Phosphor aus Klärschlamm holen: Wien Energie setzt ersten Schritt

Wien Energie Geschäftsführer Karl Gruber (li.) mit Projektleiterin Sophie Beausaert (Mitte) und den Stadträten Czernohorszky (2.v.li.) und Peter Hanke (2.v.re.) bei der Eröffnung der neuen Klärschlammtrocknungsanlage in Simmering
Mit einer neuen Anlage bereitet Wien Energie die Rückgewinnung des Düngers vor. Der Rohstoff kommt aus der Kläranlage.

Für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag hat Wien Energie in Wien Simmering eine neue Anlage errichtet, die entscheidend dafür ist, aus dem Abfall von Kläranlagen künftig Phosphor zu gewinnen. Phosphor wird in der Landwirtschaft als Dünger eingesetzt. Über Feldfrüchte gelangt er in Nahrungsmittel, durchläuft den menschlichen Verdauungstrakt, landet im Abwasser und am Ende im Klärschlamm. Tausende Tonnen pro Jahr könnten daraus rückgewonnen werden, anstatt Phosphor zu importieren.

In der neuen Anlage wird der Klärschlamm zunächst in einer riesigen Zentrifuge getrocknet. Klärschlamm besteht zu 96 Prozent aus Wasser. Dabei wandelt sich das Ausgangsmaterial schrittweise von einer Flüssigkeit zu einer Art feinkörnigem Sand.

Trockener Klärschlamm hat doppelten Nutzen

Das Ganze läuft unter Hitzezufuhr ab. Die Abwärme fließt ins Fernwärmenetz ein. Nachdem es abgekühlt ist, wird das Material anschließend verbrannt. Zurück bleibt Asche. Aus der wird in einem weiteren Schritt Phosphor abgesondert. Das erfolgt derzeit noch in Pilotprojekten mit einem Industriepartner. Für die Zukunft prüft Wien Energie die Errichtung einer eigenen Anlage. Aber auch jetzt schon bringt der Einsatz einen großen Nutzen.

Klärschlamm wird nämlich bereits seit Langem in der Müllverbrennung verheizt, um Fernwärme zu erzeugen. Aufgrund des relativ hohen Wassergehalts musste beim Verbrennen allerdings mit Öl nachgeholfen werden - etwa Speiseöl. Durch die Trocknung funktioniert die Verbrennung ohne Hilfsstoffe. Man erspart sich jährlich Tausende Tonnen davon.

Projektleiterin Sophie Beausaert schildert, was im Inneren der Zentrifuge der Klärschlammtrocknungsanlage geschieht

Projektleiterin Sophie Beausaert schildert, was im Inneren der Zentrifuge der Klärschlammtrocknungsanlage geschieht

Nur Hamburg hat so etwas schon

Wien sei eine der ersten europäischen Städte, die solch eine Anlage bereits besitzen, zeigt sich Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke bei der Eröffnung begeistert. "Nur Hamburg hat so etwas schon." In der deutschen Großstadt funktioniert auch bereits die Phosphor-Abscheidung aus der Asche. Die Rückgewinnung der Substanz wird künftig in ganz Europa durchgeführt. Dafür sorgt die EU mit ihrer novellierten Abfallverbrennungsverordnung. Ab 2033 ist die Phosphor-Rückgewinnung Pflicht.

Kreislaufwirtschaft, damit Rohstoffe nicht ausgehen

"Phosphor ist ein zentraler Rohstoff für die Landwirtschaft. Derzeit holen wir ihn von weit her, etwa aus Marokko", sagt Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky. Für Wien-Energie-Geschäftsführer Karl Gruber sei das Projekt in Simmering ein Musterbeispiel für die Kreislaufwirtschaft: "Wir waren die vergangenen Hunderttausenden Jahre eine Kreislaufgesellschaft, nur in den letzten 250 Jahren nicht. Jetzt müssen wir wieder dahin zurückkehren, damit uns die Rohstoffe nicht ausgehen."

Die Anlage werde nicht nur Klärschlamm aus der Wiener Kläranlage verarbeiten, sondern aus ganz Ostösterreich. Derzeit zahlen Gemeinden noch dafür, Klärschlamm entsorgen zu lassen. In Zukunft könnte es vielleicht irgendwann umgekehrt sein, sagt Gruber. Was bisher als Abfall betrachtet wurde, könnte als wertvolle Rohstoffquelle gefragt sein. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass eines Tages jene Aschemengen recycelt werden, die bisher auf Deponien landeten.

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