endet in knapp drei Wochen die Amtszeit von Donald Trump. Sein Nachfolger Joe Biden wird die USA auf die globale Bühne zurückführen. Das wird die scharfe Konkurrenz zu China nicht beenden, aber der Ton wird ein anderer werden. Das Verhältnis zwischen den USA und der EU dürfte sich hingegen wieder normalisieren. Das ist wichtig für Österreich. Die USA sind schließlich einer unserer Top-Handelspartner.  
Alle Faktoren zusammen bedeuten in Summe für die Wirtschaft Stabilität und das Ende großer Unsicherheiten. Wird 2021 also alles besser? Vom Status quo ausgehend wird 2021 ein Jahr mit viel Licht  – aber auch Schatten.  Spätestens ab der zweiten Jahreshälfte ist wieder mit einem starken und kontinuierlichen Wachstum zu rechnen. In Österreich, in der EU und global.
Allerdings werden erst 2021 die wirtschaftlichen Langzeitfolgen der Krise sichtbar werden. Nach dem Auslaufen der Staatshilfen ist international mit einer Pleitewelle zu rechnen, deren Ausmaß seriös jetzt noch nicht abgeschätzt werden kann. Sicher ist nur, dass das Problem der hohen Arbeitslosigkeit uns noch auf Jahre beschäftigen wird. Es wird 2021 also sehr darauf ankommen, ob das absehbare Wachstum zusätzlich mit weiteren Investitionen befeuert werden kann. „Herausinvestieren aus der Krise“ lautet die neue globale Zauberformel. Die EU hat dazu auch schon einen konkreten Plan: Sie will die Wirtschaft  ökologischer machen (Stichwort Greentech). Keine schlechte Idee. 2021 muss aus der Idee aber auch Realität werden.

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