Warum Leiharbeiter nicht mehr Leiharbeiter heißen dürfen

Die Zahl der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche steigt wieder stark an
Um sich von unseriösen Praktiken in der Branche abzugrenzen, sollen neutralere Begriffe verwendet werden. Das wird schwierig.

Die Leiharbeiter: Während der Corona-Pandemie wurden sie zum Synonym für Lohndrückerei und Sozialdumping. Die Vorfälle in deutschen Schlachthöfen sowie bei Hygiene Austria in Niederösterreich warfen ein schiefes Licht auf eine Branche, die längst wichtiger Teil des Arbeitsmarktes ist – und sich zu Unrecht am Pranger fühlt. „Die Vorfälle bei Hygiene Austria waren erschütternd, haben mit der Zeitarbeit aber nichts zu tun. Hier handelt es sich um Scheinfirmen, die in kalkulierter Betrugsabsicht handeln“, betont Heidi Blaschek, Bundesvorsitzende der Personaldienstleister in der Wirtschaftskammer (WKO) im KURIER-Interview.
 

Neues "Wording"

Um sich von illegalen Machenschaften abzugrenzen, haben sich WKO und Gewerkschaft in seltener Eintracht jetzt auf ein „neues Wording“ geeinigt. Gemeinsam lehnen sie die Bezeichnung „Leiharbeiter/in, Leiharbeitsfirmen oder Personalleasing“ ab, weil diese in der Branche durchgehend als abwertend empfunden werden. Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Mazal hält den Begriff für „grundsätzlich falsch und irreführend“. Geliehen könnten rein rechtlich gesehen nur Sachgüter werden, nicht jedoch Menschen. „In der Arbeitskräfteüberlassung geht es aber um Menschen, die einen sehr wichtigen Teil des Arbeitsmarktes abdecken“, so Mazal. Er hält es daher für unerlässlich, andere Begriffe zu verwenden.

Warum Leiharbeiter nicht mehr Leiharbeiter heißen dürfen

Menschen können nicht wie Gegenstände "verliehen" werden

Überlassene Arbeiter

Blaschek will auf allen Dokumenten die Leiharbeit durch neutrale Begriffe wie „überlassene Arbeiter“, „Zeitarbeiter“, „Arbeitskräfteüberlasser“ oder „Personaldienstleister“ übersetzen. Besonders wichtig sei ihr das in der journalistischen Berichterstattung, betont sie.

Die Branchensprecherin verweist auf die betriebliche Gleichstellung zwischen Stammbelegschaft und Zeitarbeitskräfte, die im Arbeitskräfteüberlassungs-Gesetz verankert ist. Unterschiede gibt es trotzdem. So werden überlassene Arbeitskräfte als Sachaufwand verbucht und es gelten kürzere Kündigungsfristen. Diese steigen nach der jüngsten Sozialpartnereinigung zwar 2023 von zwei auf drei Wochen, eine Gleichstellung mit den Angestellten gibt es jedoch erst nach eineinhalb Jahren in einer Firma.

Warum Leiharbeiter nicht mehr Leiharbeiter heißen dürfen

Heidi Blaschek, Vorsitzende der Personaldienstleister in der WKO

Gewerkschafter Thomas Grammelhofer (ProGe) trägt das neue Wording mit, ganz trennen will er sich vom „Leiharbeiter“ aber nicht. Die ProGe-Info-Seite leiharbeiter.at werde weiterhin so heißen. Auch die Politik und die Gerichte würden Leiharbeiter sagen, gibt Grammelhofer zu Bedenken. Und nicht alle Arbeitgeber seien schon auf das neue "Wording" eingeschworen und würden durchaus von ihren Leiharbeitern sprechen, wenn sie nicht die Kernbelegschaft meinen.

98.000 Beschäftigte

Von den 109.000 offenen Stellen beim AMS entfällt jeder dritte auf die Zeitarbeit. Nach dem Corona-Einbruch im Vorjahr gehen die Beschäftigtenzahlen wieder steil bergauf. Ende Mai beschäftigte die Branche wieder 98.000 Menschen, um fünf Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen in der Branche ging um ein Drittel auf 30.000 zurück. „Wir sind jetzt nach der Krise so etwas wie die Jongleure am Arbeitsmarkt“, meint Blaschek. Viele Arbeitnehmer hätten sich neu orientiert und würden die Branche wechseln. „Die Zeitarbeit ist eine gute Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren.“

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