Gastronom in Wien: "Ohne Zuwanderung könnte ich zusperren"

Kellnerin beim Servieren von Speisen in einem Restaurant.
Menschen mit Migrationshintergrund machen großen Teil der Beschäftigten aus. Branche biete allen Eintrittschance in den Arbeitsmarkt.

Zusammenfassung

  • Gastronomie und Tourismus sind wichtige Integrationsmotoren und auf Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund angewiesen.
  • Der Erfolg von Wiens Tourismus ist stark von eingewanderten Arbeitskräften, die 73 % der Branche ausmachen, abhängig.
  • Viele Einwanderer finden in der Branche Einstiegsmöglichkeiten trotz geringer Ausbildung, stoßen aber auf Herausforderungen wie unattraktive Arbeitszeiten.

Das Sozialforschungsinstitut Dema hat am Donnerstag eine neue Untersuchung vorgestellt, die zeigt, wie eng Gastronomie und Tourismus mit dem Thema Einwanderung verknüpft sind. Restaurants, Hotels, Cafes, Eissalons oder Cateringunternehmen seien einerseits auf Arbeitskräfte mit Einwanderungsbiographie angewiesen, andererseits seien sie auch Integrationsmotoren und sorgen für eine Eingliederung in die heimische Gesellschaft, sagt Dema-Forscher Günther Ogris.

Tourismuserfolg ohne Einwanderer nicht denkbar

In den Jahren seit der Corona-Pandemie sei der Tourismus in Österreich massiv gewachsen. In Wien stiegen die Gästeankünfte etwa von 2 Millionen im Jahr 2020 auf 8,17 Millionen 2024. Ogris: "Dieser Erfolg Wiens im Tourismus wäre ohne die eingewanderten Arbeitskräfte nicht möglich." In der Bundeshauptstadt haben 73 Prozent der in Gastronomie und Tourismus Beschäftigten Migrationshintergrund. 65 Prozent haben eine ausländische Staatsbürgerschaft.

Im Österreich-Schnitt haben 48 Prozent der Beschäftigten einen Einwanderungshintergrund. Laut dem AMS ist der Anteil der Beschäftigten in der Gastronomie und Hotellerie noch höher als in der Dema-Studie. Er beträgt knapp 60 Prozent.

In den größeren Städten ist der Anteil im Allgemeinen höher. Am geringsten ist er in Niederösterreich (35 Prozent), gefolgt von Tirol (38 Prozent) und Kärnten (39 Prozent). Diese Zahlen seien Ogris selbst überraschend niedrig vorgekommen. Sie seien aber möglicherweise auf Pendler, sowohl aus dem Inland als auch Ausland, auf Saisonarbeitskräfte und auf Erhebungsmethoden der Statistik Austria zurückzuführen. "Eine andere Möglichkeit ist, dass es viele illegal Beschäftigte gibt - aber das glaube ich nicht", sagt Ogris.

Arbeitsplatz auch ohne Schulabschluss

Der größte Teil der Beschäftigten ohne österreichische Staatsbürgerschaft stammt aus der EU (21 Prozent), 9 Prozent stammen aus Nicht-EU-Balkanstaaten wie Serbien, Bosnien-Herzegowina oder Albanien, 5 Prozent aus der Türkei. 6 Prozent stammen aus Afghanistan oder Syrien. Aus anderen asiatischen Ländern stammen 13 Prozent. 6 Prozent kommen aus afrikanischen Staaten, 5 Prozent aus anderen Drittstaaten.

Die Untersuchung zeige, dass Gastronomie und Tourismus vielen Menschen eine Einstiegsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt bietet, die aus ihrem Heimatland flüchten mussten und wenig Ausbildung haben. 26 Prozent der Arbeitskräfte in der Branche haben nur einen Pflichtschulabschluss, 5 Prozent nicht einmal den. Menschen mit Migrationshintergrund bleiben der Branche im Schnitt länger treu. Einheimische Arbeitnehmer wechseln meist früher in eine andere Branche.

Arbeitszeiten sind vielen Einheimischen zu unattraktiv

In der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren sei dies am öftesten der Fall, sagt Ogris. Da wollen viele eine Familie gründen und können den Beruf nicht mehr mit der Kinderbetreuung vereinbaren. "In der Gastronomie hat man Arbeitszeiten, die ein bisschen unattraktiv sind", sagt Gastronom und Cateringunternehmer Andreas Fuith. Gerade bei Köchen habe die Gastronomie deshalb einen großen Mangel. Über 40-Jährige in diesem Beruf haben in Wien zu 90 Prozent Migrationshintergrund.

Arbeit macht Eingliederung in die Gesellschaft einfacher

Wenn es darum gehe, in einem multikulturellen Umfeld zu arbeiten, sei die Gastronomie prädestiniert. "Weltoffen, neugierig und positiv eingestellt zu sein, ist für meine Berufsgruppe wichtig", sagt Fuith. Seiner Erfahrung nach teilen Menschen jeglicher Herkunft den Wunsch nach einem guten Leben für sich und ihre Familie und nach einer besseren Zukunft für ihre Kinder. Den Umgang mit Einheimischen erlernen Einwanderer an einem Arbeitsplatz besonders schnell.

Es sei schon notwendig, auf nicht verhandelbare Regeln hinzuweisen. Probleme, etwa was einen korrekten Umgang zwischen Frauen und Männern angehe, treten laut Fuith aber mit Einheimischen in gleichem Maß wie mit Einwanderern auf. Mit Fingerspitzengefühl und persönlichen Gesprächen ließen sie sich meist lösen. Über Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund sei Fuith jedenfalls sehr froh: "Ohne Zuwanderung könnte ich zusperren."

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