Warum die Börsen Trump so lieben

Nur Wachstum zählt: Die Aussicht auf schnelle Gewinne beflügelt derzeit die Fantasien der Börsianer – auf längere Sicht sieht es düsterer aus.

Viele hätten erwartet, dass die Börsen abstürzen, wenn der unberechenbare Donald Trump US-Präsident wird. Das Gegenteil ist geschehen, die Aktienkurse sind steil gestiegen. Ist das Urteil über den 45. Präsidenten somit gesprochen? Erteilen die Märkte seinem Kurs die Absolution?

  • Minuspunkt: Überhitzung

Trump verspricht, das Wachstum der US-Wirtschaft auf 3,5 bis 4 Prozent zu steigern. "Kurzfristig ist das natürlich möglich", sagt Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Börsianer reizt diese Aussicht auf schnelles Geld. Aber anders als die Europäer haben die USA den Krisenmodus bereits hinter sich gelassen. Fichtner: "Ich glaube nicht, dass das eine anhaltende Stimulierung wäre." Das lasse ein "Strohfeuer" erwarten.

  • Pluspunkt: Infrastruktur

Viel zu tun für den Tycoon: Die Straßen sind marod, die Wasser- und Gasleitungen undicht, das Stromnetz ist antiquiert. "Bei der Infrastruktur kann Trump viel gelingen", glaubt Friedrich Strasser von der Wiener Privatbank Gutmann, der die USA häufig bereist. "Es gibt unglaublich viel Geld der Pensionskassen, die hier investieren wollen."

  • Pluspunkt: Re-Industrialisierung

Ein Plus mit Abstrichen. Das Ziel, die Industrie zu beleben, wäre goldrichtig. Es gelingt aber nur, wenn sich die US-Betriebe im internationalen Wettbewerb behaupten – und nicht, weil sie der Präsident zwingt, in den USA zu produzieren. Dieser Schuss ginge nach hinten los: Die Preise würden steigen. Und das Jobwunder bliebe aus, weil die Firmen die höheren Lohnkosten abfedern müssten. Der "Feind" des US-Arbeiters sei nicht der Chinese, sondern ein Roboter, sagt Strasser.

  • Minuspunkt: Fachkräfte

Die größte Sorge der IT-Bosse ist, dass es Trump mit der restriktiven Zuwanderungspolitik ernst meint. Was wäre das Silicon Valley ohne Inder und andere Asiaten? Den USA fehlen Fachkräfte, sie könnten auf qualifizierte Zuwanderer nicht verzichten. Sogar in Mexiko sei das Ausbildungsniveau besser als in vielen Teilen der USA, sagt Strasser.

  • Pluspunkt: Steuern

Die Unternehmenssteuern sind mit 35 Prozent zu hoch. Allerdings werden sie derzeit von kaum einem Unternehmen bezahlt. Wenn es gelingt, die Basis zu verbreitern und den Steuersatz auf 15 oder 20 Prozent zu senken, wäre das ein kräftiger Anreiz. Bei den Hunderten Steuermilliarden, die US-Firmen im Ausland bunkern, könnte Trump mit Lockangeboten viel zurückholen. Was jedoch neue Konflikte mit der EU auslösen würde, Stichwort Apple-Steuerstreit.

  • Minuspunkt: Umwelt

Bei steigenden Ölpreisen wird die Förderung aus Schiefergestein ("Fracking") wieder attraktiver. Sogar den Kohleabbau will Trump neu beleben. Aber selbst, wenn man wie er den Klimawandel ignoriert: die Ökobilanz wäre desaströs.

  • Minuspunkt: Strafzölle

Handelshürden sollen die Billigimporte aus China oder Mexiko bremsen. Als Präsident hat Trump recht freie Hand, Strafzölle zu verhängen. Der Trugschluss: Es klingt gut, wenn jedes Land seine legitimen Interessen verteidigt. Die anderen werden aber nicht mitspielen und sich wehren, was allen schadet.

  • Minuspunkt: Preise

Überhitzt die Wirtschaft, steigen die Löhne und Preise. Dann muss die US-Notenbank, wie sie soeben gezeigt hat, mit höheren Zinsen gegensteuern. Das schadet aber der Wirtschaft. Und auch der starke Dollar kommt Trump in die Quere: Er vergrößert das US-Handelsdefizit, das dieser eigentlich verringern möchte.

  • Minuspunkt: Schulden

Die US-Staatsschulden machen schon 108 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Viel Spielraum bleibt da nicht.

Wie sich Trumps Pläne auswirken würden, hat Goldman-Sachs-Ökonom Jan Hatzius plausibel durchgerechnet: Kurzfristig schieben die Mehrausgaben zwar das Wachstum an, schon Ende 2018 dreht der Effekt aber ins Negative. Und die Arbeitslosigkeit würde ab Mitte 2020 rascher steigen als zuvor.

  • Fazit:

Der 45. US-Präsident verfolgt widersprüchliche Ziele – langfristig kann das Kalkül nicht aufgehen.

Donald Trump dürfte recht bald Gelegenheit haben, sich kräftig auf die Schulter zu klopfen. Die Folgen seines Wirtschaftskurses werden rasch nach dem Amtsantritt sichtbar sein. Kein Wunder: Fast alles zielt auf den raschen Erfolg ab. Genau deshalb jubeln die Börsen seit der Wahl, als gäbe es kein Morgen.

Natürlich wird es das Wachstum ankurbeln, wenn Milliarden Dollar in die Infrastruktur gesteckt werden. Wenn die USA auf Teufel komm raus Kohle, Gas und Öl aus dem Boden pressen und die Steuern massiv senken. Das schafft kurzfristig Jobs für geringqualifizierte Amerikaner. Und wenn Trump China öffentlichkeitswirksam als Währungsbetrüger abkanzelt, ist ihm Beifall sicher.

Das Problem ist: Die Ernüchterung wird folgen. Ökonomen haben berechnet, wie sich der Trump-Kurs – mit realistischen Annahmen – längerfristig auswirken wird. Fazit: Das ist ein "Strohfeuer", denn schon nach zweieinhalb Jahren dreht die Bilanz ins Negative. Günstig für Trump, denn dann sind die Halbzeitwahlen für den Kongress schon geschlagen.

Das Ziel jeder verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik sollte sein, aus wenig Mitteln viel herauszuholen. Und das sollte für Steuergeld ebenso gelten wie für wertvolle Ressourcen wie Öl, Wasser, Energie. Trumps Devise ist simpler, sie lautet Wachstum, Wachstum, Wachstum. Ebenso rückwärtsgewandt ist seine Ministerriege. Sie besteht fast durchwegs aus Männern, die in Industriemustern der 1980er-Jahre verhaftet sind: Öl, Stahl, Militär. Keine Spur von Innovation, Hightech oder Nachhaltigkeit. Die Folgen müssen die Kinder bezahlen (Schulden) oder sie werden der Umwelt (und somit allen) aufgebürdet. Aber das ist Trump wie allen Populisten egal. Deren Motto ist insgeheim immer: Nach uns die Sintflut.

(Hermann Sileitsch-Parzer)

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