Die „Zweijahresfrühfluktuation“ für die gesamte Belegschaft des ÖBB-Konzerns stieg heuer auf bereits 18 Prozent. Heißt, fast jeder fünfte neue Mitarbeiter verabschiedet sich innerhalb von zwei Jahren wieder. Im Vorjahr wurden 3700 Mitarbeiter neu eingestellt, heuer sind es ähnlich viele. Die 16.500 Beamten sind aus dieser Berechnung ausgenommen.
Die Lage ist quer durch die Bereiche unterschiedlich. Im Vertrieb erhöhte sich die Ausstiegsquote heuer von 14 auf 26 Prozent. Bei den Zugbegleitern sank die Quote zwar, liegt aber aktuell bei 21 Prozent. Corona, Maskenpflicht und oft aggressive Passagiere haben die Jobs für die Zugbegleiter nicht einfacher gemacht. „Während der Pandemie kamen etliche Mitarbeiter aus anderen Branchen zu uns, ein Teil geht jetzt aber wieder in die angestammten Bereiche zurück“, erklärt dazu ÖBB-Sprecherin Gabriele Zornig.
Häufigere Übergriffe
Offenbar haben viele Neu-Einsteiger ein zu optimistisches Bild von einem Job bei der Bahn. Und unterschätzen die Belastungen – durch Schichtdienste und renitente Passagiere. „Wir müssen die Bewerber besser aufklären, anstatt mit Marketing-Videos zu werben“, meint ein Insider.
Da die Zahl von Übergriffen auf Zugbegleiter steigt, werden Doppelbesetzungen (Schaffner sind zu zweit im Einsatz) und Kameras überlegt. In der Ostregion ist die Lage brisanter als im Westen.
Ein besonders Personalproblem hat der Postbus, mehr als 30 Prozent der Lenker steigen wieder aus. Die Branche habe insgesamt ein sehr großes Personalproblem, daher werbe man sich gegenseitig die Lenker ab. Viele würden aber wieder zum ÖBB Postbus zurückkommen, da hier die Arbeitsbedingungen die besten seien, argumentiert Zornig. Könnte aber auch mit dem Vorstandsteam zu tun haben. Das Klima sei nicht gut, die Vorstände Silvia Kaupa-Götzl und Alfred Loidl sollen miteinander nicht gerade das beste Einvernehmen haben, hört man aus dem Unternehmen.
Da die Babyboomer in den nächsten Jahren in Pension gehen, verlieren die ÖBB rund ein Viertel ihrer derzeit 42.000 Mitarbeiter. Eine große Herausforderung für das Personalmanagement, das seit Kurzem konzernweit zentralisiert ist und von Martina Hacker (Ehefrau des Wiener SPÖ-Stadtrats Peter Hacker) geleitet wird. Bis inklusive 2027 ist die Aufnahme von mehr als 17.000 Mitarbeitern geplant, pro Jahr durchschnittlich 2.800 Beschäftigte. Mehr als 6.500 Neuaufnahmen entfallen auf Wien.
Sicheres Ticket für
ÖBB-Vorstand Schiefer?
Für Personalagenden ist im Konzernvorstand CEO Andreas Matthä zuständig. Allerdings erst seit zwei Jahren, zuvor ressortierte das strategische HR-Management zum blauen Finanzvorstand Arnold Schiefer.
Für diese Änderung der Geschäftsordnung und Teil-Entmachtung von Schiefer soll der einflussreiche Zentralbetriebsratschef Roman Hebenstreit starken Druck gemacht haben. In der Hoffnung, mit dem SPÖ-nahen Matthä leichter verhandeln zu können als mit Schiefer.
ÖBB-intern und vor allem in Gewerkschaftskreisen wird bereits jetzt darüber spekuliert, ob Schiefers Vorstandsvertrag verlängert wird. Dieser läuft zwar noch bis April 2024, doch im Frühjahr 2023 soll der mit aktuell 642.00 Euro (inklusive Boni) dotierte Job ausgeschrieben werden.
Schiefer, demnächst 56, dürfte sehr gute Chancen auf eine Verlängerung haben, hört man aus den ÖBB. Ihm wird allseits attestiert, einen guten Job zu machen. Außerdem ist der FPÖ-nahe Manager ein äußerst geschickter sozialer Netzwerker.
So soll Schiefer beste Kontakte zur ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzenden und ehemaligen Vizerektorin der Universität für Bodenkultur, Andrea Reithmayer, pflegen. Als Schiefers großer Mentor gilt Herbert Kasser, Vize-Aufsichtsratschef der Staatsbahn und einflussreichster Beamter bei Klima-Ministerin Leonore Gewessler.
Gerätselt wird, wie Aufsichtsrätin und Ex-SPÖ-Politikerin Brigitte Ederer entscheidet. Die Top-Managerin und ehemalige Siemens-Vorständin wurde kurz nach dem Antritt der türkis-blauen Regierung von Verkehrsminister Norbert Hofer als ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzende abberufen. Angeblich auf Druck von Schiefer, der ihr als Aufsichtsratschef nachfolgte und später Finanzvorstand wurde.
Wird also spannend, ob die grüne Gewessler den schlagenden Burschenschafter Schiefer tatsächlich als Vorstand des größten Staatsunternehmens verlängern lässt. Etliche Blaue hat sie bereits aus Aufsichtsräten von Staatsunternehmen hinaus gekippt.
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