Welche guten Nachrichten der IHS-Chef für uns parat hat
„Österreichs Wirtschaft hat sich als widerstandsfähiger erwiesen, als man vor einem Jahr oder halben Jahr gedacht hat. Wir haben uns auf einem relativ hohen Niveau stabilisiert“, sagt Klaus Neusser im KURIER-Gespräch.
Der Leiter des Instituts für Höhere Studien wartet mit durchaus guten Nachrichten in unsicheren Zeiten auf. Er streicht den Arbeitsmarkt hervor, nennt aber auch andere Faktoren, die helfen sollten, Zukunftsängste in der Bevölkerung zumindest zu lindern.
Der massive Aufholprozess nach der Pandemie habe sich bis ins 3. Quartal 2022 fortgesetzt, das 4. Quartal dürfte ebenfalls stärker ausfallen als erwartet. Und auch heuer sei nach einer Delle im ersten, zweiten Quartal insgesamt ein „kleines Plus“ möglich.
Am ehesten treffe wohl der Begriff „Stagnation“ zu. Aber, und das sei entscheidend, ohne dass es zu größeren Entlassungswellen kommen werde. Dazu sei der Arbeits- und Fachkräftemangel zu massiv.
Die gute Nachricht
Neusser: „Das ist die gute Nachricht: Früher hätte man bei einer Stagnation einen massiven Einbruch auf dem Arbeitsmarkt erwarten können, aber danach schaut es derzeit gar nicht aus.“
Inflation sinkt von 8,5 auf rund 5 Prozent
Was die Inflation betrifft, so rechnet Neusser – optimistischer als andere Experten – mit einer Jahresteuerung 2023 von rund fünf Prozent. Freilich dürfe man die Veränderung der Preise nicht mit dem erreichten Preisniveau verwechseln. „Die Inflationsrate geht zurück, aber das Leben bleibt natürlich für die meisten Menschen teuer. Aber, die gute Nachricht, es kommt nicht mehr dazu, die Energiepreise werden nicht mehr weiter steigen. Auch an den Tankstellen sinken die Preise.“
Mehr Netto am Konto
Sehr positiv sei laut Neusser auch, dass jetzt die Entlastungsmaßnahmen der Regierung und die Lohnabschlüsse aus dem Herbst zu wirken beginnen. „Für viele kommen die Lohnauszahlungen erst Ende Jänner, auch die höheren Pensionen. Netto kommt also deutlich mehr aufs Konto. Das müsste die Stimmung heben.“ Auch die Indikatoren für Konsumentscheidungen hätten sich seit Jahresbeginn schon gebessert. Neusser: „Aber der typische Österreicher jammert halt gern auf hohem Niveau. Wir gehören zu den reichsten Ländern der Welt. Und auch gegenüber Deutschland haben wir 2022 sehr gut abgeschnitten und unseren Haupthandelspartner überflügelt.“
Zinsen steigen kräftig
Für Kreditnehmer problematisch seien die Zinsen, die im Kampf gegen die Inflation weiter stark erhöht werden müssten. „Bei einer Inflation von fünf oder mehr Prozent müssen die Zinsen schon auf sechs oder sieben Prozent steigen, damit man wirklich einen Effekt bei der Nachfrage sieht. Aber mit diesem Niveau rechne ich in diesem Jahr eigentlich nicht.“
In der nun kommenden Phase der Stagflation, also Stagnation plus Inflation, sei wichtig, dass der Staat die Teuerung nicht mit weiteren Hilfspaketen anheize. „Es ist schon sehr viel Geld versprochen oder ausgezahlt worden. Dabei würde ich es belassen.“
In Strukturwandel investieren
Die nächsten Schritte müssten auf der Angebotsseite passieren. Von der Forschung bis zur Digitalisierung und Energiewende sollte „in den nötigen Strukturwandel investiert“ werden, sagt der IHS-Chef. „Wir müssen den technologischen Fortschritt voran treiben. Das sichert langfristig den Wohlstand.“
Auch das Thema „Länger Arbeiten“ falle hier herein, so Neusser. Freilich ändere das von der Regierung angekündigte Auslaufen der geblockten Altersteilzeit nichts am Gesamtproblem der Frühpensionierungsmentalität in Österreich.
Flexible Arbeitszeit
Um Menschen für das Weiterarbeiten in der Pension zu motivieren, sei ein breiter Mix aus Steueranreizen und flexibleren Arbeitszeitmodellen nötig, wie etwa die skandinavische Teilpension. „Das muss sich für Betriebe und Arbeitnehmer viel mehr lohnen. Ich war ja auch schon in der Pension und bin wieder geholt worden. Das ist für mich eine sehr wertvolle Erfahrung. Was ich aber mit meinen 68 Jahren in die Pensionsversicherung einzahle, bringt mir für meine Pension überhaupt nichts.“
Würde es sich materiell mehr lohnen, würden bestimmt viele Arbeitnehmer eine Zeit lang weitermachen, allein schon aufgrund der sozialen Kontakte im Job. „Das würde auch den Betrieben helfen, denn heute geht mit der Pensionierung eines Beschäftigten immer schlagartig viel Know-how und Erfahrung verloren. Heute ist das viel zu sehr Hopp oder Drop.“
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