"Wir sagen Ja zu TTIP - aber nicht um jeden Preis"

Ute-Henriette und Mario Ohoven - hier im Jänner 2015 beim Hahnenkammrennen in Kitzbühel.
Mario Ohoven, Präsident des deutschen Mittelstandes, fürchtet Nachteile durch die Schiedsgerichte.

Ein prinzipieller Befürworter des EU-USA-Freihandelsabkommens (TTIP), aber mit großer Skepsis in Sachen Investitionsschutz: Da ist Mario Ohoven, Präsident des deutschen Verbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW), ganz auf einer Linie mit Bundeskanzler Werner Faymann, den er am Dienstag, 30. Juni, in Wien trifft.

KURIER: Wenn 98 Prozent der 350.000 deutschen Exporteure Mittelständler sind: Müssen Sie da nicht für TTIP sein?

Mario Ohoven: Die exportorientierten Mittelständler profitieren enorm vom freien Handel. Wir stehen zu TTIP, aber nicht um jeden Preis. Von den vielen, vielen Seiten können wir über 95 Prozent zustimmen. Um Schaden für Europas Mittelstand abzuwenden, muss aber nachgebessert werden – beim Investor-Staats-Schiedsverfahren, den Regulierungsprinzipien und beim Regulationsrat.

Deutschland hat den Investorenschutz 1958 quasi (Abkommen mit Pakistan) erfunden und heute mehr als 130 Abkommen. Und ausgerechnet mit den USA braucht es das nicht?

Es gibt jetzt die Globalisierung, 1958 waren andere Zeiten. Amerika und Europa haben hervorragende Rechtsstaaten, da brauche ich keine doppelte Justiz, sondern kann Klagen auf normalem juristischen Weg einbringen.

Für ein US-Gericht kommt aber das US-Recht vor dem Völkerrecht. Rechtsansprüche aus TTIP könnte man dort gar nicht durchsetzen.

Doch, kann man. Eine Studie zeigt, dass Schiedsgerichte nur Konzernen nutzen. So ein Verfahren, das 5 bis 6 Millionen kostet, kann sich kein Mittelständler leisten.

Das ist vor regulären US-Gerichten aber auch nicht viel anders.

Doch, da sind die Summen ganz andere.

Welche Änderungen müssten aus Ihrer Sicht passieren?

Die Verbesserungsvorschläge von EU-Kommissarin Cecilia Malmström sind nicht zuletzt uns zu verdanken: Neutrale Schiedsgerichte, transparente Verfahren, eine Berufungsinstanz. Langfristig läuft das auf ein Handelsgericht hinaus, damit könnte der Mittelstand leben.

Wo sehen Sie bei den Regulierungsprinzipien Konflikte?

Es sind unversöhnliche Systeme. Bei uns müssen neue Produkte Zertifikate, Normungen und TÜV haben, das kostet viel Geld und dauert bis zu 2,5 Jahre. Der Amerikaner kann morgen auf den Markt, weil deren Nachsorgeprinzip erst greift, wenn ein Schaden da ist – das sind dann diese Riesenklagen.

Wer nach Europa liefert, muss sich aber an EU-Regeln halten.

Also, da gibt es bei Chemikalien etwa Ausnahmen. Wenn ein Produkt viele Jahren auf dem Markt ist, könnten die liefern. Das ist so.

In Brüssel hört man das anders. Das kann wohl erst der endgültige Vertragstext aufklären.

Wir sagen: Gleiche faire Regelungen für beide Seiten. Es soll einen Regulationsrat geben, der frühzeitig Konfliktpotenzial bei Politvorhaben von EU und USA ausräumt. Prinzipiell gut, aber da lauert die Gefahr, dass nationale Parlamente ausgehebelt werden.

Dieses Gremium soll doch nur beratende Funktion haben.

Ja, Anfang 2015 wurde klargestellt, dass das parlamentarische Rechte nicht konterkarieren darf. Das wäre ein gangbarer Weg. Entscheidend ist, dass der Mittelstand im Regulationsrat angemessen vertreten ist.

Was bringt TTIP denn aus Ihrer Sicht überhaupt?

Wir wollen offen und ehrlich informieren. Das heißt, positive Auswirkungen nicht zu übertreiben. Der bilaterale Handel beginnt ja nicht bei null. Die USA sind auch ohne TTIP größter ausländischer Investor in der EU und umgekehrt. Da sollen die fehlenden Schiedsgerichte ein Handelshemmnis sein? Quatsch.

Was erwarten Sie sich vom Gespräch mit Kanzler Faymann?

Ich bin sehr gespannt. Ich höre, er hat eine positive Einstellung zu klein- und mittelständischen Betrieben.

Zur Person. Mario Ohoven ist seit 1998 Präsident des deutschen Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) und zugleich Präsident im europäischen Verband CEA-PME - eine nicht unumstrittene, aber jedenfalls lautstarke und öffentlichkeitswirksame Stimme des Mittelstandes.

Der Bankkaufmann hat eine Unternehmensgruppe im Bereich Vermögensberatung aufgebaut. Bekannt ist die Familie Ohoven auch durch zahlreiche TV-Auftritte und Society-Gazetten: Ehefrau und Charitylady Ute-Henriette ist UNESCO-Sonderbotschafterin, Tochter Chiara gilt in Deutschland als IT-Girl.


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