Wie weit ist die EU beim gemeinsamen Gas-Einkauf?

Ein Gasknotenpunkt.
Eine Einigung über den gemeinsamen Kauf gibt es seit März. Seither ist wenig passiert. Das soll sich jetzt ändern.

Europa sucht nach gemeinsamen Antworten auf die Energie-Krise. Beim Erdgas, einem vor allem für Industrie und Heizen wichtigen Energieträger, stellt sich die Situation besonders schwer dar. Denn während Öl und Treibstoffe -der anteilig wichtigste Energieträger der Welt - relativ einfach aus anderen Quellen bezogen werden können, erreichte Gas die EU bisher vorrangig über Pipelines (siehe Grafik). Und der wichtigste Lieferant war bis zuletzt Russland, das die Lieferungen gedrosselt hat.

Inzwischen kommt der größte Anteil des in die EU importierten Erdgases aus Norwegen. Die entstandene Versorgungslücke wird auch mit Flüssiggas-Lieferungen (LNG) gefüllt, das per Schiff angeliefert wird. Dabei steht Europa als Abnehmer aber in einem weltweiten Wettbewerb, etwa mit China.

  • Was hat das jüngste EU-Energieminister-Treffen ergeben?

Die für Energie zuständigen EU-Minister haben bei einem Treffen in Prag einen kleinsten gemeinsamen Nenner im Umgang mit den hohen Energiepreisen gefunden. "Es gibt eine allgemeine Einigkeit der Minister darüber, dass wir ab 2023 gemeinsam Gas einkaufen müssen", sagte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela, der das Treffen in Prag am Mittwoch leitete. Zudem müsse man Solidarität zeigen und mehr Energie sparen.

Wie weit ist die EU beim gemeinsamen Gas-Einkauf?

Die Pipeline-Infrastruktur ist vor allem auf den Transport von Ost nach West ausgelegt.

"Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir den jetzigen Preisindex ändern müssen, damit er widerstandsfähiger gegen Spekulation und Preisspitzen wird", sagte Sikela mit Blick auf den Preisindex des Gas-Handelsplatzes TTF.

  • Worauf hat man sich konkret verständigt?

Die Maßnahmen, auf die sich die Minister verständigt haben, sind im Einklang mit der Position der deutschen Bundesregierung. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich mehrfach für gemeinsame Gaseinkäufe starkgemacht. "Wenn Europa als großer Abnehmer seine Marktmacht strategisch nutzt, dann wird es die Preise runterbringen damit", sagte Habeck am Mittwoch in Berlin. EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte, bei den gemeinsamen Einkäufen würde man sich besonders darauf konzentrieren, die Speicher für den nächsten Winter koordiniert zu füllen.

  • Pläne dazu gibt es ja schon länger. Warum ist nichts passiert?

Bereits im März dieses Jahres hatten sich die EU-Staaten auf freiwillige gemeinsame Gaseinkäufe geeinigt, eine Koordinierungsplattform hat jedoch wenig Konkretes geliefert.

  • Was ist das Problem am gemeinsamen Gaseinkauf?

Meist kaufen private Unternehmen, die sich das Geschäft nicht aus der Hand nehmen lassen wollen, und nicht Staaten das Gas eines Landes. Jeder Staat hat zudem seinen eigenen Energiemix. Zudem sind die EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich abhängig von russischem Gas und dementsprechend mehr oder weniger stark von den russischen Lieferkürzungen betroffen. Spanien und Portugal beziehen beispielsweise wenig russisches Erdgas, Deutschland und Österreich viel.

Die Erdgasdrehscheibe Baumgarten

Über den Gasknotenpunkt Baumgarten kommt noch russisches Gas nach Österreich. Von hier aus wird es auch nach Süddeutschland und Italien weitertransportiert.

  • Wie geht es jetzt weiter?

"Die Kommission arbeitet daran, am 18. Oktober ein Paket mit Vorschlägen vorzulegen", sagte EU-Energiekommissarin Simson bei einem Treffen mit den EU-Energieministern in Prag. Es werde nicht das letzte Maßnahmenpaket der Brüsseler Behörde sein, versprach die Kommissarin. Nachdem die Kommission den konkreten Gesetzesvorschlag präsentiert hat, müssen die EU-Staaten ihm noch zustimmen.

  • Gibt es auch einen Konsens über einen gemeinsamen Gaspreisdeckel?

Darauf haben sich die zuständigen Minister in Prag nicht verständigt. Ein Vorschlag ist, den Preis von Gas in der Stromproduktion zu begrenzen. Ähnliches wird auf der Iberischen Halbinsel bereits umgesetzt. Da Spanien und Portugal kaum Strom exportieren, wirkt die Maßnahme regional. Bei enger vernetzten Staaten wie Österreich würde der staatlich subventionierte Strom in die Nachbarländer "abfließen". Allerdings haben Länder wie Deutschland und unter anderem die Niederlande die Befürchtung, dass dadurch der Gasverbrauch steigen könnte. Gleichzeitig steht Deutschland in der Kritik, seinen Unternehmen mit der "Gaspreisbremse" (ein Paket im Umfang von 200 Milliarden Euro) unsolidarischerweise einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

  • Immer wird auch über Solidaritätsabkommen im Falle eines Gasmangels diskutiert. Wie ist da der Status Quo?

Aktuell haben nur wenige Staaten Solidaritätsabkommen abgeschlossen. Österreich, Deutschland und Dänemark haben ein solches Abkommen über solidarische Gaslieferungen für den Fall einer Versorgungskrise abgeschlossen. Eines der Probleme dabei ist: Es gibt einen europäischen Gasmarkt. Versucht also jeder, sich auf eigene Faust möglichst viel zu sichern, treibt das die Preise.

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