Also lieber einmal länger zusperren, als diese nervige Auf-zu-auf-zu-Politik?
Es ist ganz einfach: Einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung gibt es nur nach einer erfolgreich bekämpften Corona-Pandemie. Mit allem was dazugehört: Planungssicherheit, Optimismus, Konsum- und Investitionsbereitschaft. Alles was dem dient, ist auch ökonomisch vernünftig.
Es gibt einen neuen Umsatzersatz von bis zu 30 Prozent. Ist das nicht zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel?
Für die größeren Unternehmen kann das durch die Deckelungen, die es da gibt, schon knapp werden. Es kommt aber auf den Einzelfall an. Ich sehe diesen Umsatzersatz auch im Kontext der Vorauszahlungen auf den Fixkostenzuschuss. Das erscheint mir ganz wichtig, dass es das auch gibt. Und ich hoffe, dass es bei den Stundungen der Steuern und Sozialversicherungsabgaben noch einmal zu einer Verschiebung nach hinten kommt. Momentan geht es vor allem um die Liquidität, das müsste ausreichen. Aber man wird erst im Nachhinein sehen, ob die Unternehmen wirklich genug bekommen haben.
Die Hilfen sind alternativlos?
Im Großen und Ganzen gibt es keine Alternative, weil alles andere viel katastrophaler wäre. Das heißt nicht, dass es im Einzelfall nicht auch Probleme bei der Umsetzung geben kann und man da und dort vielleicht auch Unternehmen hilft, die sich später als Zombies herausstellen.
Die Wintersaison wurde abgesagt. Die Infektionszahlen bleiben hoch, es droht eine Pleitewelle. Wird 2021 schlimmer als 2020?
Wir glauben nach wie vor, dass es heuer doch ein deutliches Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent geben wird. Dabei bauen wir darauf, dass ab der zweiten Jahreshälfte ein nachhaltiger Aufschwung kommt. Und das beruht wieder auf der Annahme, dass wir mit den Impfungen die Pandemie so im Zaum halten, dass die Wirtschaft nicht mehr blockiert ist. Wenn es bis zum Sommer allerdings wieder einen Lockdown braucht, dann wackeln die 2,5 Prozent natürlich. Aber ein Wirtschaftsaufschwung nach Ende der Pandemie kommt sicher.
Apropos Impfen, andere Länder sind viel effizienter unterwegs. Haben Sie als langjähriger Rektor der WU nicht auch so Ihre Erfahrungen mit einer besonders bürokratischen Bürokratie gemacht?
Nein. Ich glaube, dass unsere Verwaltung im Allgemeinen sehr gut funktioniert. Aber ich glaube auch, dass es durch diesen permanenten Druck, der jetzt seit einem Jahr auf den Behörden und Entscheidungsträgern lastet, immer mehr Fehler gibt.
Jetzt gibt es eine große Koalition gegen das Virus ...
Ja, aber unter Einbeziehung der Grünen und Neos. Ich halte das für sehr gut, wenn man sich politisch wieder zusammenrauft. Das ist definitiv besser als permanent zu versuchen, sich wechselseitig zu schaden.
Zeigt Corona nicht auch, wie fragil bis absurd unser Wirtschafts- und Sozialsystem ist, weil es auf ewigem Wachstum und Vollbeschäftigung aufbaut?
Ich sehe das anders. Die Pandemie hat jemandem, der sich noch nie mit Wirtschaft beschäftigt hat, gezeigt, wie alles funktioniert und wie enorm komplex ein Wirtschaftssystem ist. Denken Sie an das Hamstern von Klopapier und wie erstaunlich es doch ist, dass die Güter des täglichen Bedarfs permanent zu akzeptablen Preisen zur Verfügung stehen.
Ich denke an die Rekordarbeitslosigkeit und dass bei einem Wachstumsknick von gerade fünf Prozent wie in Deutschland die größte Krise seit Jahrzehnten ausbricht.
Ich will das nicht wegreden, aber man muss das immer in seiner Dimension sehen. Corona zeigt auch die Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates. Man kann zwar immer wieder Fälle finden, wo Einzelne durch die Finger schauen. Aber die große Masse der Bevölkerung erlebt eine Krise, die eben nicht so existenziell ist, wie das in den 1930er-Jahren der Fall war.
Viele befürchten dennoch eine Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Bei uns ist die ganz große Mehrheit der Arbeitslosen und Menschen in Kurzarbeit dank der staatlichen Unterstützung eben nicht ins Nichts abgestürzt. Und da reden wir von circa der Hälfte aller Beschäftigten im Lande. Wir können uns sogar den Luxus leisten, uns mit Menschen zu beschäftigen, die Corona leugnen und demonstrieren gehen.
Was bleibt nach Corona zu tun? Was sind die Probleme, die jetzt zugedeckt werden?
Wann immer der Tag X nach Corona ist, werden wir eine vernünftige und ausgewogene Politik brauchen, um vor allem die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Das ist nicht so trivial, weil wenn jetzt alle Länder auf einmal zu sparen beginnen, schlittern wir in die nächste und möglicherweise noch viel schärfere Rezession. Das wäre die nächste Superkrise. Bei den vielen anderen Themen, die auf dem Tisch liegen, gilt sicherlich der Klimaproblematik die allergrößte Sorge.
Gelingt der Weg zurück ohne große Sparpakete?
Es wird auf jeden Fall eine harte Diskussion über die Prioritätensetzung geben. Gleichzeitig Steuern senken, Ausgaben erhöhen für Pensionen und Pflege und daneben noch ein Nulldefizit schaffen und Staatsschulden abbauen, das wird so nicht gehen. Und spätestens dann sind wir wieder beim alten Lieblingsthema: Strukturreformen. Es wird schon allein einige Jahre dauern, um vom laufenden Defizit wieder herunterzukommen.
Abschlussfrage: Sie scheiden heuer beim WIFO aus und gehen zurück an die WU. Haben Sie einen Lieblingsnachfolger? Dem Vernehmen nach hat es eine Frau auf die Shortlist geschafft. Wäre eine WIFO-Chefin nicht ein tolles Signal?
Meine Präferenzen sind nicht relevant und auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Nur eines: Das WIFO hat sich sehr bemüht, Frauen für eine Bewerbung zu gewinnen.
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