Wettlauf um die Super-Batterie: Europa steigt ins Rennen ein
Europa droht bei einer Zukunftstechnologie eine gefährliche Abhängigkeit: Momentan liegt der Anteil an der weltweiten Batteriezellenproduktion bei nur drei Prozent. Satte 85 Prozent kommen aus Asien (China, Japan, Korea).
Das soll sich ändern. Die EU-Kommission hat Milliarden-Beihilfen in sieben Ländern genehmigt. In Strategie-Papieren ist gar die Rede von 20 bis 30 Gigafabriken zur Herstellung von Batteriezellen.
Die Zahl der E-Fahrzeuge soll sich Schätzungen zufolge von jetzt 4 Millionen weltweit bis 2028 auf 50 bis 200 Millionen Stück vervielfachen. Die Kosten der Batterien sollen sich im selben Zeitraum dank der Massenproduktion mindestens halbieren.
Hoffnung auf Innovation
Auch die EU-weite Forschung soll intensiviert werden. Diese verfolgt zwei Schwerpunkte: Temperaturbeständigkeit und damit rascheres Schnelladen sowie Effizienz, also die Erhöhung der Reichweiten. In beiden Fällen steht die Lithium-Ionen-Batterie weiterhin im Zentrum. „Wir haben diese Batterien ständig verbessert“, sagt Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe der TU Wien. Die neuen Batteriemodelle können problemlos häufig schnellgeladen werden. Die Gefahr der Überhitzung einzelner Zellen habe man im Griff.
Regelmäßiges Schnellladen mit bis zu 150 Kw Leistung sei inzwischen möglich, ohne dass die Batterie rascher kaputt gehe, sagt Tober. Und auch die Reichweiten würden stetig steigen. Diese Fortschritte machten die Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos wieder attraktiver.
Im Austrian Institute of Technology (AIT) forscht Marcus Jahn an einer Zukunftshoffnung der E-Mobility: der Festkörperbatterie. So mancher Experte träumt davon, damit die Reichweiten zu verdoppeln. Jahn gibt sich vorsichtiger: „Wir sind noch Jahre von einer Serienreife dieser Batterien entfernt.“
Weniger Hitze und Kurzschlüsse
Der wesentliche Unterschied zu bisherigen Batterien ist, dass der Elektrolyt, der die Ionen leitet, durch einen Festkörper ersetzt wird, was die Gefahr von Überhitzung und Kurzschlüssen enorm reduziert. Basis ist ebenfalls Lithium. „Lithium ist für mich ein Übergangsmaterial, das wir noch einige Zeit brauchen“, erklärt Jahn.
Geforscht werde an Alternativen mit Natrium, Aluminium, Magnesium oder Kalzium. Allerdings seien Batterien mit diesen Materialien wesentlich größer und daher für die E-Mobilität nicht brauchbar. Sie eignen sich eher für Stromspeicher.
Recycling im Aufbau
Das Wiederverwerten der E-Auto-Batterien steht erst am Anfang. „Noch sind die Mengen sehr klein“, erklärt Astrid Amberger, die beim Abfallkonzern Saubermacher für das Projekt „Batterie-Recycling“ zuständig ist.
In der deutschen Saubermacher-Tochter Redux Recycling werden die ersten E-Auto-Batterien in ihre Einzelteile zerlegt und alles, was ökonomisch möglich ist, wiederverwertet – also Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan.„Dieses Gemisch verkaufen wir an Schmelzen“, sagt Amberger. Dass der Kobalt-Preis heuer stark gefallen sei, sei für das Recycling nicht hilfreich. Der Rest der Batterie – etwa das Gehäuse – wird verbrannt.
Sind die Batterien prinzipiell noch brauchbar, aber für E-Autos bereits zu schwach, kommt Second Life ins Spiel, wo die Batterien überprüft und ausgemessen werden. „Autobatterien werden ausrangiert, wenn sie nur noch 80 Prozent ihrer Leistung bringen“, sagt Second-Life-Projektleiter Reinhard Ungerböck. Dann seien sie aber noch gut genug, um im Handel als Stromspeicher angeboten zu werden.
Kobalt ist das größte Risiko
Wenn Europa ein „Big Player“ der Elektromobilität werden soll, ist es mit dem Aufbau von Batteriefabriken nicht getan. Innovatives Know-how wird wertlos, wenn das Material fehlt. Bei fünf wichtigen Rohstoffen für Batterien (Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan, Grafit) ist die EU auf Importe angewiesen. Dazu kommen Seltene Erden, die für Magneten in Elektromotoren benötigt werden. Dort hat China fast eine Alleinstellung.
Problemfall Kongo
Bei der deutschen Wirtschaft, die – spät, aber doch – die Kurve in Richtung Elektromobilität kriegen will, schrillen die Alarmglocken. In Europa gibt es zwar vereinzelt Rohstoffvorkommen (etwa Lithium und Grafit), allerdings sind die Abbaumöglichkeiten aufgrund der dichten Besiedelung eingeschränkt. Oder es fehlen überhaupt die Verarbeitungsmöglichkeiten.
Das höchste Rohstoff-Risiko gibt es laut der Beratungsfirma IW Consult bei Kobalt. 2018 hatte sich der Preis binnen weniger Monate vervierfacht. Diese extremen Ausschläge sind zwar vorbei.
Das Grundproblem bleibt aber: Fast zwei Drittel des Abbaus entfallen auf die Demokratische Republik Kongo. Diese ist alles andere als ein Hort der Stabilität und der Bergbau findet oft unter katastrophalen ökologischen wie sozialen Bedingungen statt. Amnesty International spricht von Zehntausenden Kindern, die in Kleinbergbau-Minen zum Arbeiten gezwungen seien.
Am 16. Dezember brachte eine Menschenrechtsorganisation in Washington eine Klage gegen Apple, Google, Dell, Microsoft und Tesla ein, berichtete der Guardian. Weil Kobalt in ihren Produkten (auch Smartphones) verbaut werde, hätten die Unternehmen wissentlich Verletzungen und sogar Todesfälle von Kindern im Kongo in Kauf genommen.
Die Unternehmen weisen das zurück, ein Prozess- und Reputationsrisiko bleibt. Ihre Rohstoffe kämen nur aus industriellen Großminen, behaupten die Autobauer. Oder verzichten ganz auf Kobalt aus dem Kongo: So will BMW ab 2020 den Rohstoff aus Australien und Marokko beziehen.
Überraschend storniert
Der Lithium-Abbau ist weniger konzentriert, aber auch risikobehaftet. Deutschland wollte sich ab 2022 in Bolivien bis zu 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid aus dem Salzsee Uyuni sichern.
Die Pläne wurden von der Regierung in La Paz überraschend gestoppt. Die EU-Strategie, sich über Handelsverträge Zugriff auf Rohstoffe zu sichern, stößt also auch auf politische Hürden. Umso wichtiger wird die Rückgewinnung aus Recycling, die noch in den Kinderschuhen steckt.
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