Wifo und IHS: Top-Wirtschaftsforscher dringend gesucht
Die beiden größten heimischen Institute, Wifo und IHS, beeinflussen das wirtschaftspolitische Geschehen in diesem Land maßgeblich mit. Ihre Konjunkturprognosen sind wichtige Entscheidungshilfen für Politik und Unternehmen.
Jetzt steht das IHS plötzlich ohne Chef da. Martin Kocher wurde, für ihn selbst genauso überraschend, von Sebastian Kurz als Arbeitsminister in die Regierung geholt. Sein Vertrag wäre im September verlängert worden.
Im Wifo geht die Nachfolgersuche für Christoph Badelt bereits ins Finale. Der demnächst 70-Jährige hatte rechtzeitig angekündigt, sich im September von der Spitze der Forschungswerkstatt zurückzuziehen.
Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, Präsident des Board of Trustees, berief die Mitglieder des IHS-Kuratoriums für morgen, Dienstag, ein, um die Weichen für die Kocher-Nachfolge zu stellen. Fischler hatte sich in der Tiroler Tageszeitung mit einer Interimslösung hinausgelehnt. Kocher solle als IHS-Chef karenziert werden, damit er wieder zurückkehren könne. Das Ministeramt werde ja nicht ewig dauern, stichelte der ehemalige ÖVP-Minister gegen Kurz & Co.
Schwer anzunehmen, dass sich Fischler durchsetzen wird. Kocher selbst würde vermutlich keine Karenzierung wollen. Käme politisch gar nicht gut an, wenn sich der neue Arbeitsminister in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit ein Rückfahrticket sichert. Und kein Top-Kandidat von außen würde sich für einen Übergangsjob bewerben, für das Institut wäre ein Interims-Chef ein Leichtgewicht. Fragt sich außerdem, ob ein Ex-Politiker, selbst wenn er parteifrei ist, ein unabhängiges Institut dieser Bedeutung leiten sollte.
Name-Dropping
Obwohl Kocher erst eine gute Woche weg ist, werden etliche Namen kolportiert. Dabei muss man die IHS-Nachfolge in Zusammenhang mit dem Wifo sehen. Dort gibt es bereits eine mit Unterstützung von Ernst & Young erstellte Shortliste mit vier Männern und einer Frau. Wifo-Präsident Harald Mahrer, Chef der Wirtschaftskammer, will die Hearings vor dem gesamten Vorstand im Jänner und Februar ablaufen lassen, noch vor Ostern sollte die Entscheidung stehen.
Wifo
120 Mitarbeiter, 12,5 Millionen Euro Jahresbudget. 32 Prozent durch eigene Einnahmen (Forschungs- und Auftragsstudien). Basisfinanzierung durch Sponsoren, die größten sind Finanzministerium (Budgetprognose), Nationalbank und Sozialpartner. Vorstand sozialpartnerschaftlich besetzt, Präsident Harald Mahrer (WKÖ), Vize Renate Anderl (AK), Mitglieder u. a. Robert Holzmann (OeNB-Chef) Hannes Androsch
IHS
Das Institut für Höhere Studien hat 120 Mitarbeiter, 11 Mio. Budget. Mehr als 50 Prozent Eigenmittel. Basisfinanzierung hauptsächlich durch Nationalbank und Finanzministerium. Früher Kaderschmiede für Ökonomen. Präsident des Board of Trustees (Kuratorium) ist Franz Fischler, Vize Ex-SPÖ-Minister Caspar Einem. Honorar-Präsident Heinrich Neisser, Mitglieder u. a. Gottfried Haber (OeNB-Vizegouverneur)
Der neue Wifo-Chef muss nicht nur wissenschaftlich exzellent qualifiziert sein, sondern auch internationale Erfahrung haben und mit Politikern sowie Stakeholdern der obersten Ebene umgehen können. Soweit das Wunschprofil. Bewerber, die beim Wifo nicht zum Zug kommen, könnten sich gleich beim IHS melden.
Als Top-Kandidat für das Wifo gilt Gabriel Felbermayr. Er landete im Rennen um das Wifo vor fünf Jahren hinter Badelt auf Platz zwei, derzeit leitet er das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Ob der bis 2024 bestellte Felbermayr seinen Status als Beamter des Landes Schleswig-Holstein für eine Rückkehr nach Österreich tatsächlich aufgeben würde, ist schwer einzuschätzen. Sein Institut erklärt, man kommentiere Personalspekulationen nicht. Ist keine Bestätigung, aber auch kein Dementi.
Kolportiert wird unter anderen auch der Österreicher Ernst Fehr, Verhaltensökonom an der Universität Zürich und seit Jahren im Ökonomen- Ranking der NZZ an oberster Stelle.
Genannt wird noch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung und zuvor im IHS. Vielleicht bekommt das IHS erstmals eine Frau an der Spitze. Monika Köppl-Turyna, Leiterin von EcoAustria, werden Chancen attestiert, auch für den Fiskalrat.
Für das IHS wird auch über Wolf Heinrich Reuter, Generalsekretär beim deutschen Weisenrat, spekuliert. Der Deutsche war lange in Österreich (WU Wien, Nationalbank), soll sich in der Alpenrepublik sehr wohl gefühlt haben und ist durch seine rege Vortragstätigkeit in der heimischen Wirtschaftspolitik gut bekannt.
Mit Kochers Abgang ist auch die Leitung des Fiskalrates, vormals Staatsschuldenausschuss, vakant. Dessen Aufgabe ist es, die Regierung finanzpolitisch zu unterstützen und zu überwachen.
Wunschkandidat als Präsident ist Badelt. Er hat Qualifikation, Standing und hätte nach dem Wifo genügend Zeit. Vorläufig amtieren jeweils für ein halbes Jahr die Vize-Präsidenten. Zuerst Wirtschaftskämmerer Franz Rudorfer, dann AK-Experte Markus Marterbauer. Bis zum Sommer dürfte der neue Präsident gefunden werden. ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel würde die herbstlichen Budgetverhandlungen vermutlich nicht so gerne unter der Aufsicht eines Arbeiterkämmerers führen. andrea.hodoschek
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