Was heißt ... Staatsbankrott?

Was heißt ... Staatsbankrott?
Nicht immer gehen die Staaten mit den höchsten Schulden pleite. Dass es Griechenland trifft und nicht etwa Japan hat mehrere Gründe.

Staatspleiten kommen öfter vor, als man denkt: Der Internationale Währungsfonds (IWF) zählt mehr als 260 Fälle allein seit 1824. Historisch waren meist Kriege, Finanz- oder Währungskrisen der Grund, warum Staaten zahlungsunfähig wurden.

Wann ist ein Staat pleite? Wenn er eine offene Zahlung an einen Kreditgeber nicht rechtzeitig oder nicht vollständig begleicht. Festgestellt wird das in der Regel von Ratingagenturen, die dann die Bonität auf "Default" (Zahlungsausfall) abstufen.

Staatsbankrott: Die Pleite-Kaiser der Weltgeschichte

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ARCHIVBILD russ. Präsident Boris Jelzin
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To match Insight DIASPORA/BONDS
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GREECE FINANCIAL CRISIS
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Voters walk while carrying an umbrella with the co
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GERMANY MUSEUMS
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Schloss Schönbrunn, Gewitterwolken…
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Erste Ausstellung zur Wirkung Hitlers
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A woman in a pig mask holds the Mexican flag durin
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Worker checks currency sheets during media visit t
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CHILE HERITAGE DAY
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A girl wearing a dress with the colours of Costa R
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A man walks past big samples of Venezuelan bank no
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An Ecuadorean Indian woman walks past a state bank

Ein Industriestaat, der pleite geht und das noch dazu mitten in Europa: Damit ist Griechenland ein Novum. Aber warum steht Hellas am Abgrund und nicht etwa Japan, das noch viel höher verschuldet ist (siehe nachfolgende Tabelle)?

Was heißt ... Staatsbankrott?

Der Schuldenstand spielt zwar eine Rolle dabei, ob ein Staat pleite geht oder nicht. Er ist aber nicht allein ausschlaggebend. Praktisch alle Staaten der Welt sind unterm Strich mehr oder minder stark verschuldet. Müssten sie ihre Verbindlichkeiten sofort und komplett zurückzahlen, wären sie ebenfalls pleite: Auch Österreich könnte seine rund 280 Milliarden Euro Schulden nicht locker begleichen.

Das ist aber auch gar nicht nötig. Denn im Normalfall schieben die Staaten ihren Schuldenberg immer weiter vor sich her. Das heißt, dass für jene Anleihen (Schuldverschreibungen), die zur Rückzahlung anstehen, einfach neue Schuldpapiere aufgelegt werden. Das funktioniert allerdings nur, solange die Geldgeber bereit sind, neuen Kredit einzuräumen.

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Keine Kredite mehr

Und genau da war für Griechenland im Frühjahr 2010 das Ende der Fahnenstange erreicht. Mit böser Spekulation hatte das nichts zu tun: Als die getricksten Budgetzahlen früherer Regierungen ans Tageslicht kamen, glaubten die Finanzmärkte schlicht nicht mehr, dass Athen all seine Schulden zurückzahlen kann. Zu Recht, wie wir inzwischen wissen.

In Großbritannien kann die Bank of England jederzeit genügend Pfund drucken, um die Schulden (in eigener Währung) im Ausland zu bezahlen. Übertreibt sie es, handelt sie sich Inflation ein – die Pfundnoten sind dann weniger wert, aber das ist dann das Problem des Geldgebers. Zumindest für den Moment – denn die Bereitschaft für neue Kredite wäre dann eher begrenzt.

Den Griechen steht diese Option aber gar nicht offen. Als Teil der Eurozone können sie nicht die Notenbank auffordern, die virtuellen Druckerpressen anzuwerfen. Denn diese sitzt in Frankfurt, heißt Europäische Zentralbank und ist dem Zugriff der Nationalstaaten entzogen. Für die Griechen ist der Euro in diesem Sinn also praktisch eine Fremdwährung.

Die Budgetlücke bleibt

Was aber, wenn Athen erklärt hätte, dass es seine Schulden einfach nicht zurückzahlt? Das hätte 2010 vermutlich die Eurozone zerrissen, denn die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit drohten schon auf Spanien und Italien überzugreifen. Und: Den Griechen wäre ein harter Sparkurs dennoch nicht erspart geblieben. Athen hätte nämlich keine Geldquelle gehabt, um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Allein 2010 fehlten (ohne Schulden- oder Zinszahlungen, wohlgemerkt) ganze 11,3 Milliarden Euro in der Kasse, um etwa Beamtengehälter oder Pensionen zu zahlen. Somit sprangen die anderen Euroländer und der IWF in die Bresche und borgten Athen Geld. Die Schuldenquote (in Prozent des BIP) stieg dadurch zwar weiter an. Das Leben wurde Griechenland dennoch erleichtert – Troika hin oder her. Der Staat erhielt so nämlich mehrere Jahre Zeit, die Budgetlücke zu schließen. Die Zinskonditionen sind viel günstiger als im Markt, sodass die laufende Belastung für Griechenland relativ gering ist – und einen Schuldenschnitt privater Geldgeber von gut 100 Milliarden Euro gab es obendrein. Dass seither so gut wie alles schief gelaufen ist, steht auf einem anderen Papier.

Bleibt der Sonderfall Japan: Trotz fast 250 Prozent Staatsverschuldung können die Asiaten sich immer weiter verschulden. Wie das? Es sind fast nur Japans Bürger, die ihrem Staat das Geld borgen. Solange sie diesem das Vertrauen schenken, kann das Pyramidenspiel weiterlaufen. Fazit: Wer vorhat, sich immer weiter zu verschulden oder Forderungen nicht zu bedienen, sollte tunlichst kein Geld im Ausland leihen, nicht in fremder Währung und schon gar nicht nach ausländischem Recht.

Mahnmal Argentinien

Ein besonderes Kunststück brachten 2011 und 2013 die USA zustande: Sie wären um ein Haar in die Pleite geschlittert, obwohl es gar keinen Anlass gab. Das hatte rein innenpolitische Gründe: In den USA gibt es eine gesetzlich festgelegte Verschuldungsobergrenze. Die oppositionellen Republikaner verweigerten US-Präsident Barack Obama eine Anhebung. Somit wäre es fast zu einem Zahlungsausfall gekommen.

Welche Auswege gibt es aus der Schuldenfalle? Leider fehlt noch immer ein Insolvenzrecht für Staaten, das ein klares Prozedere festlegt. Einen Vorstoß gab es 2002 beim IWF, daraus wurde aber nichts. Somit sind Staaten auf den guten Willen der Gläubiger angewiesen. Im sogenannten Londoner Club wird mit Banken, im Pariser Club mit anderen Staaten verhandelt. Einseitig die Pleite zu erklären ist meist keine gute Idee: Argentinien schlägt sich bis jetzt mit Klagen wegen seiner Pleite von 2001 herum. Sogenannte Geierfonds machen ihr Geschäft nämlich damit, dass sie die Schuldpapiere pleitegefährdeter Staaten mit hohen Abschlägen aufkaufen und dann vor Gericht die Rückzahlung der gesamten Summe einklagen. Das bringt keine Sympathien, aber nicht selten Profit von 50 Prozent oder mehr. Zimperlich sind die Fonds nicht: Bei Argentinien schreckten sie nicht einmal davor zurück, ein Marineschiff und das Präsidentenflugzeug beschlagnahmen zu lassen.

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