Die Westbahn konnte im Vorjahr dank neuer Strecken den Umsatz kräftig steigern und einen zweistelligen Gewinn einfahren. Die beiden Geschäftsführer Thomas Posch und Florian Kazalek erläutern im KURIER-Interview, wie sie mit Billigtickets kalkulieren, wann sie die Südbahn-Strecke in Angriff nehmen und warum sie auf neue Zug-Garnituren aus China setzen.
KURIER: Kürzlich haben die deutschen Lokführer gestreikt. Die ÖBB waren davon betroffen. Hat die Westbahn davon profitiert?
Thomas Posch: Unsere Züge sind ohne Einschränkung gefahren. Kurzfristig haben wir daher sicherlich profitiert, weil wir die einzigen Fernverkehrsverbindungen nach Deutschland angeboten haben. Wir haben sehr unbürokratisch die Möglichkeit geschaffen, dass Kundinnen und Kunden, die schon Tickets der ÖBB oder DB hatten, bei uns in den Zügen kostenlos mitfahren konnten. Wir gehen davon aus, dass die Kunden gemerkt haben, dass wir ein verlässliches Produkt anbieten.
Sie haben im Vorjahr den Umsatz um mehr als ein Drittel auf 120 Millionen Euro gesteigert. Auf welchen Strecken?
Florian Kazalek: Grundsätzlich ist unser Kerngeschäft Richtung Salzburg. Das haben wir stark steigern können. Aber ganz wesentlich war die Streckenerweiterung in Richtung München und Innsbruck. Diese haben sich im vergangenen Jahr sehr gut zu Buche geschlagen.
Schreiben Sie Gewinne?
Kazalek: Wir schrieben 2022 einen operativen Gewinn in der Größenordnung von circa 4 Millionen Euro. Für 2023 liegen wir beim Gewinn deutlich über 10 Millionen Euro.
Sie liefern sich zum Teil einen Preiskampf mit den ÖBB. Ein Ticket nach München kostet bei den ÖBB ab 25,80 Euro, Sie unterbieten das mit 23,99 Euro. Ist dieser Preiskampf nicht ruinös?
Posch: Wir sind überzeugt, dass für die Kundinnen und Kunden der Preis gar nicht so sehr im Vordergrund steht, sondern die Verlässlichkeit, Exzellenz und Herzlichkeit. Das ist unser Credo, das wir allen unseren Mitarbeitenden einimpfen. Wir setzen diese Preise sehr dosiert ein. Der Mix über alle Fahrkarten führt dazu, dass wir hier durchaus wirtschaftlich tragfähig sind.
Sie wollen bis nach Stuttgart fahren. Ab wann?
Posch: Stuttgart haben wir uns für Ende dieses Jahres vorgenommen. Wir werden hier zweimal am Tag eine doppelte Tagesrandverbindung in der Früh und am Abend anbieten. Generell ist Deutschland ein interessanter Markt, obwohl wir dort auf der infrastrukturellen Seite durchaus mit Herausforderungen konfrontiert sind.
Wann fährt die Westbahn auf der Südbahn?
Kazalek: Wir wollten das Thema ursprünglich erst dann angehen, wenn alle Tunnel fertig sind, sprich Semmering und Koralm. Die Situation, die derzeit den Kunden von unserem Mitbewerber zugemutet wird, hat uns dazu bewogen, die Sache noch mehr ins Auge zu fassen. Das ist aber sehr abhängig von der Verfügbarkeit von Fahrzeugen.
Das Unternehmen Die Westbahn ist seit 2011 auf dem österreichischen Schienennetz unterwegs. Ihre Dachgesellschaft Rail Holding AG gehört zu 49,9 Prozent der Haselsteiner Familien Privatstiftung und zu 32,7 Prozent der Augusta Holding von Sanierer Erhard Grossnigg; den Rest hält die französische Staatsbahn SNCF
Bilanz Der Umsatz 2022 betrug 89 Mio. Euro ohne Sondereffekte, 2023 wurden mehr als 120 Mio. Euro umgesetzt. Seit April 2022 fährt die Westbahn nach München, seit Dez. 2022 nach Innsbruck und seit Mitte Dez. 2023 nach Bregenz
Im Vorjahr waren rund 8 Millionen Fahrgäste mit den Zügen der Westbahn unterwegs, 35 Prozent mehr als 2022 und 20 Prozent mehr als 2019
Mit Ihren Doppelstockzügen können Sie dort aber nicht fahren?
Kazalek: Unsere Doppelstockfahrzeuge passen rein physikalisch nicht durch die alten Semmering-Tunnel. Frühestens Ende 2029 sollen die neuen Tunnel fertig sein.
Posch: Wenn Sie einen einstöckigen Zug nehmen, mit sieben bis acht Wagen, kommen Sie auch auf die Sitzplatzanzahl unserer Doppelstockzüge mit 500 Sitzplätzen. Wenn beide Tunnel fertig sind, haben Sie Fahrzeiten von Wien nach Graz und dann weiter nach Klagenfurt und Villach, die fast mit der Westbahnstrecke vergleichbar sind, nämlich im Verhältnis zur Reisezeit mit dem Auto.
Haben Sie auch auf der Südbahn Zwischenstationen geplant?
Posch: Wir würden uns dafür starkmachen, beispielsweise Mödling oder Baden zu bedienen, und hier auch Direktverbindungen anbieten. Mödling und Baden sind starke Einzugsgebiete. Wenn Sie heute von Mödling oder Baden nach Graz fahren wollen, müssen Sie mit dem Regionalzug nach Wiener Neustadt fahren und dort in den Railjet der ÖBB umsteigen.
Aber woher würden Sie jetzt diese Garnituren für diese Strecke nehmen?
Kazalek: Das ist genau der Punkt. Alle großen Staatsbahnen decken die europäischen Hersteller mit Bestellungen ein. Es ist fast unmöglich, gebrauchte oder schnell verfügbare Triebfahrzeuge am Markt zu finden. Das heißt, es gibt kaum Möglichkeiten, auszuweichen. Es hapert im ersten Schritt an einer kurzfristigen Lösung bei den Fahrzeugen.
Sie haben schon vor längerer Zeit vier Garnituren beim chinesischen Hersteller CRRC bestellt. Wann werden sie geliefert?
Kazalek: Es gibt einen Verzug von mehr als zwei Jahren gegenüber dem ursprünglichen Plan. Wir erwarten, dass wir sie im Laufe des nächsten Jahres in Betrieb nehmen können.
Diese Triebzüge haben aber noch keine Zulassung?
Kazalek: Wir rechnen damit, dass das Zulassungsverfahren bei der Europäischen Eisenbahnbehörde, das vom Hersteller CRRC initiiert wird, nächstes Jahr abgeschlossen wird. Die Fahrzeuge sind auf Testfahrten schon in Deutschland und Österreich unterwegs.
Die europäischen Hersteller sind sehr alarmiert, dass nun chinesische Konkurrenz in Europa in den Markt eintritt. Kazalek: Die Hersteller haben keine Freude mit zusätzlicher Konkurrenz. Aber es gibt auch immer weniger europäische Hersteller. China ist der weltweit größte Schienenfahrzeughersteller und was den Eisenbahnmarkt betrifft, mittlerweile in einer Geschwindigkeit unterwegs, davon können wir in Europa nur träumen. Was die Qualität der Fahrzeuge betrifft, vor allem im Hochgeschwindigkeitsbereich, da gibt es nichts zu meckern, und wir setzen auf dieses Produkt.
Posch: Es gibt einen massiven Fahrzeugbedarf in Europa. Wir wollen ja die Mobilitätswende schaffen. Wir sind daher völlig neutral in dieses Thema hineingegangen. Die Konkurrenz aus China wird die europäische Schienenfahrzeugindustrie beflügeln, hier rascher und vielleicht doch ein stückweit kostengünstigere Lösungen anzubieten. Davon profitieren auch die Bahnen.
Wie gut ist die neue Verbindung nach Vorarlberg ausgelastet?
Kazalek: Deutlich über unseren Erwartungen. Wir sind erst im Dezember angetreten, und wir haben ganz ehrlich nicht die perfekte Fahrtdauer.
Posch: Wir fahren eine Dreiviertelstunde länger als die ÖBB, weil wir die Trassen erst nachträglich angemeldet haben und nur jene Slots bekommen haben, die nicht genutzt werden. Wir wollen diesen Fahrzeitnachteil ab Dezember mit neuen Slots kompensieren. Ziel ist, eine Stunde schneller zu sein.
Sie haben vor längerer Zeit die Westbahn Hungaria gegründet. Wann fahren Sie eigentlich nach Budapest?
Kazalek: Unsere Tochtergesellschaft ist derzeit mit Erlangung der Konzession in Ungarn beschäftigt, die wir für heuer erwarten. Die momentane Fahrzeugflotte ist aber nicht in Ungarn einsatzfähig aufgrund unterschiedlicher Stromsysteme. Die Fahrzeuge, die das können, sind die Fahrzeuge des chinesischen Herstellers CRRC, die können sowohl in Österreich, in Deutschland und in Ungarn eingesetzt werden.
Werden Sie zusätzlich Personal einstellen, und wie finden Sie es?
Posch: Wir werden heuer um circa 20 Prozent wachsen. Aktuell haben wir ca. 300 Mitarbeitende, Ziel sind etwas mehr als 350. Primär in den kundenrelevanten Bereichen, was Crew und Stewards betrifft, aber auch Triebfahrzeug-Führende.
Kazalek: Bei den Lokführern kommen wir nicht drum herum, laufend auszubilden. Wir bieten jedes Jahr mindestens ein, zwei Kurse an. Wir rekrutieren Leute, die den Beruf Lokführer erlernen wollen. Das ist ein relativ aufwendiges Verfahren. Bis ein Lokführer für uns fährt, dauert es mindestens neun Monate inklusive Ausbildung und Praxis-Fahrten. Die Leute werden von uns aber schon während der Ausbildung bezahlt.
Kommentare