Wirbel um Schutzhütten-Neubau am Fuße des Großglockners

Wirbel um Schutzhütten-Neubau am Fuße des Großglockners
Protest von Umweltdachverband und Alpenverein, Nationalparkverwaltung sieht Projekt als nötig an

Ein Bauprojekt ausgerechnet in der Gamsgrube, einem Sonderschutzgebiet im Kärntner Teil des Nationalparks Hohe Tauern, sorgt derzeit für Aufregung. Die Großglockner Hochalpenstraßen AG (Grohag) als Errichter befürwortet das Projekt ebenso wie der Nationalpark: Es diene der Besucherlenkung und biete dringend benötigte WC-Anlagen. Umweltdachverband und Alpenverein sind allerdings strikt gegen jeden Eingriff in den hochsensiblen Bereich und kündigen rechtliche Schritte an.

Der geplante Standort hat eine lange Geschichte: Seit dem 19. Jahrhundert stand dort die vom Alpenverein betriebene Hofmannshütte. Warum das nicht mehr der Fall ist, hat vor allem mir der Klimakrise zu tun. Die Hütte war nämlich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Ausgangspunkt für die schnellste Route auf den Großglockner - von ihr aus konnte man recht komfortabel die Pasterze überqueren. Mittlerweile ist der Gletscher so stark zurückgeschmolzen, dass diese Route wohl nur mehr unter extremsten Bedingungen zu bewältigen wäre: "Die Hofmannshütte hat ihre Berechtigung für den Alpinismus verloren", wie es der erfahrene Bergführer Ernst Rieger im Gespräch mit der APA formuliert. Die mittlerweile heruntergekommene Hütte wurde 2006 geschlossen und 2016 abgerissen, das Grundstück renaturiert.

Wirbel um Schutzhütten-Neubau am Fuße des Großglockners

Franz Josefs Höhe

Für so manchen ein Manko: Denn die Hütte lag am Gamsgrubenweg, einem komfortabel ausgebauten und nur leicht ansteigenden Wanderweg, der von der viel besuchten Franz-Josefs-Höhe aus in unberührte Natur führt. Und das Wort "unberührt" ist im Sonderschutzgebiet tatsächlich ernst gemeint: Ein Verlassen des Weges ist streng verboten, auch Forscher dürfen die Sonderschutzzone nur mit einer Extragenehmigung betreten. Genau das ist ein Argument, das beide Seiten in der Diskussion um den Neubau ins Treffen führen. Dieser würde einen Lenkungsmechanismus für die Touristen haben, meinen die einen - der Neubau würde "Halbschuhtouristen" anlocken und einen unzulässigen Eingriff darstellen, die anderen.

Frei zugängliche WC-Anlagen

Der Kärntner Nationalparkdirektor Peter Rupitsch befürwortet den Neubau: "Wir haben nun einmal sehr viele Leute im Sonderschutzgebiet." Mit dem Projekt könnte man über das Betretverbot informieren und aufklären und den Besuchern frei zugängliche WC-Anlagen anbieten. "Und unsere Ranger sagen: Nirgends kann man Bildungsauftrag des Nationalparks so fantastisch erfüllen, wie da drin - und auch die Auswirkungen des Klimawandels näherbringen", sagt Rupitsch. Er stellt auch Gerüchte in Abrede, es sei ein "Ausflugsgasthaus" geplant: "Die Gastronomie wird wenn, dann ganz bescheiden sein: Saft, Würstl, Kaffee wird es wohl geben, in einem relativ kleinen Innenraum. Der kann auch für Führungen mit Schulklassen genutzt werden, wenn das Wetter nicht so gut ist."

Nicht zuletzt sei auch das Sicherheitsargument ausschlaggebend. Derzeit ist der Gamsgrubenweg nämlich abschnittsweise gesperrt: Zu groß ist die Steinschlaggefahr. Wie es von der Grohag heißt, würde man gemeinsam mit der neuen Schutzhütte auch eine Galerie errichten, die die Besucherinnen und Besucher schützt. Anberaumte Kosten für Schutzgalerie und Hütte: 3,3 Millionen Euro. Und Schutz sei bitter notwendig, weiß Rupitsch: "Wir haben einen Zählmechanismus an der Absperrung zum gefährlichen Abschnitt installiert, und im Sommer haben rund 10.000 Leute die Absperrungen einfach überstiegen." Die Leute seien nun einmal da - die Diskussion, wie man mit der Gamsgrube umgeht, hätte in der Vergangenheit geführt werden müssen, bevor man den Weg dorthin saniert und die Tunnel zum Schutz vor Steinschlag gebohrt hat. "Die Leute wollen etwas in der Natur unternehmen. Das Bedürfnis ist durch die Pandemie auch noch stärker geworden."

Wenig Verständnis hat man für diese Argumente beim Umweltdachverband. "Die Gamsgrube ist eines der hochwertigsten Naturschutzgebiete in Österreich. Ein solches Infrastrukturprojekt bringt nur weitere Unruhe in das Gebiet", sagte Verbandspräsident Franz Maier. WC-Anlagen würde es am Ausgangspunkt auf der Franz-Josefs-Höhe geben: "Wenn jemand am Berg unterwegs ist, kann er doch auch nicht erwarten, dass alle paar Kilometer eine WC-Anlage oder ein Verkaufsstand sind." Er sieht die Gefahr des "Massen- und Halbschuhtourismus" gegeben: "Die Herzstücke des Nationalparks darf man nicht dem reinen Kommerz opfern."

Grohag-Vorstand Johannes Hörl verweist - wie auch Nationalparkvertreter - auf die drei Grundfunktionen des Projekts: Stützpunkt für Besucherlenkung und Besucherinformation, Sanitär-Anlagen und ein Notunterstand sowie eine "reduzierte Schutzhütte für Bergsteiger". Die Grohag könne sich mit dem Argument, "der Natur ein Stück zurückgeben zu wollen der auf sie übergegangenen Verantwortung am Gamsgrubenweg leider nicht so einfach entziehen" und sich damit "auch keine grüne Feder an den Hut stecken", formuliert es Hörl im Gespräch mit der APA nicht ohne Seitenhieb auf den Alpenverein. Als ehemaliger Hofmannshüttenbetreiber hatte sich der Alpenverein einst um einen Ersatzbau bemüht, beschloss aber 2016, dass kein neues Projekt mehr folgen soll.

Alpenvereins-Präsident Andreas Ermacora bleibt dabei: "Wir meinen, dass in der Kernzone keine weitere Baumaßnahme stattfinden soll." Das Argument des Lenkungssystems "sehe ich nicht. Im Grunde geht es darum, dass den Leuten dort etwas Touristisches geboten wird". Und dass es durchaus Sinn eines Nationalparks sei, diesen auch zugänglich zu machen? "Aber nicht überall! Es gibt so viele Wege, wo er zugänglich ist, und die auch erhalten werden."

Wie auch der Umweltdachverband werde man "alle Hebel in Bewegung setzen" um den Bau zu verhindern, sagt Ermacora. Derzeit habe die Gemeinde Heiligenblut eine Widmung abgesegnet, der Ball liege nun beim Land und der Bezirkshauptmannschaft. Aber nicht nur in diesem Verfahren will sich der Alpenverein einbringen. Ermacora verweist auf eine Jahrzehnte zurückliegende Unstimmigkeit in Grundstücksfragen im betroffenen Gebiet. In den 1930er-Jahren wurde dem Alpenverein nämlich 11.000 Quadratmeter des Grundes in der Gamsgrube enteignet, um den Weg - geplant war überhaupt eine Straße - zu bauen. Daraus wurde im Laufe der Jahrzehnte aus unerfindlichen Gründen eine Fläche von 36.000 Quadratmetern, die nun der Grohag gehören. Wie das zustande gekommen ist, wird nun erst einmal die Gerichte beschäftigen.

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