Lebensmittelpreise: "Höhepunkt dürfte überschritten sein"
Im Oktober ist die Inflationsrate in auf 5,4 Prozent gesunken. Vor einem Jahr lag die Teuerung bei elf Prozent. Die Entwicklung ist unter anderem auf die Lebensmittelpreise zurückzuführen, die jetzt die Teuerung weniger antreiben. Im EU-Vergleich ist die Inflation aber noch überdurchschnittlich hoch. 2,9 Prozent beträgt sie im Euroraum. Für Österreich wurde ein Wert von 4,9 Prozent (harmonisiert nach EU-Methode) errechnet. Wifo-Ökonom Josef Baumgartner klärt im KURIER-Gespräch auf, wie er die verschiedenen Preistreiber sieht.
Die Inflationsrate sinkt seit März, aber bei vielen Produkten ist dennoch Monat für Monat weiterhin eine Preissteigerung zu beobachten. Sind das die hohen Lohnabschlüsse, die es bisher schon gegeben hat oder die heiß diskutierten Übergewinne? Woran liegt es?
Josef Baumgartner: Es kommt sehr darauf an, welche Produktgruppen man sich anschaut. Bei den arbeitsintensiven Dienstleistungen wie beispielsweise im Tourismus sind es mittlerweile schon auch die höheren Lohnabschlüsse vom Herbst 2022 und Frühjahr 2023. Andere Bereiche, vor allem die Elektrizitätswirtschaft und Mineralölindustrie, konnten aufgrund der Preissituation im letzten Jahr Rekordgewinne einfahren. Die Haushalte mussten die höheren Preise ja mehr oder weniger schlucken, da gibt es für diese notwendigen Produkte kaum Ausweichmöglichkeiten.
Jetzt sinkt die Inflationsrate, vor allem weil Haushaltsenergie billiger wurde – wenn auch sehr langsam.
Ja, und das hat verschiedene Gründe. Zum einen war die Bereitschaft den Energieanbieter zu wechseln in Österreich nie besonders ausgeprägt, was den Druck auf Energieanbieter die Preise zu senken gering hält. Zum anderen sind die Österreicher nicht besonders risikofreudig und setzen traditionell auf längerfristige Lieferverträge, wodurch etwaige Preissenkungen erst verzögt bei den Kunden ankommen. In anderen Ländern insbesondere in Belgien und in den Niederlanden gibt es viel mehr Flex-Verträge beim Strom und Gas, die nur wenige Monate laufen. Dadurch hängen die Endverbraucherpreise sehr viel enger an den Großhandelspreisen dran. Dadurch wurden die Preispreissenkungen am Großmarkt seit letzten Oktober viel rascher an die Konsumenten weitergegeben.
Dafür ist in den Niederlanden die Inflationsrate aber mittlerweile sogar negativ.
Ja, aber im Herbst 2021 ist dort die Inflation bereits massiv gestiegen, weil die Großmarktpreissteigerungen bei Strom und Erdgas auch sehr an die privaten Haushalte weitergegeben wurden. Da hatten wir noch Inflationsraten von vier fünf Prozent und da hatten Belgien und Niederlande die höchsten Preissteigerungsraten in der Eurozone.
Die öffentliche Hand als Eigentümer der meisten Energieversorger hätte hierzulande wohl auch mehr auf den Tisch hauen können …
Das Aktienrecht untersagt die direkte Einflussnahme des Aufsichtsrates auf die Preisgestaltung der Geschäftsführung. Aber man hat auch beobachten können, wie unterschiedlich die Preisanpassungen für Haushaltsenergie für Bestandskunden in den Bundesländern umgesetzt wurden. Oberösterreich und Salzburg haben die Preise für Bestandskunden erst zu Jahresbeginn 2023 angehoben, Tirol und Vorarlberg sogar noch später in heurigen Jahr. Die ersten waren die Grazer und die Energie Steiermark, die haben schon Ende 2021 erhöht, gefolgt von der Energie Allianz in Ostösterreich im Jänner/Februar 2022. Da hat es wohl Spielraum für politischen Einfluss gegeben.
Wie hoch ist eigentlich der Inflationseffekt der vielen Indexierungen und Wertsicherungsklauseln in Österreich? Vom Handytarif, über Versicherungen bis zur Wohnungsmiete …
Insbesondere die mehrmalige Erhöhung der Kategoriemieten 2022 wurde heiß diskutiert. Das hat sich auch aus der Verschiebung der Erhöhung 2020/2021 ergeben die Anfang 2022 nachgeholt wurde. Man muss diskutieren können, ob das gerecht ist oder ob es nicht einen anderen Index als Basis geben sollte oder ob es nur geringere Erhöhungen zugelassen werden. Aber das ist eine politische Frage und damit auch eine Machtfrage. Die Gewerkschaft fordert auch Lohnanpassungen auf Basis der vergangenen Inflation. Man kann sich also fragen: Warum sollen das nicht auch die Vermieter dürfen…
Weil die Vermieter eine privilegierte Gruppe darstellen im Vergleich zur großen Masse der Beschäftigten…
Ja, die Vermieter sind im Allgemeinen in den oberen Einkommensgruppen zu finden. Nicht zuletzt deshalb wurde vom WIFO eine Mietpreisbremse vorgeschlagen, um damit auch ein Zeichen zusetzen und bei einer bessergestellten Gruppe zu beginnen. Den auch bei den Löhnen wird jetzt diskutiert, ob man die Erhöhungen nicht über einen längeren Zeitraum strecken könnte, weil sich Österreich in einer Rezession befindet. Weil durch zu hohe Abschlüsse die Wettbewerbssituation für die Exportindustrie verschlechtern würde in der Folge die Arbeitslosigkeit steigen könnte.
Thema Nahrungsmittel: Der Handel zerreißt sich fast mit seinen Rabattaktionen und trotzdem steigen die Nahrungsmittelpreise überdurchschnittlich. Wie gibt es das?
Das muss man präziser sein. Im September sind die Nahrungsmittelpreise gegenüber dem Vormonat zum ersten Mal seit 2021 wieder leicht zurück gegangen. Aber im Vorjahresvergleich sind sie noch um acht Prozent höher gewesen. Der Höhepunkt dürfte jetzt aber überschritten sein und der Preisauftrieb dürfte weiter abnehmen, da die agrarischen Erzeugerpreise bereits vor geraumer Zeit wieder gesunken sind.
Und die Rabatte helfen nicht?
Die Rabatt-Aktionen des Handels wechseln sehr stark von Woche zu Woche und sind immer nur auf bestimmte Produkte ausgerichtet. Das hat vor allem die Funktion, die Kundschaft ins Geschäft zu locken und die Übersichtlichkeit zu erschweren. Auf den allgemeinen Preistrend und damit auf die Inflation hat das aber kaum eine Auswirkung.
Wer kassiert also überspitzt formuliert bei den Nahrungsmitteln mit?
Um das zu untersuchen fehlen uns wichtige Daten. Wir wissen relativ gut Bescheid über die agrarischen Erzeugerpreise und die Preise, die die Endverbraucher*innen bezahlen müssen.. Was dazwischen geschieht ist unklar, da die Einstands- und Verkaufspreise der verschiedenen Verarbeitungsstufen nicht zur Verfügung stehen. Hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen wäre wünschenswert. Was wir aus 2022 auch wissen ist: Die Gewinnsituation in der Landwirtschaft war so gut wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Ein gewisser Beitrag zum Preisanstieg bei den Nahrungsmitteln ist also schon auf die Grundproduktion zurückzuführen. Die Einkommen der Landwirt*innen schwanken aber sehr stark und trotz dieser Ertragssteigungen liegen ihre verfügbaren Haushaltseinkommen immer noch unter jenen aller privaten Haushalte.
Zuletzt waren Gastronomie und Hotellerie die Hauptpreistreiber der Inflation. Nutzen die Betriebe die Gunst der Stunde, weil die Reiselust nach Corona so groß ist?
Ja und Nein. Auch im Tourismus gibt es große Kostensteigerungen zu verdauen, speziell bei den Löhnen, Mieten und beim Einkauf von Lebensmittel. Aber es hängt sehr stark von der Nachfrage ab, ob ein Betrieb die höheren Kosten auch weitergeben kann. In der Stadt und in touristischen Gebieten geht das einfacher als am Land. Beim kleinen Kirchenwirt in einem von Abwanderung betroffen Ort geht sich das oft nicht mehr aus. Bei hohen Preiserhöhen bleiben dann auch wenigen Gäste. Da sehen wir dann das bekannte Wirtesterben.
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