Wie die ÖBB die Personalkrise meistern wollen

Andreas Matthä
2000 Euro Mindestlohn, Pensionisten zurückholen, Lehre wird forciert. Wieder Kündigungsschutz?

Mit etlichen Maßnahmen wollen die ÖBB ihre Personalkrise in den Griff bekommen. Die Bahn sucht bis 2027 wegen des Generationenwechsels rund 17.000 neue Mitarbeiter, 3000 im Jahr. Die Lage sei „herausfordernd, aber bewältigbar“, sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Dazu kommt die hohe Fluktuation, wie der KURIER exklusiv berichtete. Insgesamt, ohne die beamteten Mitarbeiter liege die Fluktuation bei 7,6 Prozent. Die „Frühfluktuation“ bei Mitarbeitern, die weniger als zwei Jahre an Bord sind, liege aber bei 18 Prozent und beschäftige das Management, bestätigte Matthä. Bei den Triebfahrzeugführern (Lokführern) beispielsweise ist die Durchfallrate in der Ausbildung so hoch, dass die Lehrmethoden geändert werden müssten.

Ein Viertel der Neu-Eintretenden steigt wieder aus. Problematisch ist die Dropout-Quote auch bei den Zugbegleitern und den Postbus-Lenkern.

Pro Jahr würden die 18 Mitarbeiter des im Konzern nun zentralisierten Recruitings 35.000 bis 45.000 Bewerber scannen, schildert Matthä. 75 Millionen Euro wurden in ein neues Ausbildungszentrum investiert. Matthä, der von seinem Kollegen Arnold Schiefer die Personalagenden übernommen hat, forciert die Lehrlingsausbildung. Derzeit hat die Bahn 2000 Lehrlinge in 27 Berufen und nimmt jedes Jahr 600 Auszubildende auf.

Um in schlecht entlohnten Bereichen wie Security, Reinigung oder Gastronomie Mitarbeiter zu bekommen, wird der Mindestlohn auf 2000 Euro angehoben, kündigte Matthä an. Davon profitieren 425 Mitarbeiter, nur vier von ihnen unterliegen dem Eisenbahner-Kollektivvertrag (KV). Insgesamt sind 35.000 ÖBBler nach diesem KV angestellt.

Die Kritik der Gewerkschaft, die ÖBB seien das einzige Bahn-Unternehmen, das nur KV-Niveau bezahle, weist Matthä zurück. Die Forderung der Gewerkschaft nach 500 Euro mehr würde 14,2 Prozent Lohnerhöhung entsprechen. Die Arbeitgeber boten zuletzt sieben Prozent.

Kündigungsschutz

Wenig hält Matthä vom Wunsch der Gewerkschaft nach einem neuerlichen Kündigungsschutz, um attraktiver für Mitarbeiter zu werden. Das möge manche motivieren, im Unternehmen zu bleiben, aber manche würden sagen, „mir kann eh nix passieren“. Heute sind noch 40 Prozent der 42.000 Mitarbeiter unkündbare Beamte.

Außerdem wird überlegt, pensionierte Mitarbeiter zurückzuholen, „etwa für die Morgenschicht“. Dafür müsste allerdings das Bundesbahnenpensionsgesetz angepasst werden. Bis 65 drohen Eisenbahnern hohe Pensionskürzungen, wenn sie etwas dazuverdienen. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter liegt bei 59,8 Jahren, Tendenz steigend.

Mit Dienstwohnunen will die Staatsbahn ebenfalls Mitarbeiter anlocken, derzeit werden rund 4000 Dientwohnungen grundlegend renoviert.

Rekord im Fernverkehr

Die Bahn ist derzeit bestens ausgelastet, an bestimmten Tagen seien die Züge „knallvoll“, die Nachtzüge sind ausgebucht. Seit Mai steigen die Passagierzahlen im Fernverkehr und liegen um 15 bis 20 Prozent über dem Rekordjahr 2019. Als Grund nannte Matthä den Umstieg vom Flugzeug, die Reiselust und die hohen Treibstoffkosten. Bis 2024 stocken die ÖBB mit neuen Zügen die Kapazität von 56.000 auf 70.000 und bis 2040 auf 120.000 Plätze auf. Im Nahverkehr aber sitzen weniger Passagiere in den Zügen, teils wegen Homeoffice, teils fahren die Leute mehr Rad.

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