Zu viele Touristen: Künftig nur noch mit Reservierung in die Berge?

Adventures on the Dolomites at summer
Die Alpenregion Tirol zieht Urlauber magisch an. Auf italienischer Seite werden in der Landeshauptmann-Partei nun Slot-Systeme für überlastete Hotspots gefordert.

Tirol und Südtirol sind durch den Brenner und eine Staatsgrenze getrennt. Doch da wie dort leidet die Bevölkerung unter dem Verkehr, der sich durch enge Täler schiebt.

Und dabei geht es längst nicht nur um die Lkw der Transportwirtschaft, sondern auch um Urlauber in ihren Pkw. Und die sind nicht nur auf der Durchreise.

Im Gegenteil. Auf österreichischer wie italienischer Seite ist der Tourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Umso bemerkenswerter ist die Forderung von Gabriele Morandell, Chefin der "Sozialen Mitte" in der Südtiroler Landeshauptmann-Partei SVP. Die Teilorganisation vertritt vor allem - wie der AAB der ÖVP - Arbeitnehmerinteressen.

Morandell plädiert für ein Umdenken im Tourismus. Der gefährde in seiner aktuellen Form "nicht nur die Lebensqualität der Menschen vor Ort und den Charakter unseres Landes – er betreibt auch Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen und damit an der Lebensgrundlage unserer Kinder", erklärt sie in einer Aussendung.

Gabriele Morandell SVP

Gabriele Morandell ist Vorsitzende der "Sozialen Mitte", einer Teilorganisation der SVP.

"Unsere Natur hat Grenzen – und diese müssen endlich respektiert werden", sagt Morandell im Namen ihres gesamten Vorstandes. Sie schlägt nun Slotsysteme und digitale Reservierungspflichten für überlastete Hotspots wie bekannte Aussichtspunkte, Almen oder Seen vor, um die Lage zu entschärfen.

Einheimische flüchten vor Fototouristen aus Südtiroler Dorf

Tiroler Parteifreund sieht keine Notwendigkeit

Nördlich des Brenners sieht Tirols ÖVP-Landtagsklubobmann und AAB-Chef Jakob Wolf noch keine Notwendigkeit für derartige System. "Südtirol hat da und dort Probleme. Aber einen Overtourism wie etwa auch in Venedig oder anderen italienischen Gegenden orte ich bei uns noch nicht", sagt er. 

Slot-System für Tiroler Berge oder Sehenswürdigkeiten seien daher noch nicht notwendig findet Wolf, der als Bürgermeister in der Ötztaler Gemeinde Umhausen selbst in einer der bekanntesten Tourismusregionen des Bundeslandes im Westen Österreichs lebt.

Tatsächlich kommen in der Sommersaison jedes Jahr acht Mal mehr Touristen nach Tirol, als im Land leben. In Südtirol sind es hingegen 10 Mal so viele. "Es sind so viele Touristen bei uns im Land, dass sich die Einheimischen nicht mehr wohlfühlen", lautet Morandells Befund für ihre Heimat im Gespräch mit dem KURIER. 

Die Südtiroler Bevölkerung müsse sich inzwischen "sehr zurückhalten, um den Gästen Platz zu bieten." Der Fokus der ehemaligen Volksanwältin liegt vor allem auf den Bergen, insbesondere den Dolomiten.

Selbst den Wirten zu viel?

"Die sind am Wochenende voll", sagt Morandell über die Zustände auf der berühmten Bergkette mit ihrer ikonischen Silhouette. "Auch die Betreiber von Schutzhütten sagen, dass es zu viel ist."

An bestimmten Punkten - etwa dem überlaufenen Schlern in den Dolomiten - "müssen wir die Natur schützen."

Blick vom Dorf Tirol in Südtirol

Südtirol wird vor allem im Sommer von Touristen gestürmt

Der Tourismus dürfe "nicht zur Belastung und schon gar nicht zum Ausverkauf unserer Zukunft werden. Mit vorausschauenden Konzepten können wir sicherstellen, dass Gäste willkommen sind, ohne dass Einheimische und ihre Kinder zurückstecken müssen." 

Die Debatte um die Belastungen durch die Besuchermassen würden jeden Sommer wieder hochkochen. Darum brauche es jetzt Lösungen, so Morandell. Ihr gehe es nicht darum, dass die Touristen im Zuge eines Slot-Systems zahlen müssen, sondern darum, die Urlaubermassen zu kanalisieren.

Vorbild ist Teneriffa

Sie selbst habe im Februar auf der spanischen Insel Teneriffa Urlaub gemacht. Und dort ebenfalls lange im Vorhinein eine Genehmigung für die Besteigung des Teide - höchster Berg der Insel - buchen müssen. "Bestimmte Grenzen müssen sein", findet die SVP-Politikerin.

Scenic view of Lago di Braies  in Dolomites

Ruhe gibt es am Pragser Wildsee nur noch im Winter

Was die Kollegen aus dem Tourismuszweig ihrer Partei von der Idee halten, wisse sie noch nicht, so Morandell. "Wir sind jetzt mal vorgeprescht."

Im Vorjahr verzeichnete Südtirol 8,73 Millionen Nächtigungsgäste. Das ist im Vergleich zu 2022 (7,94 Millionen Ankünfte) ein Anstieg von rund zehn Prozent

Wie Nordtirol ist auch die alpine Provinz im Norden Italiens eine Ganzjahresdestination, hier liegt aber die Sommer- mit großem Abstand vor der Wintersaison. Auf sie entfallen über 60 Prozent der Ankünfte. 

Wo die Grenze schon überschritten wurde

In den Sommermonaten ist das Gästeaufkommen nicht nur auf Südtirols Bergen zu spüren, auch die Städte Bozen und Meran werden von Touristen regelrecht überrannt. Und dann gibt es Plätze wie den Pragser Wildsee - ebenfalls Teil der Dolomiten . 

Das Südtiroler Naturdenkmal wurde via sozialen Medien und wegen den Dreharbeiten für eine Fernsehserie vom Geheimtipp zum Hotspot.

Lokale Lösungen gefragt

Hier werden die Besucherströme inzwischen bereits gelenkt. Wer im Sommer mit dem Auto zu dem beliebten See fahren will, muss seit dem Vorjahr ein kostenpflichtiges Online-Ticket buchen.

Hier wird der Zugang also bereits mit einem Slot-System geregelt. Morandell stellt aber klar, dass für sie vor Einführung derartiger System ein verbindlicher Dialog zwischen Gemeinden und Tourismusorganisationen stehen soll, damit lokale Lösungen entstehen, die sowohl Natur als auch Bevölkerung schützen.

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