Warum Kurzstreckenflüge umweltfreundlicher als Langstreckenflüge sind
In die Debatte rund um Kurzflugstreckenverbote und Mindestpreise für Flugtickets schaltet sich jetzt auch der Luftfahrtexperte und Chef des oberösterreichischen Luftfahrtzulieferers FACC, Robert Machtlinger, ein. Mit für Fluggegner eher ernüchternden Erkenntnissen.
Kein Erfolg
Ob es weiterhin Kurzstrecken geben werde, würde der Markt selbst regeln. „Man kann sie zwar verbieten, doch hat die Vergangenheit gezeigt, dass Verbote nicht den gewünschten Erfolg bringen“, sagt Machtlinger. Erst, wenn man mit dem Auto oder der Bahn sein Ziel besser erreichen könne, werde keiner mehr in ein Flugzeug steigen.
Man müsse die Diskussion um die Auswirkungen von Kurzstreckenflügen zurechtrücken, so Machtlinger: In Europa sind 25 Prozent aller Flüge Kurzstreckenflüge. Sie würden aber „nur“ sechs Prozent der Umweltbelastung des Gesamtflugaufkommens ausmachen. „Es sind meist Kurzstreckenflugzeuge, die leichter, effizienter und mit einer Auslastung von mehr als 80 Prozent gut gefüllt sind“, sagt Machtlinger.
Nicht schlechter als Pkw
Auf die Langstrecke entfallen laut dem FACC-Chef nur sechs Prozent aller Flüge, sie seien jedoch für 40 Prozent aller globalen Emissionen im Flugverkehr verantwortlich. Die großen Flieger sind laut Machtlinger in der ersten Phase des Flugs schwerer und würden in dieser mehr Sprit verbrauchen. „Eine Gegenüberstellung zeigt also, dass man die Gesamtsituation betrachten muss“, sagt Machtlinger.
Ein anderer Vergleich macht das noch deutlicher: Moderne Flugzeuge verbrauchen auf der Kurzstrecke auf 100 Kilometer pro Person 2,3 Liter Kerosin. „Da ist man genauso unterwegs wie in einem Pkw mit drei Leuten, wenn dieser 6,9 Liter verbraucht.“ Der gewünschte Effekt werde mit einem Verbot von Kurzstreckenflügen also nicht erreicht. Das Thema gebe es übrigens nur in Europa, in den USA oder Asien praktisch gar nicht.
Soziale Gerechtigkeit
Auch Mindestpreise betrachtet Machtlinger skeptisch: „Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.“ Leute mit höherem Einkommen werden dann auch noch in Zukunft fliegen können, Leute mit niedrigerem Einkommen nicht. Außerdem würde nicht jedes Ticket bei einem Billigflieger „nur 20 Euro“ oder weniger kosten, es gebe auch teurere Tickets.
Der Flugverkehr insgesamt ist laut Machtlinger für 2,7 Prozent des weltweiten -Ausstoßes verantwortlich. Das Ziel der Branche sei es, bis 2030 -neutral zu sein. Um das zu erreichen, sei schon viel passiert. „Moderne Flugzeuge sind um 20 bis 25 Prozent effizienter als ihre Vorgängermodelle“, sagt Machtlinger. Wenn alle Flugzeuge, die älter als zehn Jahre sind, durch neue ersetzt würden, wäre die weltweite Flugzeugflotte um 20 Prozent umweltfreundlicher.
Zahl der Flugzeuge steigt
Triebwerkstechnik und Aerodynamik hätten sich verbessert, die Flugzeuge seien leichter und die Streckenführung optimiert worden. Mit Hilfe von synthetischem Treibstoff – durch dessen Produktion gebunden wird, das dann beim Flug wieder freigegeben wird – soll -Neutralität erreicht werden.
Fliegen wird auch langfristig noch ein Thema sein, glaubt der FACC-Chef. Bis 2039 sollen 40.000 neue Flugzeuge auf den Markt kommen. Ursprünglich wurde das für 2038 prognostiziert, die Covid-Pandemie hat das nur um ein Jahr zurück revidiert. Zählt man die Flugzeuge dazu, die bereits existieren und 2039 noch in der Luft sein werden, kommen die Prognosen auf rund 50.000 Flugzeuge. Das wäre mehr als doppelt soviel als heute. Derzeit gibt es weltweit 22.000 Flugzeuge.
Reiselust steigt
Der Drang zum Reisen ist jetzt während des Ausklingens der Corona-Pandemie wieder stärker zu spüren, bei internationalen Flügen wird das aber noch ein bisschen dauern, sagt Machtlinger. In Asien sei das Passagieraufkommen wieder auf Vorkrisenniveau, in den USA bei rund 80 Prozent, Europa hinke mit 65 Prozent noch hinterher – wegen der unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Ländern. Erst ab 2023 oder 2024 werde der Flugverkehr wieder das Vorkrisen-Ausmaß erreichen.
FACC hat die Einbrüche im Luftverkehr 2020 mit einem Umsatzrückgang von 800 auf 530 Millionen Euro gespürt. 2021 werde mit rund 500 Millionen Euro Umsatz relativ stabil bleiben, auch FACC werde erst in zwei bis drei Jahren wieder an 2019 anschließen können.
Schwieriges Jahr
Das Unternehmen will die laufenden Effizienzprogramme in den nächsten Monaten fortsetzen. Nach dem schwierigen Pandemiejahr 2020 fährt FACC ein striktes Kosten- und Liquiditätsmanagement. Ein Schlüssel für baldiges Wachstum ist laut Machtlinger die Optimierung der Lieferketten und eine Reduktion der Lagerbestände. Der Mitarbeiterstand verringerte sich binnen Jahresfrist von 3.361 auf 2.528.
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