Wie die Immofinanz mit Milliarden jonglierte

730 Seiten stark ist das Hauptgutachten im Ermittlungsverfahren um mutmaßliche Malversationen bei der früheren Constantia Privatbank und der Immofinanz unter Karl Petrikovics.
Vorwurf der Untreue: Ex-Chef Petrikovics soll den Aufsichtsrat umgangen haben. Möglicher Schaden: 512 Millionen Euro.

Im vergangenen April wurde Karl Petrikovics, der frühere Constantia Privatbank- und Immofinanz/Immoeast-Boss, im ersten Strafprozess wegen Untreue zu sechs Jahren Haft verknackt. Er hat dagegen Berufung eingelegt. Dieses Teilurteil (20 Millionen Euro Schaden) drehte sich aber eher um Peanuts – im Vergleich zu dem, was jetzt auf Petrikovics & Co. zukommen wird. Denn: Dem Wiener Staatsanwalt Volkert Sackmann liegt nun das 730 Seiten starke Gutachten des Sachverständigen Gerhard Altenberger zum Ermittlungskomplex „Immofinanz Beteiligungs AG (IBAG)“ vor. Die IBAG, Drehscheibe für Milliarden-Transaktionen im Constantia-Imperium, ist das Kernthema im Strafverfahren (611 St 25/08x). Der Verdacht: Betrug, Untreue und Bilanzfälschung.

Wie die Immofinanz mit Milliarden jonglierte
APA12277628-2 - 12042013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT WI - Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics am Freitag, 12. April 2013, vor Beginn des Prozesses wegen Untreue und "Bildung einer kriminellen Vereinigung" am Landesgericht Wien. Es geht um Aktienoptionsgeschäfte, mit denen sich die früheren Immofinanz-Manager laut Anklage ohne Zustimmung des Aufsichtsrats auf Kosten des Unternehmens bereichert haben sollen. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Laut Altenberger geht es – zum Stichtag 30. April 2008 – um einen mutmaßlichen Schaden (aushaftende Forderungen) zulasten der Immoeast in Höhe von 512,4 Millionen Euro.

Aber der Reihe nach. In den Jahren 2004 bis 2008 wurden fast 2,88 Milliarden Euro „Kredite“ über ein einziges Bankkonto der IBAG durchgeschleust und auf etwa 20 Töchter der Constantia Privatbank verteilt. Die „Kredite“ stammten hauptsächlich von der Immoeast.

Modus operandi

Die Constantia-Töchter kauften damit u. a. bei Kapitalerhöhungen Aktien von Immofinanz und Immoeast und gaben sie später an Investoren weiter. Mit der Finanzkrise 2007 ging dieser Geldreigen im mutmaßlichen Selbstbedienungsladen Constantia Privatbank schief, die Kurse brachen um ein Drittel ein.

44 Millionen Immofinanz-Aktien und 28 Millionen Stück Immoeast-Papiere konnten laut Gutachter „nicht mehr ohne erhebliche Verluste verkauft werden“, die IBAG konnte 512 Millionen Euro Schulden bei der Immoeast nicht mehr zahlen.

„Die Hingabe von Geldern der Immofinanz und Immoeast an die IBAG bzw.Veranlagung bei der IBAG erfolgte ohne erkennbare Einräumung von Sicherheiten, ohne genehmigte Rahmenvereinbarung, ohne interne Kontrollen und Prüfung sowie ohne Einbindung des IBAG-Gesellschaftsorgane“, heißt es im Gutachten. Dabei geht der Gutachter davon aus, dass bei Kreditvergaben ab 50 Millionen Euro im Jahr die Genehmigung des Aufsichtsrats eingeholt hätte werden müssen. Eine derartige Genehmigungs-Schwelle habe es aber damals nicht gegegen, so Otto Dietrich, Verteidiger von Petrikovics.

Indes sagte Ex-IBAG-Vorstand Gerhard P. aus, dass er die Milliarden-Überweisungen weder beauftragt noch abgezeichnet habe. Laut Aktenlage soll Petrikovics die Zahlungen der IBAG in Auftrag gegeben haben, Co-Vorstand Christian T. diese ausgeführt haben.

Gutachter Altenberger ist auf viele weitere Ungereimtheiten gestoßen: So wäre die „vollständige Platzierung der Immoeast-Kapitalerhöhung im Juni 2006 am Markt gar nicht möglich gewesen, wenn nicht die Constantia-Töchter Aktien angekauft hätten“. Allein für diese „Ankäufe“ (247,5 Millionen Euro) im Juni 2006 durch die eigenen Töchter kassierte die Privatbank auch noch 9,9 Millionen Euro Provision.

Die groß angelegten Aktien-Deals der Constantia-Töchter wurden vor den Anlegern geheim gehalten.

Vorwürfe bestritten

„Wir haben das Gutachten erst vor wenigen Tagen erhalten und können daher noch nicht im Detail auf die einzelnen Punkte eingehen“, kontert Verteidiger Dietrich. „Aber bereits jetzt fällt auf, dass die vom Sachverständigen Altenberger genannten enorm hohen Beträge vor allem durch Mehrfach-Zählungen zustande kommen, seine Schlussfolgerungen auf falschen rechtlichen Annahmen aufbauen und die operative Realität eines international tätigen Konzerns außer Acht lassen.“ Dem Vernehmen nach bestreitet auch Christian T. die Vorwürfe.

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