Der deutsche Lkw- und Bushersteller MAN baut hauptsächlich noch Dieselfahrzeuge, doch mit batterieelektrischen Trucks und Bussen will er den Markt aufmischen.
KURIER: MAN hat sich bis 2030 große Ziele bei der Transformation ihrer Fahrzeuge zu den E-Antrieben gesteckt. Wie schauen diese Ziele aus?
Frederik Zohm: Unser Ziel ist es, dass ab dann 50 Prozent unserer Lkw und bis zu 90 Prozent unserer Stadtbusse batterieelektrisch angetrieben werden. Da sind wir natürlich nicht der alleinige Treiber. Man braucht ein Produkt, man braucht grüne Energie, eine entsprechende Lade-Infrastruktur und einen attraktiven Strompreis.
Das sind große Herausforderungen ...
Ja, absolut. Das kann man nicht allein schaffen. Für die Lade-Infrastruktur brauchen wir die Hilfe der Politik. Es müssen Genehmigungs-verfahren vereinfacht werden, damit unsere Kunden ihre Depots entsprechend versorgen und mit batterieelektrischen Ladesäulen ausstatten können. Oder eben auch mit Photovoltaikanlagen, um die Energie selbst zu erzeugen. Die Transporteure werden so quasi unabhängige Energieunternehmer. Wir brauchen die Politik auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Aber die fossilen Antriebe lassen Sie nicht gleich auf?
Nein. Wir verdienen heute unser Geld mit Dieselmotoren und wir werden das auch morgen noch tun. Die Transformation ist ja nicht wie Licht an, Licht aus. Sie ist ein fließender Übergang, bei dem sich Kunden Schritt für Schritt für neue Technologien entscheiden werden.
Also der Diesel bleibt weiter wichtig?
Nahezu 99 Prozent der Lkw-Bestellungen sind derzeit noch Dieselfahrzeuge. Wir optimieren den Dieselmotor auch weiterhin. Gerade haben wir einen Motor auf den Markt gebracht, der im neuen Antriebsstrang nochmal bis zu fünf Prozent Kraftstoff einspart.
Sie plädieren für eine Technologieoffenheit?
Wir plädieren dafür, dass die Politik Rahmenbedingungen setzt, die längerfristig gültig sind. Lkw und Busse sind Investitionsgüter. Unsere Kunden brauchen Planungssicherheit und wollen das Fahrzeug vier bis zehn Jahre nutzen. Das heißt, Abschreibungs- und Anreizmöglichkeiten, die von der Politik als steuerndes Element genutzt werden, müssen stabil sein.
Wie viele E-Trucks bauen Sie derzeit?
Wir sind gerade am Hochfahren der Produktion. Wir haben jetzt rund 200 Fahrzeuge bei Kunden. Und nun fahren wir die Produktion hoch und gehen in Serie. Beim batterieelektrischen Stadtbus ist das anders. Da sind wir schon seit 2020 am Markt. Rund 70 Prozent der Ausschreibungen europäischer Städte fordern mittlerweile batterieelektrische Busse. Da ist die Transformation schon weiter vorgeschritten.
Wie viele E-Trucks wollen Sie bis 2030 produzieren?
Wir planen, dass dann rund die Hälfte unseres Lkw-Absatzes aus Elektrofahrzeugen bestehen wird. Der offizielle Start der Serienproduktion in München erfolgt im Juni im Beisein der Politik.
Welche Reichweite haben die E-Trucks?
Wir reden von Tagesreichweiten von 600 bis 800 Kilometern. Woher kommt das? Das europäische Logistiksystem tickt im Viereinhalb-Stunden-Rhythmus. Danach muss der Fahrer 45 Minuten Pause machen. In der Zeit können dann die Lkw zwischengeladen werden. Derzeit laden wir mit bis zu 375 Kilowattstunden. Da dauert eine Ladung für 350 Kilometer etwa eine Stunde. Aber unser eTruck ist bereits für 750 Kilowatt Ladeleistung ausgelegt. Dann sind wir bei 40 Minuten für die gleiche Reichweite. Und daraus ergibt sich die 600 bis 800 Kilometer Tagesreichweite.
Aber es geht noch weiter…
Wir haben die ersten Fahrzeuge schon im realen Kundeneinsatz und merken, die kommen noch weiter. Ein Kunde fährt unseren E-Truck im Tageseinsatz mit 850 Kilometern. Die Reichweite hängt von der Topografie ab, vom Wetter, der Beladung.
Sie haben auch schon E-Trucks in Österreich ausgeliefert. Den ersten E-Truck in Österreich haben wir an die Firma Unterer Logistik in Tirol ausgeliefert. Von der Bauunion haben wir einen Großauftrag über 24 Fahrzeuge erhalten. Wir haben jetzt insgesamt 100 Auftragseingänge in Österreich. Und wir werden zum Beispiel die Stadt Wien mit elektrischen Müllfahrzeugen beliefern.
Also eher Nahverkehr als Fernverkehr?
Nein. Auch große Speditionen, die überregionale Transportleistungen erbringen, kaufen diese Fahrzeuge. Es kommt ja ganz selten vor, dass Kunden von Palermo bis nach Kopenhagen fahren. Viele betreiben Rundverkehre. Dann kommen die Trucks auf 250, 300, vielleicht 400 Kilometer Tagesreichweite.
Um wie viel mehr kostet ein E-Truck gegenüber dem Diesel-Truck?
Das Zwei- bis Dreifache, je nachdem, wie viele Batterien der Kunde braucht. Unser eTruck ist modular. Wir bieten bis zu sechs Batterien an, aber nicht jeder braucht die. Es gibt Kunden, die z. B. nur mit drei Batterien fahren. Das macht das Fahrzeug leichter und billiger. Die Batterie ist ein großer Kostenfaktor. So ergibt sich dann ein ganz anderer Kaufpreis für das Fahrzeug. Und: Strom ist per Kilometer oft günstiger als Diesel. Also fährt man per Kilometer wieder rein, was man an höheren Anschaffungspreisen hat. Bei einem günstigen Strompreis kann sich das in zwei bis drei Jahren amortisieren.
Die Batterien stellt MAN aber auch selber her?
Genau. In Nürnberg haben wir eine Fertigung aufgebaut, von dort liefern wir die Batterien in unsere beiden Werke in Krakau und München. Unser Ziel ist es, pro Jahr bis zu 100.000 Batteriepacks zu fertigen.
Was schätzen Sie, wann der Güterverkehr auf der Straße wirklich elektrifiziert ist?
Ich glaube, es kann schnell gehen. Das hängt davon ab, wie schnell wir den Infrastrukturausbau hinbekommen. Und davon, wie stark der Anteil erneuerbarer Energie zu attraktiven Preisen wächst. Wenn Spediteure eigene Photovoltaikanlagen nutzen oder hier in Österreich Wasserkraft bzw. wenn er das kombiniert, dann kann er sehr günstig Energie tanken.
Es gibt aber weitere Vorteile: E-Lkw sind sehr leise. Für sie gilt darum eine Ausnahme vom Nachtfahrverbot. So können sie zum Beispiel auf der Brenner-Autobahn auch nachts unterwegs sein.
Das macht auch Sinn: der Einsatz von E-Trucks verringert nicht nur Lärm, CO2 und Feinstaub. Wenn sie nachts unterwegs sind, trägt das tagsüber, wenn viele Autos auf der Straße sind, auch zur Verkehrsentlastung bei.
Sie sind ja auch beim Reisebus jetzt auf dem E-Sektor unterwegs?
Wir können technische Lösungen aus dem E-Truck jetzt auch im Reisebus implementieren. Nächstes Jahr wollen wir die ersten an unsere Kunden ausliefern. MAN ist der erste europäische Anbieter, der einen Reisebus elektrifiziert. Er wird eine Reichweite von bis zu 650 Kilometern haben.
Viele E-Lkw werden künftig am Autohof des Transporteurs geladen, aber es braucht auch viele öffentliche Ladepunkte.
Ja. Für den Fernverkehr benötigen wir Ladestationen entlang der Hauptrouten. Um das anzuschieben, haben wir mit Daimler Truck und der Volvo Group das Joint-Venture Milence gegründet. Ziel in den nächsten Jahren ist die Errichtung von 1700 Ladepunkten entlang der europäischen Hauptverkehrsrouten.
Der Lebenslauf
Frederik Zohm, Jahrgang 1973, ist seit Juli 2017 Vorstand für Forschung & Entwicklung bei der MAN Truck & Bus SE. Zuvor war er bei Mitsubishi Truck, Daimler Trucks und Rolls-Royce Power Systems tätig.
Das Unternehmen
MAN Truck & Bus mit Sitz in München ist ein Unternehmen der Traton-Gruppe und einer der führenden Anbieter von Lkw und Bussen mit Diesel- und Zero-Emission-Antrieb und Transporter. Der Jahresumsatz betrug 2024 rund 13,7 Milliarden Euro. MAN beschäftigt weltweit rund 33.000 Mitarbeiter.
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