Problemzone Stahlindustrie

Bei ThyssenKrupp in Deisburg könnte bald Tata regieren
Die Fusion der Riesen ThyssenKrupp und Tata könnte den Abbau von Überkapazitäten in Europa beschleunigen.

Die geplante Fusion der Stahlsparte des deutschen ThyssenKrupp-Konzerns mit dem indischen Stahlkocher Tata Steel könnte die seit Langem geforderte Rücknahme von Stahl-Überkapazitäten in Europa einläuten. Allerdings anders, als es sich die Befürworter dieser Konsolidierung wünschen.

Denn wenn Tata Steel die Mehrheit an ThyssenKrupp-Stahl übernimmt, könnten – befürchten die Belegschaftsvertreter – an sich gut ausgelastete Standorte in Deutschland von der Schließung bedroht sein. Denn Tata verfügt auch über große Werke in Großbritannien und in den Niederlanden. Diese sind zwar weniger rentabel als die ThyssenKrupp-Standorte. Weil aber Stahlwerke immer mit Tausenden Arbeitsplätzen verbunden sind, könnten aus "politischen Gründen" die unrentableren Werke überleben. Und der eine oder andere deutsche Standort würde geschlossen.

Abseits von den aktuellen Fusionsplänen in Deutschland kommt die europäische Stahlindustrie immer stärker unter Druck. Auf der einen Seite drücken Billig-Importe aus China auf die Preise. Trotz erster Antidumpingmaßnahmen waren die chinesischen Stahlexporte in die EU 2016 mit sechs Millionen Tonnen doppelt so hoch wie noch 2013.

Hauptproblem China

Tendenz steigend: Die Überkapazitäten in China sind mit 360 Millionen Tonnen deutlich höher als die Gesamtkapazitäten (rund 210 Millionen Tonnen) in ganz Europa. Der geplante Abbau geht nur schleppend voran, Experten erwarten, dass China 2020 noch immer 300 Millionen Tonnen zu viel Stahl produziert. Der Druck von Billig-Exporten nach Europa bleibt weiter aufrecht.

Ein neues Problem kommt auf die EU-Stahlkocher aus den USA zu. Die neue Regierung unter Donald Trump will einheimischen Stahl bevorzugen und hat bereits Strafzölle gegen europäische Hersteller – darunter auch die voestalpine – verhängt. Die Trump-Administration wirft den Europäern vor, Stahl unter ihren eigenen Produktionskosten zu verkaufen. Eine Verschärfung der US-Politik würde nicht nur die Exportmenge in die USA verringern: Stahl, der derzeit für den US-Markt bestimmt ist, könnte wie in den vergangnen beiden Jahren praktisch auf Umwegen wieder in Europa auf den Markt kommen.

Überkapazitäten

Das dritte große Problem der europäischen Stahlindustrie ist die europäische Stahlindustrie selbst. Sie sitzt auf Produktionskapazitäten von rund 210 Millionen Tonnen, braucht aber nur rund 170 Millionen Tonnen. Diese Überkapazitäten müssen schleunigst abgebaut werden, fordert Voest-Chef Wolfgang Eder – in seiner früheren Funktion als Präsident des Weltstahlverbandes und auch als einstiger Chef des europäischen Stahlverbandes Eurofer. Ansonsten sei mittelfristig jeder fünfte der rund 350.000 Stahlarbeiter-Jobs gefährdet. Der Konsolidierungsprozess kam bisher allerdings noch nicht wirklich in Schwung. Zusätzlich zur Konsolidierung müsse statt Billigprodukten die Konzentration auf hochwertigen Stahl kommen.

Ein in der EU hausgemachtes Problem sieht die Branche in der verschärften europäische Umweltpolitik. Würde der CO2-Ausstoß weiter reduziert und der Preis für die CO2-Zertifikate auf ein Mehrfaches steigen, sei langfristig die gesamte Branche in Europa gefährdet.

Branchen-Riese

Kommt die Fusion ThyssenKrupp/Tata, entsteht dadurch hinter Marktführer Arcelor Mittal (95,5 Millionen Tonnen Jahresproduktion) ein neuer Riese, der mit 41,7 Millionen Tonnen gemeinsam mit dem südkoreanischen Konzern Posco weltweit auf Platz 5 läge.

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