Wiener Messe-Chef beklagt "Corona-Labyrinth" der Regierung

Benedikt Binder-Krieglstein denkt das Geschäft von Reed Exhibitions komplett neu
Rund 270 Millionen Euro an Wertschöpfung generiert die Wiener Messe mit ihren Veranstaltungen und Konferenzen in normalen Jahren alleine für die Stadt Wien. Mit Corona brach das Geschäft ein, 2022 sollte erstmals wieder ein Hoffnungsjahr werden.
Sonderlich hoffnungsfroh ist Benedikt Binder-Krieglstein, Geschäftsführer von RX Austria & Germany (bisher bekannt als Reed Exhibitions), der die Messehallen in Wien und Salzburg betreibt, mittlerweile nicht mehr. Im Gegenteil. Er übt im Gespräch mit dem KURIER heftige Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung.
„Der Gesundheitsminister findet aus seinem eigenen Verordnungslabyrinth nicht mehr heraus“, sagt Binder-Krieglstein. Die Regeln würden sich laufend kurzfristig ändern, Planbarkeit gebe es so nicht. „Großveranstaltungen organisiert man aber nicht von einem Tag auf den anderen. Es müssen Gäste eingeladen sowie Flüge und Hotels gebucht werden.“ Die Folge: Absagen von Kunden, die ihre Veranstaltungen eigentlich in Österreich abhalten wollten und nun lieber ins Ausland ausweichen.
2-G, keine Konsumation
Denn: In anderen europäischen Staaten „werden die Corona-Regeln kontinuierlich gelockert oder sind bereits aufgehoben“, sagt Binder-Krieglstein. „Unser Konzern ist in Dutzenden Ländern tätig. Nirgendwo herrscht so viel Unsicherheit wie in Österreich. Viele Kunden gehen da lieber in die Schweiz oder nach Dänemark.“
Tatsächlich gelten in Österreich für Veranstaltungen ab 50 Personen und ohne fix zugewiesene Sitzplätze weiterhin 2-G und Maskenpflicht sowie ein Konsumationsverbot. Für Binder-Krieglstein eine untragbare Lösung: „Ein Messebesucher verbringt mehrere Stunden bei uns – und darf dann nicht einmal ein Glas Wasser trinken.“
Für gerechtfertigt hält Binder-Krieglstein all die Regeln mit Blick auf Infektionsgeschehen und Hospitalisierungsrate nicht: „Gerda Rogers agiert mittlerweile faktenbasierter als unser Gesundheitsminister.“
Beliebter Kongressort
Den Schaden hat die gesamte Wiener Wirtschaft – von der Hotellerie über die Gastronomie bis hin zum Taxi-Gewerbe. Denn die Kongress- und Messebesucher sind an sich gern gesehene Gäste in der Stadt: Im Schnitt lassen sie mehr als 500 Euro pro Tag in der Stadt. Das ist mehr als doppelt so viel wie ein normaler Tourist. Im Durchschnitt war vor Corona jede achte Nächtigung in Wien auf ein Meeting zurückzuführen.
Auch sonst können sich die Zahlen der Branche sehen lassen: Rund 5.000 Tagungen, Kongresse und Firmenveranstaltungen wurden vor der Pandemie laut Wien Tourismus alljährlich in Wien abgehalten – mit einer Wertschöpfung von insgesamt einer Milliarde Euro.
Die Stadt zählt damit zu einem der führenden Veranstaltungsorte weltweit. Im Jahr 2018 sicherte die Branche 21.000 Ganzjahres-Arbeitsplätze.
Gecko „bleibt untätig“
Der Messe-Chef fürchtet somit nicht nur wirtschaftlichen Schaden, sondern sorgt sich auch um das Image Wiens als Kongress- und Messestadt: „Der Standort wird nachhaltig beschädigt. Und das, obwohl gerade Wien in den vergangenen Jahren viel Geld investiert hat, um für hochwertigen Tourismus attraktiv zu sein“, sagt Binder-Krieglstein.
Die Bedenken der Branche wurden der Gecko-Kommission vorgetragen. „Die Experten haben zwar wohlwollend genickt, passiert ist dann aber nichts.“ Warum dem so ist? Er wisse es nicht, sagt Binder-Krieglstein.
Seine Forderung ist jedenfalls klar: Die häppchenweisen Lockerungen, die in den kommenden Wochen vollzogen werden, seien zu wenig. „In absehbarer Zeit muss es endlich zur Aufhebung aller Einschränkungen kommen“, sagt Binder-Krieglstein.
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