Aus moralisch-ethischer Sicht eine strittige Entscheidung. Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko ist Putins engster Spieß- und Mordgeselle im Krieg gegen die Ukraine. Von belarussischem Terrain werden die Raketen Richtung Ukraine abgefeuert. Ausgerechnet ein Unternehmen, an dem der österreichische Staat maßgeblich beteiligt ist (28 Prozent) macht dort gute Geschäfte und wurde auf Geheiß von Lukaschenko zu Internet-Blockaden gezwungen.
Man sei sich der politischen Rahmenbedingungen und der Menschenrechtsthematik sehr bewusst, argumentiert die Telekom, sehe aber gleichzeitig den Einfluss, „den unser Engagement bewirkt“. Ein Rückzug würde „nur die Bevölkerung und unsere 2300 Mitarbeiter treffen, nicht aber das Regime“, erklärt Konzernsprecher Michael Höfler gegenüber dem KURIER.
Die A1 Telekom Group leiste einen wesentlichen Beitrag zur Zivilgesellschaft und zur Versorgung mit Internet im Land, „wir ermöglichen der Bevölkerung mit unserem Angebot Anschluss an Westeuropa, den Mitarbeitern einen internationalen Karrierepfad und zeigen der Bevölkerung, dass es eine Alternative gibt“.
Lukaschenko fährt einen harten Kurs gegen A1 Belarus. Anfang Dezember wurde der Pressesprecher, Nikolaj Bredelew festgenommen, kurz darauf wurde vom Regime ein demütigendes „Geständnisvideo“ veröffentlicht, in dem er sich selbst bezichtigte, an den Massendemonstrationen im Sommer 2020 beteiligt gewesen zu sein. Putins Scherge höchstpersönlich warf Bredelew öffentlich Datendiebstahl vor und kündigte „schärfste Maßnahmen“ gegen das Unternehmen an. Im Jänner gab es eine Hausdurchsuchung.
Bredelew soll sich immer noch im berüchtigten Minsker Wolodarka-Gefängnis befinden, Menschenrechtsorganisationen haben ihn zum politischen Gefangenen erklärt.
Für ein Aussitzen in Belarus soll, hört man aus Unternehmenskreisen, vor allem der stark gewinnorientierte mexikanische Mehrheitseigentümer America Movil votiert haben. Gewerkschaft und Belegschaftsvertreter wiederum fürchten, ein Ausstieg würde sich auf die Jobs in Österreich durchschlagen und hier Arbeitsplätze kosten
Die Landesgesellschaft gehört innerhalb der Telekom-Group zu den profitabelsten Einheiten (siehe Zahlen unten). Doch es droht Ungemach. Die westlichen Sanktionen gegen Belarus sind noch nicht so scharf wie gegen Russland, es wird aber allgemein erwartet, dass die EU nachlegt und auch die Telekom-Branche betroffen wird. Konflikte schaffen Bedarf für Telekom-Dienstleistungen, die Branche ist daher relativ krisenfest. Noch treffen die Sanktionen A 1 Belarus nur bei bestimmten Technologie-Importen. Werden die Banken stärker sanktioniert, würde die Telekom die Dividenden nicht mehr außer Landes bringen. In Minsk wird überhaupt spekuliert, Lukaschenko könnte die Telekom überhaupt enteignen. Oder der staatliche Marktführer Beltelekom könnte A1 Infrastruktur wegnehmen.
Ein Käufer würde sich durchaus finden, hört man aus Wirtschaftskreisen in Minsk. Russen als auch Chinesen würden das Unternehmen sofort übernehmen. Die starke Profitabilität macht A1 Belarus unabhängig vom Mutterkonzern, der Firmenwert ist abgeschrieben.
Die Propaganda regimetreuer Aktivisten gegen das Unternehmen wirkt nicht. Die Bevölkerung hofft sehr, wurde dem KURIER in Minsk erklärt, dass die Österreicher die Eigentümer bleiben.
Zwischenstufe Schlaff
Hierzulande sorgte die Übernahme der Velcom, wie das Unternehmen 2007 noch geheißen hatte, für viel öffentlichen Wirbel. Schmiergelder wurden vermutet und die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, alle Ermittlungen aber eingestellt.
Eigentümer der vormals staatlichen Velcom war der Syrer Eead Samawi, ein enger Vertrauter von Lukaschenko. Die Telekom spitzte auf das Unternehmen, wollte aber aus Imagegründen nicht direkt mit Samawi ins Geschäft kommen, weshalb der Investor Martin Schlaff als Zwischenstufe eingeschaltet wurde. Die Telekom erhielt das Unternehmen um rund 1,3 Milliarden schuldenfrei. Und Schlaff hatte schön verdient, 100 bis 200 Millionen Euro wurden kolportiert. Rund um den Deal hat auch der ehemalige ÖVP-Chef Josef Taus, einst Partner von Schlaff, mitverdient.
Cashcow
Seit der Übernahme 2007 fuhr die hundertprozentige Telekom-Tochter A1 Belarus bis auf ein Jahr zuverlässig hohe Gewinne ein. 2021 stieg das Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) von 109 auf 122,4 Millionen Euro, bei knapp 420 Umsatzmillionen und 4,9 Millionen Kunden. Der Anteil der größenmäßig eher kleinen A1 Belarus am Konzern-Ebit beträgt mehr als 16 Prozent. Das Ebit im Verhältnis zum Umsatz liegt bei 29 Prozent.
Zum Vergleich:
Die größte Landeseinheit, Österreich, kommt hier auf eine Relation von nur 16 Prozent
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